| # taz.de -- Gescheiterte Pkw-Maut: Muss Ex-Minister Scheuer zahlen? | |
| > Verkehrsminister Volker Wissing würde seinen Vorgänger gerne für das | |
| > 243-Millionen-Euro-Debakel regresspflichtig machen. Gibt die Rechtslage | |
| > das her? | |
| Bild: Andreas Scheuer (CSU) in der Aktuellen Stunde zum Scheitern der Maut 2019 | |
| Freiburg taz | Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) lässt prüfen, ob die | |
| Bundesregierung von seinem Amtsvorgänger Andreas Scheuer (CSU) 243 | |
| Millionen Euro verlangen kann – als Schadenersatz für das [1][von Scheuer | |
| verursachte Maut-Desaster]. Mit dem Gutachten hat Wissing jetzt eine | |
| Berliner Anwaltskanzlei beauftragt. Vermutlich wird die Prüfung ergeben, | |
| dass die Bundesregierung keine Ansprüche gegen Scheuer geltend machen kann. | |
| Dass Deutsche im Ausland Pkw-Maut zahlen müssen, während Ausländer in | |
| Deutschland kostenlos fahren, regt viele Autofahrer auf. Die CSU forderte | |
| deshalb eine Ausländer-Maut. 2015 beschloss die Große Koalition eine | |
| abgewandelte Fassung: Die Pkw-Maut wird für alle Autofahrer eingeführt, | |
| aber nur in Deutschland gemeldete Autofahrer bekommen eine finanzielle | |
| Kompensation. | |
| Ende 2018 schloss Scheuer als damaliger Verkehrsminister einen Vertrag mit | |
| dem ausgewählten Betreiberkonsortium aus den Firmen CTS Eventim und Kapsch. | |
| Doch im Juni 2019 erklärte der Europäische Gerichtshof auf Klage von | |
| Österreich das deutsche Gesetz für rechtswidrig, weil es Bürger:innen | |
| aus anderen EU-Staaten diskriminiere. Scheuer kündigte die Verträge mit den | |
| Maut-Betreibern daraufhin sofort, angeblich hätten diese schlecht | |
| gearbeitet. | |
| Das Konsortium verklagte daraufhin Deutschland auf 560 Millionen Euro | |
| Schadenersatz. Die Klage wurde in einem privaten Schiedsverfahren | |
| verhandelt. 2022 kam das Schiedsgericht zum Zwischenergebnis, dass die | |
| Vertragskündigung rechtswidrig war. 2023 einigte man sich auf einen | |
| reduzierten Schadenersatz von 243 Millionen Euro, die Deutschland an CTS | |
| Eventim und Kapsch zahlen muss. | |
| ## Wissings Doppelmission | |
| Verkehrsminister Volker Wissing will nun von der Berliner Kanzlei | |
| Müller-Wrede ergebnisoffen wissen, ob der Bund die 243 Millionen Euro von | |
| Ex-Minister Scheuer als Privatperson zurückverlangen kann. Auch wenn am | |
| Ende nichts dabei herauskommt, hat [2][Wissing die CSU damit öffentlich an | |
| den Pranger gestellt] und auch gezeigt, dass er nicht vorschnell aufgegeben | |
| hat. Die Kanzlei muss nun erstens prüfen, ob es eine Rechtsgrundlage für | |
| eine derartige Forderung gegenüber Scheuer gibt, und zweitens, ob im | |
| konkreten Fall die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. | |
| Wenn Amtsträger Bürger:innen schädigen, haben diese einen | |
| Schadenersatzanspruch gegenüber dem (leistungsfähigeren) Staat. Das steht | |
| in Artikel 34 Grundgesetz. Danach kann sich der Staat das Geld aber von den | |
| Amtsträgern zurückholen, wenn diese vorsätzlich oder grob fahrlässig | |
| handelten. | |
| Da es um Eingriffe gegenüber den Amtsträgern geht, ist für einen solchen | |
| Regress ein Gesetz erforderlich. Eine gesetzliche Rechtsgrundlage besteht | |
| aber nur für Regresse gegenüber Beamten (Paragraf 75 Bundesbeamtengesetz). | |
| Dagegen gibt es im Bundesministergesetz keine Rechtsgrundlage für Regresse | |
| gegenüber Ministern. Diese sollen in ihrer Entschlussfreudigkeit nicht | |
| gehemmt werden. | |
| ## Vorsatz oder Fahrlässigkeit | |
| Es gibt zwar in der öffentlichen Debatte Versuche, doch noch eine | |
| Rechtsgrundlage zu finden. So argumentierte der Staatsrechtler Joachim | |
| Wieland auf Spiegel Online, Scheuer habe gegen seine | |
| „Vermögensbetreuungspflicht“ verstoßen, die aus seinem Amtsverhältnis | |
| folge. Es spricht aber viel dafür, dass das bewusste Schweigen des | |
| Ministergesetzes solche Umgehungskonstruktionen sperrt. | |
| Sollte doch eine Rechtsgrundlage für tragbar gefunden werden, so wäre die | |
| Haftung Scheuers aber jedenfalls auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit | |
| beschränkt. Dass Scheuer auf einen Erfolg beim EuGH hoffen konnte, ist | |
| nicht so abwegig, wie es heute oft dargestellt wird. Immerhin hielt der | |
| [3][unabhängige Generalanwalt am EuGH das deutsche Gesetz im Februar 2019 | |
| für EU-rechtskonform]. | |
| Es gibt keine Frist, bis wann die Berliner Kanzlei ihr Gutachten | |
| fertigstellen muss. | |
| 3 Aug 2023 | |
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| [1] /Gescheiterte-PKW-Maut/!5945690 | |
| [2] /Maut-Debakel-der-Union/!5942093 | |
| [3] /EuGH-Generalanwalt-zur-PKW-Maut/!5568572 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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