| # taz.de -- Gesetzesgrundlage für Coronamaßnahmen: Koalition will Shutdown re… | |
| > Gerichte zweifeln an der Rechtsgrundlage für die aktuellen | |
| > Coronamaßnahmen. Die Bundesregierung will nun das Infektionsschutzgesetz | |
| > nachbessern. | |
| Bild: Die Koalition will auch Schließung von Gaststätten im Infektionsschutzg… | |
| Berlin taz | Die Große Koalition will den aktuellen Shutdown rechtssicher | |
| machen. Deshalb sollen fünfzehn Grundrechtseingriffe, wie die Schließung | |
| von Gaststätten, jetzt ausdrücklich im Infektionsschutzgesetz verankert | |
| werden. Darüber beriet an diesem Freitag der Bundestag. | |
| Seit März wird das öffentliche Leben zur Bekämpfung des Coronavirus in | |
| [1][wechselndem Maß eingeschränkt]. Die Maßnahmen werden jeweils in | |
| Rechtsverordnungen der Landesregierungen angeordnet. Wie weit die Länder | |
| gehen können, bestimmt das Infektionsschutzgesetz, ein Bundesgesetz. | |
| Im Infektionsschutzgesetz sind bisher aber nur wenige Maßnahmen konkret | |
| erwähnt, etwa das Verbot von Versammlungen oder die Schließung von | |
| Schwimmbädern. In der Regel mussten die Länder ihre Verordnungen deshalb | |
| auf die Generalklausel für „notwendige Schutzmaßnahmen“ stützen. | |
| Im Frühjahr haben die Verwaltungsgerichte die großflächige Nutzung der | |
| Generalklausel noch akzeptiert. Schließlich war die Lage neu und | |
| unübersichtlich. Jetzt, ein halbes Jahr später, ist aber bekannt, welche | |
| Maßnahmen wirken oder zumindest in Betracht kommen. Nun murren die Gerichte | |
| immer lauter. Letzten Freitag äußerte etwa der Bayerische | |
| Verwaltungsgerichtshof (VGH) Zweifel, ob die Maßnahmen der | |
| Landesregierungen noch dem Parlamentsvorbehalt für Grundrechtseingriffe | |
| genügen. | |
| ## Rechtliche Grundlage nachbessern – im Nachhinein | |
| In der Koalition hat man die Signale verstanden und will nun schnell das | |
| Infektionsschutzgesetz konkretisieren. In einem neuen Paragrafen 28a sollen | |
| fünfzehn Maßnahmen als Beispiele für „notwendige Schutzmaßnahmen“ | |
| ausdrücklich erwähnt werden. | |
| Mit dabei sind zum Beispiel das Abstandsgebot, die Maskenpflicht, | |
| Beherberbungsverbote sowie die Schließung von Kultur- und | |
| Sporteinrichtungen. Die Aufzählung gilt ausdrücklich nur zur Bekämpfung des | |
| Coronavirus und auch nur, solange der Bundestag eine „epidemische Lage | |
| nationaler Tragweite“ feststellt. Diesen Nationalepidemie-Beschluss hat der | |
| Bundestag bereits im März gefasst und seitdem nicht aufgehoben. | |
| Im Bundestag stellte [2][Gesundheitsminister Jens Spahn] (CDU) den | |
| Gesetzentwurf der Koalition vor. Nur die AfD lehnte den neuen Paragrafen | |
| rundweg ab. Grundrechtseingriffe seien unnötig, so der Abgeordnete Detlev | |
| Spangenberg, wenn man sich auf den „Schutz“ der Alten und Vorerkrankten | |
| konzentriere. | |
| Die Grüne Manuela Rottmann hält die bloße Aufzählung möglicher Maßnahmen | |
| für unzureichend. Der Bundestag müsse für jede Maßnahme auch „Zweck, | |
| Voraussetzungen und Grenzen“ definieren. Die Linke Susanne Ferschl | |
| begrüßte, dass die Koalition jetzt den Anträgen der Linken folge. | |
| ## In der Praxis kaum eine Veränderung | |
| Die konkreten Maßnahmen würden auch nach der geplanten Änderung des | |
| Infektionsschutzgesetzes weiter von den Landesregierungen beschlossen. | |
| Allerdings sieht der Gesetzentwurf vor, dass ab einem bundesweiten | |
