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# taz.de -- Grüne Ministerin über Schlachthöfe: „Das System ist anfällig …
> Wieder steht ein Schlachthof im Verdacht der Tierquälerei. Niedersachsens
> Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte fordert dauerhafte
> Videoüberwachung.
Bild: In Elsfleth wurden Tiere ohne Betäubung getötet. Die Amtstierärzte sch…
taz: In Elsfleth ist ein [1][Schlachthof geschlossen worden, wegen des
Verdachts auf Tierquälerei]. Laut der Tierrechtsorganisation Aninova waren
auch Tierhalter beteiligt. Und Elsfleth ist kein Einzelfall. Was läuft
schief in der Landwirtschaft?
Miriam Staudte: Das System ist anfällig für solche Verstöße. Die Produktion
erfolgt auf der einen Seite unter hohem Preisdruck. Auf der anderen Seite
herrscht auch bei den Veterinärbehörden Personalmangel. Das sind schwierige
Grundvoraussetzungen, um eine tiergerechte Schlachtung sicherzustellen.
Hinweise darauf, dass beim Schlachthof in Elsfleth auch Tierhalter
beteiligt waren, liegen uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor.
taz: Aninova sagt: „Immer wieder ist auch der amtliche Tierarzt auf den
Aufnahmen zu sehen, doch bei Tierquälerei schreitet er nicht ein.“ Braucht
es mehr Kontrolleure für Ihre Kontrolleure?
Staudte: Ein Rotationsprinzip wäre wünschenswert, aber dazu ist die
Personaldecke leider zu dünn. Es würde sicherstellen, dass nicht immer
derselbe Veterinär oder Veterinärin beim selben Schlachthof tätig ist. Das
ist ja ein Bereich, wo schnell der Effekt einer Gewöhnung bei allen
Beteiligten einsetzen kann.
taz: Inwiefern?
Staudte: Man gewöhnt sich an Abläufe. Ein Problem ist vermutlich auch, dass
es leichter zu ertragen ist, dem Töten von Tieren beizuwohnen, wenn man
sich nicht ständig vor Augen führt, dass das fühlende Lebewesen sind.
Deshalb kommt es bei Schulungen nicht nur darauf an, Wissen zu vermitteln.
Dort muss auch reflektiert werden: Was macht ein solcher Job mit mir als
Mensch? Ich glaube, dass in der Vergangenheit der Schwerpunkt anders
gesetzt war.
taz: Wie geht es jetzt in Sachen Elsfleth weiter?
Staudte: Wir haben das ungeschnittene Videomaterial angefordert, um genau
zu prüfen, wer wann wo war und wer wann wo hätte einschreiten müssen. Das
muss Konsequenzen haben.
taz: Lässt sich der veterinärmedizinische Personalmangel durch technische
Unterstützung abfedern?
Staudte: Unsere Forderung ist seit Jahren, das Tierschutzgesetz auf
[2][Bundesebene so zu ändern, dass die Videoüberwachung
datenschutzrechtlich zulässig ist]. Das Bundesministerium hatte eine
umfangreiche Tierschutzgesetz-Novelle erarbeitet. Videoüberwachung sollte
zumindest für Schlachthöfe ab 1.000 Großvieheinheiten pro Jahr
verpflichtend werden. Elsfleth wäre davon betroffen gewesen. Allerdings
haben wir jetzt das [3][Ampel-Aus], und es sieht so aus, als ob diese
Novelle nicht mehr kommt.
taz: Gesetzt, die Videoüberwachung wäre verpflichtend: Wer würde diese
Materialflut analysieren?
Staudte: Wir müssten das mit KI kombinieren. Es nützt ja nichts, wenn aus
Personalmangel keiner Zeit hat, sich das anzusehen.
taz: Im Zuge des Prozesskomplexes zum [4][Bad Iburger Schlachthof Temme]
wurden Anfang 2023 zwei amtliche Tierärzte freigesprochen, die bei
Schlachtungen nicht anwesend gewesen waren, obwohl sie dazu verpflichtet
sind.
Staudte: Ein solches Urteil sendet in die Branche meiner Meinung nach ein
völlig falsches Signal. Es darf nicht sein, dass man sich nur an den
Schlachthofmitarbeitern abarbeitet. Die Kontroll-Verantwortung haben die
Mitarbeitenden der Veterinärämter, sie müssen ihrem Auftrag im Sinne des
Tierschutzes vollumfänglich nachzukommen.
taz: Was tun Sie gegen den veterinärmedizinischen Personalmangel?
Staudte: Ich bin mit der Tierärztekammer und der Tierärztlichen Hochschule
Hannover einig, dass der Studienabschluss von Tierärztinnen und Tierärzten,
die aus dem Ausland zu uns kommen, schneller anerkannt werden muss. Dazu
arbeiten wir an einer Bundesratsinitiative.
taz: Wäre es nicht besser, die Massentierhaltung ganz einzustellen, die
Tiernutzung generell?
Staudte: Wer Bilder wie aus Elsfleth sieht, entscheidet sich vielleicht,
seinen Fleischkonsum zu verringern oder ganz auf tierische Produkte zu
verzichten. Das ist aber eine persönliche Entscheidung. Unsere politische
Leitlinie ist: weniger Tiere, und die besser halten. Klar ist: Das
derzeitige System des Preisdrucks ermöglicht es nicht, Tiere so zu halten
und zu schlachten, wie die Gesellschaft es sich wünscht. Wir brauchen daher
unbedingt einen Tierwohl-Cent oder eine Erhöhung der Mehrwertsteuer
verpflichtend auf alle tierischen Produkte. Sonst werden sich die Standards
nicht erhöhen. Wir haben aktuell ein Förderprogramm aufgesetzt, das
Betriebe unterstützt, die Tierbestände abbauen und in andere Standbeine
investieren wollen.
taz: Wie sehen Sie Tierrechtsorganisationen wie [5][Aninova] und [6][Soko
Tierschutz], die Missstände ans Licht bringen?
Staudte: Ich würde mir wünschen, dass die Arbeit dieser Organisationen
unnötig wäre, aber das kann man im Moment nicht sagen. Dass sie immer
wieder Straftaten aufdecken, ist für uns eine Hilfestellung, besser
nachzufassen. Nur eine generelle staatliche Videoüberwachung wird dazu
führen, dass es nicht mehr zu diesen eigenmächtigen Handlungen kommt.
14 Nov 2024
## LINKS
[1] /Schlachthof-bei-Oldenburg/!6042656
[2] /Tierquaelerei-in-der-Fleischindustrie/!5886502
[3] /Scheitern-der-Ampelkoalition/!6047493
[4] /Freispruch-nach-Tierschutz-Skandal/!5908002
[5] https://aninova.org/
[6] https://www.soko-tierschutz.org/
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Landwirtschaftsministerium Niedersachsen
Schlachthof
Tierquälerei
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Tierschutz
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