| # taz.de -- Gesetzesinitiative gegen Onlinemedien: Falsche Kontrolle | |
| > Albaniens Premierminister Edi Rama fordert, Onlinemedien stärker zu | |
| > regulieren. Zwei Gesetzesinitiativen werden dazu im Parlament diskutiert. | |
| Bild: Seit der Beitrittsabsage von der EU arbeitet Premier Edi Rama verstärkt … | |
| In Albanien diskutiert das Parlament derzeit zwei Gesetzesinitiativen, die | |
| darauf abzielen, Onlinemedien stärker zu kontrollieren. Laut | |
| Premierminister Edi Rama von der Sozialistischen Partei (SP) sei es nötigt, | |
| „Onlinemedien zu regulieren.“ Seine Parteikollegin Klotilda Bushka sagte | |
| [1][der Nachrichtenplattform BIRN], dass die Rechte von Individuen mit | |
| jenen der Medien ausbalanciert werden müssten. Onlinemedien müssten die | |
| „Würde und Privatsphäre“ der Bürger:innen schützen, heißt es in dem | |
| Entwurf. | |
| In Zukunft soll die Medienaufsichtsbehörde (AMA) Onlinemedien dazu | |
| verpflichten können, Inhalte von ihren Webseiten zu entfernen oder etwa | |
| Entschuldigungen zu veröffentlichen. Sollten Medien dem nicht nachkommen, | |
| drohen bis zu 830.000 Euro Strafe. AMA wäre laut dem Gesetzesentwurf | |
| außerdem berechtigt, auf den Webseiten Pop-ups zu installieren. Möglich | |
| wäre dann, dass Leser:innen beim Aufrufen von Websites zuerst | |
| Regierungsmitteilungen sehen. | |
| Medien und NGOs fürchten eine staatliche Überwachung und sehen die | |
| Meinungsfreiheit im Internet gefährdet. 15 Organisationen forderten deshalb | |
| kürzlich das Parlament in einem gemeinsamen Schreiben auf, Ramas | |
| Gesetzesentwurf abzulehnen. Vertreter:innen von Reporter ohne Grenzen (RSF) | |
| hatten bereits im Juni bei einem Treffen mit Rama [2][ihre Bedenken | |
| ausgesprochen]. Das Vorhaben sei „beispiellos für einen demokratischen | |
| Staat“. Die Medienaufsichtsbehörde würde zu einer Zensurstelle werden. | |
| Gjergi Erebara, Journalist bei der Nachrichtenplattform BIRN, wäre direkt | |
| von diesen Gesetzen betroffen. „Redefreiheit gibt es in Albanien nur | |
| Online, weil Mainstreammedien von der Regierung kontrolliert werden“, sagte | |
| er bei einer Diskussionsveranstaltung in Berlin. | |
| ## Relikte der Diktatur | |
| Mit der Privatisierung des Medienmarktes seit 1991, hat die albanische | |
| Regierung ihr Monopol über Zeitungen und Radiosender eingebüßt. Zwar ist | |
| der Zeitungsmarkt deshalb in Albanien heute breit gefächert, die Auflagen | |
| erreichen aber laut [3][Atlas Medienfreiheit Osteuropa] durchschnittlich | |
| nur 80.000 Exemplare. | |
| Hinzu kommt ein lückenhaftes Vertriebsnetz: Zeitungszustellungen gelangen | |
| oft nicht über die städtischen Zentren hinaus. Die Marktkonzentration ist | |
| laut RSF groß.Journalist:innen, die über Korruption lokaler Politiker:innen | |
| berichten, laufen Gefahr bedroht zu werden. Die politischen Parteien üben | |
| starken Einfluss aus, indem die PR-Abteilungen maßgeschneiderte | |
| Nachrichtenstücke bereitstellen, die von vielen Redaktionen so auch häufig | |
| übernommen werden, [4][berichtet die Plattform BIRN]. | |
| Diese Praktiken sind Relikte aus der kommunistischen Diktatur Albaniens. | |
| Unter Enver Hodscha, Diktator von 1944 bis 1985, und auch danach überwachte | |
| der Staat bis 1990 alle Medien. Zeitungen dienten in erster Linie dem | |
| Regime. Erst nach den ersten freien Wahlen 1992 öffnete sich der | |
| Medienmarkt. Bis heute vertrauen Albaner:innen den Medien deshalb wenig. | |
| ## Im Westen gefeiert | |
| Ministerpräsident Rama – in Deutschland oft als Künstler und linker | |
| Bürgermeister der Hauptstadt Tirana wahrgenommen – informiert die | |
| Öffentlichkeit gerne selbst: In seiner nach sich selbst benannten TV-Show | |
| ERTV auf Facebook rühmt er einmal die Woche die Errungenschaften seiner | |
| Regierung. Regelmäßig beschimpft er kritische Journalist:innen als | |
| „Scharlatane“, „Mülltonnen“ oder „Staatsfeinde“. | |
| Mit dem jetzigen Gesetzesentwurf arbeitet Rama weiter daran, seine | |
| politische Macht auszubauen. Dass die Opposition seit Monaten das Parlament | |
| boykottiert, hat seine Alleinstellung bereits gefestigt. | |
| Albanien steht nach der Entscheidung der EU im Oktober, die | |
| [5][Beitrittsgespräche nicht zu eröffnen], an einem entscheidenden Punkt. | |
| „Dass die EU den Beitrittsprozess vorerst beendet hat, ist in dieser | |
| Situation sicher nicht hilfreich“, sagt der osteuropapolitische Sprecher | |
| der Grünen Manuel Sarrazin. Mit einer realistischen Beitrittsperspektive | |
| hätte die EU die Möglichkeit gehabt, Rama unter Druck zu setzen. Die EU hat | |
| die Gesetzesentwürfe zwar kritisiert, zugehört hat ihnen die albanische | |
| Regierung aber nicht mehr. | |
| 2 Dec 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://balkaninsight.com/2019/11/22/rights-organizations-against-albanias-… | |
| [2] https://rsf.org/en/news/albania-government-should-withdraw-anti-defamation-… | |
| [3] https://wp.uni-passau.de/medienatlas-osteuropa/laender/albanien/ | |
| [4] https://balkaninsight.com/2018/12/18/albania-pm-accused-of-planning-online-… | |
| [5] /Macrons-Vorschlaege-zu-EU-Erweiterung/!5638836 | |
| ## AUTOREN | |
| Jana Lapper | |
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