| Inzidenzwert von 50 (Zahl der Neuinfektionen pro Woche und 100.000 | |
| EinwohnerInnen) bundesweit einheitliche Maßnahmen „anzustreben“ sind. | |
| Der Bund soll aber weiter keine Möglichkeit haben, den Ländern Anweisungen | |
| zu geben. Es wird also bei den üblichen unverbindlichen Videokonferenzen | |
| der MinisterpräsidentInnen mit der Kanzlerin bleiben. | |
| FDP-Chef Christian Lindner kritisierte, die Aufzählung möglicher | |
| Schutzmaßnahmen sei ein „Feigenblatt“, um die bereits beschlossenen | |
| Maßnahmen nachträglich rechtlich zu legitimieren. Es gebe aber [3][keine | |
| Verbesserung bei der Parlamentsbeteiligung], wenn es um die konkrete | |
| Anordnung von Maßnahmen geht. Auch die Sozialdemokratin Bärbel Bas kündigte | |
| an, dass ihre Fraktion über eine bessere Parlamentsbeteiligung noch reden | |
| möchte. | |
| Der neue Paragraf 28a findet sich in einem Gesetzentwurf, der auch noch | |
| zahlreiche andere Änderungen des Infektionsschutzgesetzes enthält. Der | |
| Änderungsentwurf trägt den schönen Titel „Drittes Gesetz zum Schutz der | |
| Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“. Am | |
| kommenden Donnerstag ist eine Sachverständigenanhörung im | |
| Gesundheitsausschuss geplant. Anschließend wird das Gesetz vermutlich | |
| schnell im Bundestag beschlossen. | |
| 6 Nov 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Die-wichtigsten-Fragen-zum-Teil-Lockdown/!5722287/ | |
| [2] /Einheitliche-Linie-in-Coronapolitik/!5721858/ | |
| [3] /Corona-und-Gewaltenteilung/!5721039/ | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Bundestag | |
| Krise der Demokratie | |
| Bundesregierung | |
| Jens Spahn | |
| Bundesministerium für Gesundheit | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| taz.gazete | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Infektionsschutzgesetz im Bundestag: Gerichtsfeste Coronamaßnahmen | |
| Bundestag, Bundesrat und Bundespräsident wollen das Infektionsschutzgesetz | |
| verändern. Eingriffe in die Grundrechte sollen abgesichert werden. | |
| Aktuelle Entwicklungen in der Coronakrise: Biontech meldet wirksamen Impfstoff | |
| Der von den Pharmaunternehmen Biontech und Pfizer entwickelte | |
| Corona-Impfstoff sei zu 90 Prozent wirksam. Kommende Woche soll die | |
| Zulassung beantragt werden. | |
| Aktuelle Entwickungen in der Coronakrise: RKI meldet 16.017 Neuinfektionen | |
| In Deutschland gibt es fast 2.000 Neuinfektionen mehr als vergangenen | |
| Samstag. Die USA registrieren am vierten Tag in Folge einen Höchststand an | |
| Neuinfektionen. | |
| PolitikerInnen im Coronastress: „Ich sitze glockenwach im Bett“ | |
| Der Druck auf Politiker:innen während der Coronakrise ist extrem. Wie wirkt | |
| sich das auf die Politik aus? | |
| Neuer Corona-Teil-Lockdown: Das ungerechte Virus | |
| Es ist zutiefst unfair, dass Museen, Theater und Fitnessstudios dichtmachen | |
| müssen. Doch für die Kontaktminimierung ist das bitter nötig. | |
| Corona und Gewaltenteilung: Die Freiheit sichern | |
| Wieder werden Grundrechte eingeschränkt, wieder wird die Freiheit | |
| beschnitten. Die Parlamente sollten endlich aktiv werden. Die Gerichte sind | |
| es schon. | |
| Einheitliche Linie in Coronapolitik: Jens Spahn will mehr Macht | |
| Der Gesundheitsminister will mehr Corona-Zuständigkeiten – auf Kosten der | |
| Länder. Markus Söder signalisiert Wohlwollen, doch es gibt auch Protest. |