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# taz.de -- HDP in der Türkei: Mehr als nur eine „Kurdenpartei“
> Selahattin Dermirtas will die HDP zum Sammelbecken aller Linken in der
> Türkei machen. Gerade für die Kurden ist das eine große Chance.
Bild: Das Gesicht der HDP: Selahattin Demirtas.
ISTANBUL taz | Offenes weißes Hemd, keine Krawatte, lässiges Leinenjacket
und Jeanshose. Schon rein äußerlich drängt sich bei dem großen Gewinner der
türkischen Parlamentswahlen, dem [1][42-jährigen Selahattin Demirtas], der
Vergleich mit seinem griechischen Kollegen Alexis Tsipras auf: Dasselbe
strahlende Lächeln, dieselbe rhetorische Eloquenz, dieselbe Begeisterung
bei seinen Anhängern.
Tatsächlich ist es nicht zuletzt Selahattin Demirtas zu verdanken, dass die
linke kurdische HDP bei dieser „Schicksalswahl“, wie Demirtas sagte, einen
[2][Sensationserfolg von 13 Prozent aller Wählerstimmen] erzielen konnte.
Denn Demirtas war maßgeblich daran beteiligt, dass vor zwei Jahren aus der
früheren Kurdenpartei BDP die HDP wurde – ein Zusammenschluss der Kurden
mit mehreren kleinen linken und grünen Parteien der Türkei.
Sorgfältig achtet Demirtas seitdem darauf, dass die HDP ihr Image als
Kurdenpartei loswird und sich stattdessen als neue Partei der Linken für
die gesamte Türkei präsentiert. Er schaffte es, dass die HDP allein in der
Provinz Istanbul 11 Abgeordnetensitze gewann.
## Eher wie die Linke
Wenn man sich das Programm der HDP anschaut, könnte man meinen, es sei
direkt bei den deutschen Grünen abgeschrieben: Gleichberechtigung für alle
ethnischen und religiösen Minderheiten, Kampf für Schwule und Lesben, keine
Atomkraftwerke und alle Parteiposten schön mit Mann und Frau quotiert.
Demirtas ist deshalb auch nur Kovorsitzender der HDP und teilt sich die
Parteiführung mit Figen Yükseldag, die allerdings außerhalb ihrer Partei
kaum jemand kennt.
Doch in der Realität ist die HDP, wenn überhaupt, eher mit den deutschen
Linken als den Grünen zu vergleichen. Der Zusammenschluss der kurdischen
BDP mit den türkischen Linksparteien entspricht in der Gewichtung dem
Zusammenschluss der PDS mit den Westlinken. Von der Zahl ihrer Mitglieder
ist die HDP so kurdisch wie die Linke ostdeutsch.
Die Kurden in der HDP haben allesamt eine eigene, zumeist harte Geschichte
von Unterdrückung, Haft, Folter und Tod. Dreißig Jahre bewaffneter Kampf
gegen den türkischen Staat hat diese Generation Kurden geprägt. Es gibt
wohl kaum ein Parteimitglied, in dessen Familie niemand getötet oder
verhaftet wurde oder bei dem nicht ein Angehöriger nach wie vor auf den
Bergen mit der PKK kämpft. Auch ein Bruder von Demirtas ist kämpfendes
Mitglied der PKK.
Umso schwerer wiegt, dass diese Kurden mit der HDP einen wohl letzten
Versuch unternommen haben, ihre Interessen auf demokratischem Weg,
innerhalb des parlamentarischen Systems der Türkei durchzusetzen, statt auf
Abspaltung, Autonomie und einen Sehnsuchtsort „Kurdischer Staat“ zu setzen.
Mit dem jetzigen Wahlsieg sind erstmals die Voraussetzungen gegeben, dass
die Kurden zum integralen Bestandteil der türkischen Politik werden. Nicht
als Objekt, sondern als politische Subjekte. Das ist das eigentliche
Verdienst von Demirtas. „Wir standen so kurz vor dem Abgrund“, sagte er am
Sonntag, „und wir haben die Kurve noch so gerade gekriegt.“
9 Jun 2015
## LINKS
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## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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