| # taz.de -- Größte Studie zu Milchvieh-Gesundheit: Viele Kühe sind krank | |
| > In Ostdeutschland lahmen 40 Prozent der Tiere, so die bislang | |
| > umfangreichste Studie dieser Art. Viele sind zu mager. Die Bauern merken | |
| > das nicht. | |
| Bild: Milchkühe führen oft ein schmerzhaftes Leben | |
| Berlin taz | Die bisher [1][größte Studie] zur Gesundheit von Milchkühen in | |
| Deutschland zeichnet ein erschreckendes Bild: Im Osten lahmen 40 Prozent | |
| der untersuchten Tiere, das heißt, sie können sich wegen einer | |
| schmerzhaften Erkrankung der Beine nicht normal bewegen. In den Wochen ohne | |
| Melken erhalten in mehr als 60 Prozent der Betriebe im Norden und Osten | |
| grundsätzlich alle Kühe Antibiotika. Je nach Region ist im Mittel ein | |
| Fünftel bis mehr als ein Drittel der Milchkühe pro Betrieb zu mager. | |
| Dennoch mussten die AutorInnen von der Tierärztlichen Hochschule Hannover, | |
| der Freien Universität Berlin und der Ludwig-Maximilians-Universität | |
| München feststellen: „Die Mehrheit der TierhalterInnen zeigte sich | |
| zufrieden mit der Gesundheit ihrer Tiere.“ | |
| Für die deutschlandweit repräsentative und vom Bundesagrarministerium | |
| finanzierte Studie besuchten die TiermedizinerInnen etwa drei Jahre lang | |
| regelmäßig 765 Milchkuhbetriebe – in Schleswig-Holstein und Niedersachsen | |
| (Region Nord), Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen und | |
| Sachsen-Anhalt (Region Ost) sowie in Bayern (Region Süd). Untersucht wurden | |
| insgesamt mehr als 186.000 Rinder, auch wurden Tierhalter interviewt. | |
| Im Norden und Süden waren der Untersuchung zufolge 23 Prozent der Tiere | |
| lahm. „Über alle drei Studienregionen hinweg wurden hohe | |
| Lahmheitsprävalenzen ermittelt“, urteilen die ForscherInnen. Am besten | |
| schnitten Betriebe ab, die alle Tiere auf der Weide hielten. In | |
| Ostdeutschland etwa trat das Problem im Mittel [2][nur bei 6 Prozent] | |
| dieser Höfe auf – aber in 41 Prozent der dortigen Betriebe mit | |
| Boxenlaufstall. Der weiche Weideboden schone die Klauen, so die | |
| WissenschaftlerInnen: „Wir empfehlen, Weidegang in die Milchkuhhaltung zu | |
| integrieren.“ | |
| Dass der Ökolandbau das bereits tut, könnte eine Ursache für seine besseren | |
| Zahlen sein. Als möglichen weiteren Grund nennt die Studie, dass Ökobauern | |
| lahme Tiere eher erkennen würden. Biobetriebe werden von Ökokontrolleuren | |
| [3][mindestens einmal pro Jahr] inspiziert, während viele konventionelle | |
| Höfe [4][jahrelang gar nicht] von den Veterinärämtern besucht werden. | |
| ## Zu wenig Futter, aber viel Antibiotika | |
| Im Osten erkennt die Hälfte der Landwirte lediglich knapp ein Viertel ihrer | |
| lahmen Tiere. Im Norden betrug die Trefferquote weniger als 42 Prozent der | |
| erkrankten Kühe. Das liege einerseits „an mangelhafter Aufzeichnung von | |
| Lahmheitsfällen, zum anderen aber vielmehr an der mangelhaften Fähigkeit, | |
| lahme Tiere als solche zu erkennen“. Das koste auch viel Zeit, die | |
| Landwirte unter hohem Preisdruck nicht haben. Ökobauern hätten im Schnitt | |
| „eine eher mit der Realität übereinstimmende Selbsteinschätzung“ als | |
| konventionelle. | |
| Massive Probleme existieren auch bei der Fütterung: Im Süden gaben laut | |
| Studie [5][39 Prozent] der Betriebe ihren Kühen in der Zeit, in der sie | |
| wenig bis gar nicht gemolken wurden, Futter mit einem geringeren | |
| Energiegehalt als empfohlen. | |
| In dieser Periode des „Trockenstellens“ behandelten viele Landwirte die | |
| Kühe jedoch großzügig mit Antibiotika. Die massenhafte Gabe trägt aber dazu | |
| bei, dass Krankheitserreger gegen diese Präparate resistent werden. In | |
| Deutschland sterben laut einer von der EU finanzierten Studie jährlich | |
| Tausende Menschen, weil sie sich mit derartigen Keimen infiziert haben. Im | |
| Süden aber behandelten nur 24 Prozent der Betriebe alle Trockensteller mit | |
| Antibiotika. | |
| Bullenkälber werden offenbar schlechter gehalten. „Es fiel auf, dass die | |
| männlichen Kälber häufiger krank waren als die weiblichen Artgenossen und | |
| dass männliche Kälber von Milchrassen insgesamt schlechter versorgt wurden | |
| als weibliche“, so die Studie. | |
| „Ein einheitlicher Einfluss der Betriebsgröße war nicht erkennbar, das | |
| heißt: Man kann nicht sagen, dass die Tiergesundheit in kleineren Betrieben | |
| besser ist als in größeren“, teilte die Studienleiterin Martina Hoedemaker | |
| der taz mit. | |
| ## Bauernverband gesteht Probleme ein | |
| Der Deutsche Bauernverband räumte ein, dass die Studie auf teils bekannten | |
| Verbesserungsbedarf hinweise. Die Untersuchung zeige aber auch, dass viele | |
| Betriebe ein hohes Tierwohlniveau erreichten, schrieb Generalsekretär | |
| Bernhard Krüsken der taz. Er forderte eine Herkunfts- und | |
| Haltungskennzeichnung von Milchprodukten. Dafür müssten die | |
| VerbraucherInnen mehr bezahlen, damit die Bauern mehr für das Tierwohl tun | |
| könnten. | |
| Deutschlands größter Ökobauernverband, Bioland, freute sich, dass laut der | |
| Studie Biohöfe bei haltungsbedingten Leiden konventionellen überlegen | |
| seien. | |
| Der Tierschutzbund verlangte, „eine [6][verbindliche Verordnung zur | |
| Haltung] von Rindern“. Bisher gebe es keine Vorschriften speziell für diese | |
| Art. Die Tierrechtsorganisation Peta sieht die Studie als Argument für eine | |
| vegane Lebensweise. | |
| 3 Dec 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.tiho-hannover.de/aktuelles-presse/pressemitteilungen/pressemitt… | |
| [2] https://service.ble.de/ptdb/index2.php?detail_id=47148&site_key=145&… | |
| [3] https://www.boelw.de/themen/eu-oeko-verordnung/kontrolle/ | |
| [4] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/agrar-berlin-tierschutz-kontrollen-r… | |
| [5] https://service.ble.de/ptdb/index2.php?detail_id=47148&site_key=145&… | |
| [6] https://www.tierschutzbund.de/news-storage/landwirtschaft/141120-studie-zur… | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
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