# taz.de -- Genfer Vereinbarung zur Ukraine: Die Interpretationen beginnen | |
> Obama droht Russland erneut mit Sanktionen, sollten die Ergebnisse aus | |
> Genf nicht umgesetzt werden. Moskau und Washington legen diese | |
> unterschiedlich aus. | |
Bild: Reicht Genf bis nach Donezk? | |
GENF taz | Wird die Donnerstagabend in Genf erzielte Vereinbarung zur | |
Deeskalation der angespannten Lage in der Ukraine jetzt auch schnell | |
umgesetzt? Zumindest in Washington und Berlin überwiegt die Skepsis. | |
US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel vereinbarten | |
laut einer Mitteilung des Weißen Hauses in einem Telefonat die Verhängung | |
weiterer Sanktionen gegen Russland „falls sich die Deeskalation nicht in | |
kurzer Zeit vollzieht“. | |
Obama nannte die Genfer Vereinbarung zwar „eine aussichtsreiche öffentliche | |
Erklärung“. Doch „angesichts der Erfahrungen in der Vergangenheit“ könne | |
man „nicht mit Sicherheit mit einer Verbesserung der Lage rechnen“. Jetzt | |
sei die Frage, ob Russland seinen Einfluss ausübe, damit in der | |
Krisenregion wieder Recht und Ordnung hergestellt werden könne, betonte der | |
US-Präsident. | |
Sein Außenminister John Kerry und dessen Amtskollegen aus Russland und der | |
Ukraine, Sergey Lawrow und Andrej Deschtschiza sowie die | |
EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hatten nach fast siebenstündigen | |
intensiven Verhandlungen in einem Genfer Hotel eine gemeinsame Erklärung | |
veröffentlicht mit „ersten konkreten Schritten, um die Spannungen zu | |
deeskalieren und die Sicherheit für alle Bürger wieder herzustellen“. | |
Danach „müssen alle Seiten jegliche Gewaltanwendung, Einschüchterungen und | |
Provokationen unterlassen“. Die Erklärung verlangt, dass „alle bewaffneten | |
Gruppen entwaffnet werden und alle illegal besetzten Gebäude ihren | |
legitimen Eigentümern zurückgegeben werden“. Demonstranten, die ihre Waffen | |
abgegeben und besetzte Häuser geräumt haben, wird eine Amnestie zugesichert | |
– mit Ausnahme jener, „die schwerer Verbrechen überführt werden“. Zudem | |
wurde in Genf vereinbart, dass „alle illegal besetzten Straßen, Plätze oder | |
andere öffentliche Flächen in den ukrainischen Städten und Gemeinden | |
geräumt werden müssen“. | |
## Was ist mit der Räumung des Maidan? | |
Nach Lesart der Regierungen in Washington, Berlin und anderen westlichen | |
Hauptstädten beziehen sich diese Forderungen lediglich auf die Ostukraine. | |
Auch sei es in erster Linie die russische Regierung, die sie umsetzen könne | |
da Moskau aus Sicht des Westen Drahtzieher der dortigen separatistischen | |
Unruhen ist. Diese Verantwortung dementiert Russland jedoch. | |
Nach Interpretation Moskaus gilt die Genfer Erklärung allerdings für die | |
gesamte Ukraine, wie russische Diplomaten in Genf betonten. Laut dieser | |
Interpretation sind mit den zu entwaffnenden illegalen Gruppen auch die | |
Milizen des „Rechten Sektors“ gemeint. Und mit der geforderten Räumung | |
„aller illegal besetzten Straßen, Plätze oder anderen öffentlichen Fläche… | |
auch der Maidan, der Unabhängigkeitsplatz in der Hauptstadt Kiew. Auf dem | |
Maidan haben Nationalisten und andere Gruppen, die am Sturz der Regierung | |
von Ex-Präsident Wiktor Janukowitsch vor zwei Monaten beteiligt waren, | |
Barrikaden errichtet. Viele der Demonstranten haben erklärt, sie wollten | |
dort ausharren, bis sie ihre Forderungen nach der für den 25. Mai geplanten | |
Präsidentenwahl erfüllt sähen. | |
In der ostukrainischen Stadt Donezk reagierten pro-russische Besetzter | |
eines Regierungsgebäudes am Donnerstagabend auf die Genfer Erklärung mit | |
der ausdrücklichen Weigerung, die Besetzung zu beenden. Sie zögen erst dann | |
ab, wenn die Unterstützer der neuen Regierung in Kiew ihr Lager auf dem | |
Maidan aufgegeben hätten. „Wir warten ab, was sie tun, bevor wir hier | |
Entscheidungen fällen“, erklärte Alexander Sachartschenko in einem | |
Telefonat mit der Nachrichtenagentur reuters. Er ist einer der Anführer der | |
Besetzer des Regierungsgebäudes in Donezk. | |
Die Genfer Erklärung sieht vor, dass die bereits mit rund 120 | |
BeobachterInnen vor Ort stationierte Mission der OSZE „eine führende Rolle | |
bei der Untestützung der ukrainischen Behörden und Kommunen übernimmt, um | |
die Schritte zur Deeskalation in den kommenden Tagen dort auszuführen, wo | |
sie am notwendigsten sind“. Zur Erfüllung dieses Auftrages müsste die | |
Mission allerdings sehr schnell auf mindestens 500 BeobachterInnen | |
aufgestockt werden sowie zusätzliche Finanzmittel erhalten. Das benötigte | |
Personal und die Gelder sollten die 57 OSZE-Mitgliedsstaaten jetzt umgehend | |
bereitstellen, forderte der amtierende OSZE-Präsident Didier Burkhalter. | |
## Kompromisslos beim Gas | |
Die USA, EU und der ukrainischen Übergangsregierung forderten einen Rückzug | |
der rund 40.000 russischen Soldaten aus dem Grenzgebiet zur Ukraine, sowie | |
die Rücknahme der 80-prozentigen Preiserhöhung für russische Gaslieferungen | |
in die Ukraine. Dafür zeigte Außenminister Lawrow in Genf nicht das | |
geringste Entgegenkommen. | |
Ebenso kompromisslos reagierte sein ukrainischer Amtskollege Deschtschiza | |
auf die Forderungen nach einer Föderalisierung der Ukraine, sowie nach | |
Parlamentswahlen zeitgleich mit der für den 25. Mai geplanten | |
Präsidentschaftswahl. Auf den von der Übergangsregierung in Kiew | |
angekündigten „Prozess“ zur Diskussion einer neuen Verfassung verweist die | |
Genfer Erklärung nur in sehr vager Form. Dieser Prozess werde „transparent | |
sein und niemanden ausgrenzen“. Erforderlich sei „ein sofortiger, breiter | |
nationaler Dialog, der alle ukrainischen Regionen und politischen | |
Körperschaften erreicht“. | |
Konkrete Inhalte einer neuen Verfassung, wie etwa die Garantie von Sprachen | |
– und anderen Minderheitenrechten für die russischsprachige Bevölkerung des | |
Landes werden nicht benannt. | |
18 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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