# taz.de -- Griechenland nach der Bootskatastrophe: Einig mit Meloni, Zwist mit… | |
> Griechenland prescht mit migrationsfeindlicher Politik vor. Frontex macht | |
> dem Land nun schwere Vorwürfe im Fall der Bootskatastrophe vor zwei | |
> Wochen. | |
Bild: Einer von wenigen Überlebenden der Bootskatastrophe in einem Lager in Ma… | |
ATHEN taz | Sie können offenkundig gut miteinander, politisch wie auch | |
persönlich: die [1][italienische Regierungschefin Georgia Meloni], 46, und | |
ihr griechischer Amtskollege Kyriakos Mitsotakis, 55, der am Sonntag | |
[2][von den Griechen für weitere vier Jahre wiedergewählt wurde]. | |
„Ich gratuliere @kmitsotakis zu seinem Wahlerfolg. Italien und Griechenland | |
können gemeinsam wichtige Ergebnisse zum Wohle unserer Völker, unserer | |
Nationen und unseres Kontinents erzielen“, [3][twitterte] die | |
Postfaschistin Meloni schon früh am Montag von Rom hinüber nach Athen. Dazu | |
postete die Chefin der Rechtsaußenpartei Fratelli d’Italia ein Foto von | |
sich mit Mitsotakis auf einem EU-Gipfel. Die rechten Hände jeweils auf den | |
linken Oberarm des anderen gelegt, schauen sie sich mit einem Lächeln tief | |
in die Augen. | |
Mehr noch: So wie die [4][offen migrantenfeindliche Meloni] fährt auch | |
Mitsotakis seit seiner Machtübernahme 2019 einen restriktiven Flüchtlings- | |
und Migrationskurs. Vom Bau und Ausbau von Grenzzäunen an den | |
EU-Außengrenzen bis zu geschlossenen Flüchtlingslagern: Meloni und | |
Mitsotakis treten in Brüssel Hand in Hand auf. Ihr Ziel ist es, die Zahl | |
der Schutzsuchenden in der EU so weit es geht zu drücken. | |
Dabei werden auch rote Linien überschritten: Griechenland scheut sich in | |
der Ära Mitsotakis nicht, im großen Stil auf Pushbacks zu setzen, auf das | |
Zurückdrängen von ankommenden Flüchtenden und Migranten hinter die eigenen | |
Grenzen. Das harsche Vorgehen trägt Früchte. Im vorigen Jahr zählte | |
Griechenland nur 17.122 Neuankömmlinge. | |
Frontex: Griechen lehnten Hilfe ab | |
Die migrationsfeindliche Politik bringt Verluste mit sich, mitunter | |
schlimme: Einen zugleich griechischen wie italienischen Bezug hatte das | |
[5][Bootsunglück am 14. Juni, 47 Seemeilen vor der griechischen Küstenstadt | |
Pylos] im Südwesten der Halbinsel Peloponnes. Ein überfüllter Fischkutter | |
mit Flüchtlingen und Migranten war im ostlibyschen Tobruk in See gestochen. | |
Sein Ziel: Italien. | |
Er kenterte am 14. Juni um 2 Uhr und sank sofort an einer der tiefsten | |
Stellen im zentralen Mittelmeer. Nur 104 Menschen retteten die griechischen | |
Behörden, 82 Leichen wurden geborgen, schätzungsweise 646 Flüchtlinge und | |
Migranten könnten ertrunken sein, darunter viele Kinder und Frauen. | |
Nun sind neue Details zum Vorschein gekommen. Die griechischen Behörden | |
hätten ein Hilfsangebot der europäischen Grenzschutzagentur Frontex | |
ignoriert. Frontex habe den Griechen einen Tag vor der Havarie, | |
„zusätzliche Luftunterstützung angeboten, aber keine Antwort aus Athen | |
erhalten“, erklärte Frontex am Montagabend. | |
Obendrein habe man den Griechen die Entsendung einer Frontex-Drohne | |
angeboten, hieß es. Athen hätte Frontex jedoch angewiesen, die Drohne statt | |
vor Pylos bei einer anderen Rettungsaktion südlich von Kreta einzusetzen. | |
Setzt Frontex Arbeit in Griechenland aus? | |
Offenbar ist Frontex nun der Kragen geplatzt. Die Agentur „ziehe in | |
Erwägung, ihre Aktivitäten in Griechenland nach der Kontroverse mit den | |
Griechen über die Verantwortung für die Havarie vor Pylos auszusetzen“, | |
schrieb die französische Zeitung Le Monde. In einer Sitzung des | |
Frontex-Verwaltungsrats am 20. und 21. Juni habe der | |
Frontex-Grundrechtsbeauftragte Jonas Grimheden „die vorübergehende | |
Aussetzung der Frontex-Aktivitäten in Griechenland empfohlen“. | |
Medienberichten zufolge hat Frontex mit Blick auf die Causa Pylos zudem | |
einen „Bericht über einen schwerwiegenden Vorfall“ in Auftrag gegeben. | |
Darin soll der Frontex-Grundrechtsbeauftragte etwaige | |
Menschenrechtsverletzungen dokumentieren. | |
Kritiker monieren, die griechischen Behörden hätten schneller handeln | |
müssen, um das Kentern des Kutters zu verhindern. Es gibt Aussagen von | |
Überlebenden, dass die Küstenwache das Boot an die Leine genommen und | |
versucht habe, es zu ziehen, wodurch es ins Schwanken geraten sein soll. | |
Die griechischen Behörden bestreiten dies. Sie behaupten, ein Schiff der | |
Küstenwache sei „bereits Stunden vor dem Unglück bei dem Schiff | |
eingetroffen“. Die Bootsinsassen hätten aber „Hilfsangebote wiederholt | |
abgelehnt“. Eine plausible Erklärung, wie das Flüchtlingsboot gekentert | |
ist, konnte die Küstenwache bisher nicht liefern. | |
27 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Giorgia-Meloni/!t5882081 | |
[2] /Wahl-in-Griechenland/!5942886 | |
[3] https://twitter.com/GiorgiaMeloni/status/1673218836038819840?cxt=HHwWgICxmd… | |
[4] /Giorgia-Meloni-trifft-Olaf-Scholz/!5913280 | |
[5] /Nach-Bootsunglueck-vor-griechischer-Kueste/!5938713 | |
## AUTOREN | |
Ferry Batzoglou | |
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