# taz.de -- Gesundheitsbehörden in Malaysia: Papierlos in der Pandemie | |
> In Malaysia zeigt das Virus die Rechtlosigkeit von Flüchtlingen ohne | |
> gültige Papiere. Es erschwert den Zugang zum Gesundheitssystem. | |
Bild: 5. April: Ein von Malaysias Küstenwache aufgebrachtes Schiff voller Rohi… | |
KUALA LUMPUR taz | Der Kampf gegen das Coronavirus hat in Malaysia die über | |
Jahre vernachlässigten Probleme verdeutlicht, die Migranten und Flüchtlinge | |
ohne gültige Aufenthaltspapiere im Land haben. Es ist ein schon seit | |
Jahrzehnten bekanntes offenes Geheimnis, dass es in Malaysia rund vier | |
Millionen sogenannte „Papierlose“ gibt. | |
Die meisten solcher Migranten kommen aus Bangladesch, Nepal und Indonesien. | |
Die meisten Flüchtlinge sind Angehörige der Minderheiten der [1][Rohingya] | |
und der Chin aus Myanmar. Migranten und Flüchtlinge arbeiten als Köche oder | |
Kellnerinnen in Restaurants, sie arbeiten in Fabriken, Supermärkten oder | |
Kleinindustrien. | |
Millionen von ihnen sind seit Jahrzehnten von Sozialleistungen und | |
institutionellem Schutz ausgeschlossen. Da sie nicht die benötigten | |
Dokumente zum Nachweis ihrer Identität und Legalität haben, stehen sie beim | |
Zugang zum Bildungssystem und zur Gesundheitsversorgung vor großen Hürden. | |
Auch werden einige Migranten wegen der Sprachbarrieren von den | |
Informationen der Regierung und Behörden nicht erreicht. | |
In Malaysia hatte es bei der ersten Welle der Covid-19-Epidemie nur 22 | |
Fälle gegeben. Die Erkrankten waren schon im Februar wieder genesen. Doch | |
dann kam es zu einer zweiten Welle der Pandemie Ende Februar und sie | |
breitete sich rasch aus. | |
## Papierlos, rechtlos, sprachlos | |
Das hing stark mit einer religiösen Massenveranstaltung in Kuala Lumpur | |
zusammen. Das Gesundheitsministerium schätzt, dass 16.000 Personen an der | |
dreitägigen Veranstaltung in einer Moschee teilgenommen haben. Darunter | |
waren etwa 1.500 Personen aus dem Ausland sowie einige Tausend muslimische | |
Migranten ohne legalen Aufenthaltsstatus. Deshalb sind sie für die Behörden | |
nur schwer zu lokalisieren. | |
Obwohl Malaysia die UN-Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet hat, ist | |
es seit Jahren ein [2][Verkehrsknotenpunkt für Flüchtlinge] wie auch ein | |
Transitland für Menschenhandel und -schmuggel. Es gibt in Malaysia viele | |
Wanderarbeiter, die von ausbeuterischen Arbeitsvermittlern betrogen werden. | |
Diese haben die Pässe der Wanderarbeiter einbehalten, womit sie abhängig | |
und ausbeutbar werden. | |
Fliehen sie dann aus ihren sklavenartigen Arbeitsverhältnissen, haben sie | |
gar keine Papiere mehr. Werden sie festgenommen, drohen ihnen bis zu fünf | |
Jahren Abschiebehaft, eine Geldstrafe von umgerechnet bis zu 2.100 Euro und | |
auch bis zu sechs Stockschläge. Hinzu kommen Fälle von Erpressung durch | |
korrupte Beamte. | |
Die jahrelange Ausbeutung und Illegalität führt zu starkem Misstrauen | |
zwischen Migranten und Behörden. Das macht jetzt die Rückverfolgung von | |
Kontakten Infizierter und der Verbreitungswege des Virus sehr schwierig. | |
Weil sie auch noch Angst vor hohen Arztkosten haben, lehnen viele | |
papierlose Migranten jede Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden ab. | |
Denen fehlt deshalb bis heute jeder Kontakt zu Hunderten Teilnehmern der | |
Massenveranstaltung vom Februar, von wo aus sich das Virus verbreitete. | |
Aus dem Englischen Sven Hansen | |
19 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Wong Kai Hui | |
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