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# taz.de -- Landwirt verurteilt: Hohe Strafe wegen Tierquälerei
> Ein Gericht hat wichtige Vorwürfe von Tierrechtlern gegen einen
> niedersächsischen Schweinemäster bestätigt. Nun soll er 36.800 Euro
> Strafe zahlen.
Bild: Die Nachtaufnahme der Schweinemästerei haben die Tierschutzaktivisten ge…
Osnabrück taz | Ab einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen ist eine
wichtige Grenze überschritten: Der Verurteilte gilt als vorbestraft. Gegen
Landwirt Carsten A. – angeklagt wegen des Verdachts auf Tierquälerei – hat
das Amtsgericht Hameln Mitte Januar deutlich höher gegriffen: 160
Tagessätze, zu je 230 Euro. Das summiert sich auf eine für
[1][Tierschutz]fälle vergleichsweise hohe Strafe von 36.800 Euro. 15.000
Euro Verfahrenskosten kommen noch obendrauf.
Die Missstände in A.'s Betrieb waren durch Videos aufgeflogen, die
Tierrechtler veröffentlicht hatten. Oft bezweifeln Landwirte die
Authentizität solcher Aufnahmen. In diesem Fall hat nun ein Gericht
Vorwürfe der Aktivisten klar bestätigt.
„Wir sind zufrieden mit diesem Urteil“, sagt Jan Peifer der taz,
Vorstandsvorsitzender der Tierrechtsorganisation Aninova (vormals:
Deutsches Tierschutzbüro), die 2022 in der Weser Agrar GbR des
Schweinemästers unhaltbare Zustände aufgedeckt hatte, in Hessisch Oldendorf
im niedersächsischen Landkreis Hameln-Pyrmont. Sätze wie diesen sagt Peifer
nicht oft. Viele Fälle von Tierquälerei würden im Sande verlaufen,
kritisiert er, juristisch geschehe oft „überhaupt nichts“.
Das Verfahren war zustande gekommen, weil der konventionelle Bauer A.
rechtlich gegen das Resultat der Ermittlungen vorgegangen war, einen
Strafbefehl von 110 Tagessätzen. Sein Versuch ist fehlgeschlagen, ein für
ihn günstigeres Ergebnis zu erwirken.
## Kaum Betreungszeit für die Tiere
Eine Gutachterin der Staatsanwaltschaft kam in ihrer Analyse des
Undercover-Bildmaterials der Tierrechtler zu dem Schluss, der Tatbestand
der Tierquälerei sei erfüllt, es habe in 14 Fällen erhebliche Schmerzen
oder Leiden gegeben. Nur 0,5 bis 1 Sekunde Betreuungszeit pro Tier und Tag
habe der Betrieb aufgebracht, empört sich Aninova-Chef Peifer.
Fußend auf Video- und Fotomaterial, das nur schwer zu ertragen ist, hatte
die Tierrechtsorganisation 2022 Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft
Oldenburg erstattet, wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das
Tierschutzgesetz. In dem Betrieb, damals Zulieferer von Westfleisch, einem
der größten Fleischvermarkter Deutschlands, hatten die
Tierrechts-Aktivisten blutende, stark geschwächte, lahmende, verletzte
Tiere entdeckt. Eines lag aufgequollen zwischen den anderen, tot. Kranke
Tiere waren nicht separiert, waren unbehandelt. Mitte 2023 hatte das
Veterinäramt ein Tierhaltungsverbot gegen den Betreiber erlassen.
Der rund 850 Mastschweine große Betrieb von Carsten A. hatte sogar an der
„Initiative Tierwohl“ (ITW) teilgenommen, einer Zertifizierung der
„Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung“, eines
Branchenverbandes der deutschen Fleischindustrie. Das ist vorbei. „Die
Initiative Tierwohl hat den Betrieb umgehend nach Bekanntwerden des Urteils
gesperrt“, schreibt Patrick Klein, Sprecher der Gesellschaft, der taz. Die
Sperrung gelte „bis auf Weiteres“. Klein betont: „Es gilt hier die Fakten
vollumfänglich zu prüfen, um den Fall konkret bewerten zu können.
Grundsätzlich nimmt die Initiative Tierwohl Verstöße gegen die
vorgeschriebenen Kriterien, insbesondere wenn die Tiere dadurch zu Schaden
kommen bzw. unnötig leiden müssen, äußerst ernst.“
Auch das Prüfzeichen der QS Qualität und Sicherheit GmbH hat der Betrieb
verloren. Das Siegel, das von Verbänden der Land- und Ernährungswirtschaft
getragen wird, soll auch die Einhaltung von Tierschutzvorschriften
garantieren.
Am Tag der Urteilsverkündung habe man „die Lieferberechtigung in das
QS-System entzogen“, schreibt Oliver Thelen der taz, Vize-Geschäftsführer
von QS. „Mit dem Entzug dieser Lieferberechtigung ist der Betrieb nicht
mehr berechtigt, Tiere im QS-System und in der Initiative Tierwohl zu
vermarkten. Auch die Möglichkeit der Kennzeichnung mit dem QS-Prüfzeichen
oder dem Siegel der Initiative Tierwohl ist entfallen.“
## Verstöße trotz Qualitätssiegeln
Die am QS-System teilnehmenden Betriebe würden „regelmäßig angekündigt und
unangekündigt kontrolliert“, schreibt Thelen. Trotz dieser Kontrollen
bleibe es „aber nicht aus, dass einzelne Betriebe von diesen Anforderungen
abweichen“. Jeder Fall werde sorgfältig untersucht und bewertet. „Als
Qualitätssicherungssystem für Fleisch und Fleischwaren bedauern wir jeden
Fall des Verstoßes gegen den Tierschutz“, versichert Thelen.
Westfleisch hatte schon früher reagiert. Philipp Ley, Sprecher von
Westfleisch, Münster, schreibt der taz: „Nachdem wir im Jahr 2022 mit den
Vorwürfen gegen den Tierhalter konfrontiert worden waren, gingen wir diesen
direkt und mit aller Entschiedenheit nach. In diesem Zuge beendeten wir
bereits damals die Geschäftsbeziehung.“
Ganz zufrieden ist Aninova-Chef Peifer allerdings nicht. Ohne den Einsatz
der Tierrechtler, vermutet er, wären die Zustände bei Carsten A. womöglich
unentdeckt geblieben. „Die staatlichen Kontrollen in Deutschland versagen
komplett“, urteilt er. Zwischen den Kontrollen in niedersächsischen
Mastbetrieben vergehen statistisch Jahrzehnte.
22 Jan 2024
## LINKS
[1] /Tierschutz/!t5008147
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Geldstrafe
Tierschutz
Schweinemast
Landwirtschaft
Niedersachsen
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Landwirtschaftsministerium Niedersachsen
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Bauernprotest
Tierquälerei
Tierschutz
Pferdesport
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