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# taz.de -- Kommentar Wahlen in der Türkei: Quittung für den Größenwahn
> Der Plan von Recep Tayyip Erdogan, die Türkei in eine Präsidialdiktatur
> zu verwandeln, ist gescheitert. Sein Niedergang hat begonnen.
Bild: Kein Posterboy mehr: Recep Tayyip Erdogan.
Am Sonntag hat die Türkei einen großen Schritt auf dem Weg zu einer echten
Demokratie getan. Trotz unglaublichen Drucks auf sämtliche
Oppositionsparteien, trotz einer erdrückenden Manipulation der Medien
seitens der regierenden AKP, trotz allem haben die Wähler die Hoffnung auf
demokratische Verhältnisse bewahrt und der geplanten Diktatur des
Präsidenten eine vernichtende Abfuhr erteilt.
Fast 10 Prozentpunkte weniger Wählerstimmen und der Verlust der absoluten
Mehrheit nach 13 Jahren Alleinregierung sind die Quittung für den
Größenwahn von Recep Tayyip Erdogan. Er wollte die gestrige Wahl zu einem
Plebiszit für einen Systemwechsel machen. Das bisherige parlamentarischen
System sollte durch eine Präsidialdiktatur ersetzt werden, die alle Macht
in einer Hand versammelt: in seiner Hand.
[1][Doch die türkischen Wähler haben in vorbildlich demokratischer Weise
die Allmachtsfantasien eines Mannes zurückgewiesen], der längst den Kontakt
zur Wirklichkeit verloren hat. Der sich mittlerweile für einen muslimischen
Weltführer hält, der das ehemalige osmanische Imperium in neuer Form wieder
begründen will.
Rückblickend lässt sich sagen: Die AKP und Erdogan waren so lange gut, wie
sie sich um die sozialen Belange der Benachteiligten gekümmert haben und
gegen tatsächliche Diskriminierungen der religiösen, überwiegend armen
Bevölkerung gekämpft haben. Die AKP wurde problematisch, als sie begann,
ihre Gegner, vor allem das bis dahin im Hintergrund herrschende Militär,
mit undemokratischen Mitteln und einer manipulierten Justiz zu beseitigen.
Untragbar wurde sie, als Erdogan nach seinem großen Wahlsieg 2011 zum
Despoten wurde.
## Das parlamentarische System siegt
Die Furcht, diese Despotie könnte jetzt auch noch in eine neue,
verfassungsmäßige Form gebracht werden, hat in der kritischen Bevölkerung
alle Reserven mobilisiert, um Erdogan demokratisch zu stoppen. Und das ist
gelungen. Das parlamentarische System bleibt, die linke HDP ist im
Parlament, die AKP hat keine absolute Mehrheit mehr.
Erdogan kann es noch gar nicht fassen, dass die Mehrheit der türkischen
Wähler ihm nicht in seine „Neue Türkei“ folgen will, und hat offenbar noch
in der Wahlnacht die Parole ausgegeben, dieser Fehler müsse durch eine
erneute Abstimmung korrigiert werden. Es sieht so aus, als werde es keine
Koalition geben, sondern stattdessen Neuwahlen im Herbst. Der Despot will
seine Niederlage noch nicht wahrhaben.
Das bedeutet, es wird erst einmal neue Spannungen und Chaos geben, doch am
Ende wird die Vernunft der Wähler siegen. Erdogans Niedergang hat begonnen,
er hat es nur noch nicht bemerkt.
8 Jun 2015
## LINKS
[1] /Parlamentswahlen-in-der-Tuerkei/!5202984/
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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