| # taz.de -- Europas einzige Erbdemokratie: Kostis, Kyriakos, Kostas, Kyriakos | |
| > In Griechenland ist die Familie Mitsotakis der einflussreichste Clan. Der | |
| > Papa ist wie einst der Opa Regierungschef und der Nachwuchs hat gute | |
| > Jobs. | |
| Bild: Nach der Vereidigung im Präsidentenpalast: Kyriakos Mitsotakis mit seine… | |
| Athen taz | Kyriakos Mitsotakis, der alte und seit der [1][Wahl am Sonntag] | |
| neue griechische Regierungschef, ist Spross einer alten Politdynastie. Sein | |
| Urgroßvater Konstantinos, der „Gero-Kosti“ (der „alte Kostis“), ist der | |
| Gründer des Mitsotakis-Clans. 1845 auf dem Peloponnes als Kind kretischer | |
| Eltern geboren, die vor Verfolgung auf Kreta geflüchtet waren, zog Kostis | |
| Mitsotakis 1872 nach Chania auf Kreta und gründete die „Partei der | |
| Barfüßigen“, wie sie seine politischen Gegner abschätzig nannten. | |
| Eine grobe Unterschätzung: Denn Kostis Mitsotakis war Förderer und enger | |
| Vertrauter des jüngeren Eleftherios Venizelos, der von 1910 bis 1933 mit | |
| Unterbrechungen gleich sieben Mal Griechenland regierte. Kostis Mitsotakis | |
| heiratete auch Venizelos’ Schwester Katigo. | |
| Das war der Grundstein für die Etablierung des Mitsotakis-Clans in der | |
| griechischen Politik. Der Enkelsohn des Dynastiegründers, also der Vater | |
| des jetzigen Regierungschefs Kyriakos, der nach alter Tradition den | |
| Vornamen seines Großvaters erhielt, prägte nach dem Zweiten Weltkrieg fast | |
| fünfzig Jahre lang die Politik in Griechenland, von 1990 bis 1993 als | |
| Regierungschef. Kyriakos’ Großvater, der selbstredend auch Kyriakos hieß | |
| und so sein Namensgeber war, war Abgeordneter. | |
| In der Athener Politik bleibt die oikogeniokratia (Familienherrschaft) gut | |
| 200 Jahre nach der Befreiung vom osmanischen Joch und mehr als vierzig | |
| Jahre nach Griechenlands Beitritt zur EU so fest verankert wie die | |
| Vetternwirtschaft und der Klientelismus. Ob Weltkriege, regionale Kriege, | |
| ein Bürgerkrieg oder Staatspleiten: In Griechenland ist die oikogeniokratia | |
| nicht auszurotten. | |
| ## Die Familie Mitsotakis kommt zuerst | |
| Das wird wohl so bleiben. So unbeirrt wie unverfroren hegt und pflegt | |
| jedenfalls Kyriakos Mitsotakis die einer modernen Demokratie westlichen | |
| Typs so unwürdige Tradition der oikogeniokratia – zum massiven Vorteil der | |
| eigenen Familie. Ein Blick auf seine drei Kinder reicht. | |
| Die Jüngste im Bunde, die 20-jährige Dafni, hat an der so renommierten wie | |
| teuren US-Universität Yale ihr Studium begonnen. Mit Blick auf ihre | |
| politischen Ambitionen gilt vorerst: abwarten. | |
| In den Genuss väterlicher Fürsorge kam offenbar auch Dafnis Schwester | |
| Sofia, heute 26 Jahre alt. Nach ihrem Studium des öffentlichen | |
| Gesundheitswesens an der US-Universität Johns Hopkins heuerte sie im | |
| Londoner Büro der global agierenden Investmentgesellschaft CVC an. Dort | |
| darf sie die Beziehungen zu den CVC-Investoren verantworten. | |
| Ein Traumjob bei einer milliardenschweren Firma, ohne direkt erkennbaren | |
| Bezug zu ihrem Studium und ihrer Berufserfahrung. Die Mitsotakis-Tochter | |
| ergatterte den Posten, nachdem ihr Vater 2019 Regierungschef geworden war. | |
| Pikanterweise hat CVC seit 2020 gleich fünf ihrer aktuell sechs | |
| Beteiligungen an griechischen Vorzeigefirmen erworben, alle in der Amtszeit | |
| von Papa Mitsotakis. | |
| ## Politik in fünfter Generation | |
| In der EU-Hauptstadt Brüssel kam Sofias ein Jahr jüngerer Bruder unter. Er | |
| bekam nach seinem Studium – ebenso an einer teuren US-Uni (in Boston) – | |
| einen Job als Mitarbeiter des spanischen Europaabgeordneten Esteban | |
| Gonzales Pons der konservativen Partido Popular (PP). | |
| Klar, dass Mitsotakis’ Sohn Konstantinos heißt, benannt nach dem „alten | |
| Kostis“ aus Chania, weshalb schließlich schon sein Großvater so hieß. Bald | |
| könnte er in die Fußstapfen seiner umtriebigen Vorfahren treten wollen, wie | |
| Beobachter erahnen. In fünfter Generation. | |
| Kostis, Kyriakos, Kostas, Kyriakos und demnächst womöglich wieder Kostas: | |
| Die Mitsotakis-Dynastie stellt die immerzu gleichnamigen Könige in Hellas, | |
| Europas einziger Erbdemokratie. Und dies, obwohl die Griechen 1974 per | |
| Referendum die Monarchie abschafften. | |
| Zwar herrschen noch weitere Politik-Clans, doch die Mitsotakis-Familie | |
| stellt alle anderen in den Schatten. Keine andere Politdynastie wirkt zu | |
| Füßen der Akropolis schon so lange und hat sich zudem so stark | |
| [2][verästelt mit Familienmitgliedern in Politik, Wirtschaft und sonstigen | |
| Funktionen]. | |
| ## Politik als Geschäftsmodell des Mitsotakis-Clans | |
| Böse Zungen behaupten gar, der Mitsotakis-Clan sei ein Paradebeispiel, wie | |
| man die Politik zu einem Geschäftsmodell macht. Kyriakos Mitsotakis stand | |
| 2020 – jüngere Daten liegen nicht vor – mit seiner Ehefrau Mareva bei | |
| Banken einerseits mit 1,3 Millionen Euro in der Kreide. | |
| Den zu tilgenden Krediten standen jedoch 40 Immobilien, fünf Autos und über | |
| eine halbe Million Euro Spareinlagen gegenüber. Dabei waren die | |
| Erwerbseinkünfte der 56-jährigen Mareva 2020 sogar für neogriechische | |
| Post-Staatsbankrott-Verhältnisse bescheiden: 9.244 Euro und 10 Cent. | |
| 26 Jun 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ferry Batzoglou | |
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