# taz.de -- Russland und die Ostukraine: Die Waffenschmiede Moskaus | |
> Nicht nur die Ukraine ist von Russland abhängig. Auch Moskau ist auf | |
> Rüstungsimporte aus den Ostprovinzen seines Nachbarlands angewiesen. | |
Bild: Ukrainischer Panzer – auch in Russland begehrt. | |
BERLIN taz | Die Ostukraine gilt als das Rückgrat der ukrainischen | |
Wirtschaft. Dass es um die nicht gut bestellt ist, suggerieren die Bilder, | |
die derzeit um die Welt gehen: illegale Kohleminen, in denen ganze Familien | |
schuften, offiziell geschlossene Zechen mit notdürftig abgestützten | |
Stollen. Oder ganze Städte, die nicht mehr sind als ein Stahlwerk mit ein | |
paar Plattenbauten drumherum. Der Eindruck: Die Region ist beherrscht von | |
einer maroden Schwerindustrie auf Drittweltniveau. | |
Doch das ist nicht die ganze Realität. Denn in der Ostukraine sitzt auch | |
der größte Teil der Rüstungsindustrie des Landes. Und die ist keineswegs so | |
uninteressant – zumindest, wenn man mit russischem Maßstab misst: Ohne die | |
ukrainischen Lieferungen könnte Russlands Militär Probleme bekommen. | |
Die Gründe hierfür liegen noch in der Sowjetunion. Deren Prinzip war es, | |
die Produktionskette auch von Rüstungsgütern über verschiedene Standorte | |
laufen zu lassen. So fanden sich nach ihrer Auflösung 14 Prozent der | |
Waffenschmieden in der Ukraine wieder, hauptsächlich in den östlichen und | |
südöstlichen Oblasten. 700 Betriebe waren es damals mit 1,4 Millionen | |
Beschäftigten. | |
Seitdem ist die Branche geschrumpft. Knapp 130 Unternehmen sind heute in | |
der Staatsholding Ukroboronprom zusammengefasst, die einen Jahresumsatz von | |
1,6 Milliarden US-Dollar hat und rund 120.000 Menschen beschäftigt. Aber | |
Iwan Konowalow, Präsident der russischen Denkfabrik Zentrum für | |
strategische Kultur, sagt: „Das ist eine der wenigen Branchen, die wirklich | |
Geld in die ukrainische Staatskasse bringt.“ | |
## Alle Lieferungen gestoppt | |
Ein Großteil davon kam bislang aus Russland. Ende März aber stoppte | |
Ukroboronprom alle Lieferungen. Seitdem stapelten sich Waren im Wert von | |
„hunderten Millionen Hrywna“ in den ukrainischen Lagerhallen, sagte | |
Generaldirektor Juri Tereschenko der Kyiv Post. „Als Patriot werde ich aber | |
nichts ausliefern, das in unsere Richtung fliegen, schießen oder fahren | |
könnte.“ | |
Das Ausbleiben der Teile trifft Russland empfindlich, denn viele seiner | |
Rüstungsbetriebe sind auf ukrainische Komponenten angewiesen. Ein | |
Schlüsselwerk ist beispielsweise Motor Sich in Saporoschje, wo Motoren für | |
militärische und zivile Hubschrauber hergestellt werden. Der russische | |
Militärexperte Wladimir Woronow schreibt im Magazin Sovershenno Sekretno, | |
Russland brauche in den nächsten Jahren 3.000 solcher Motoren. Eine neu | |
errichtete russische Fabrik bei St. Petersburg, die Motor Sich Konkurrenz | |
machen sollte, habe 2013 aber nicht einmal die geplanten 50 Triebwerke | |
liefern können. | |
Oder die Firma Pivdenmash, von der Teile der russischen | |
Interkontinentalraketen stammt: Nur sie kann bislang Ersatzteile und | |
technisches Know-how bieten, das zur Wartung nötig ist. Oder das | |
Unternehmen Zorya-Mashproekt in Mykolajiw, das die Gasturbinen für | |
russische Kriegsschiffe liefert. „Die Liste ist lang“, sagt Tereschenko und | |
verweist auch auf Ortungstechnik und Raketensysteme. | |
Tatsächlich ist die Abhängigkeit jedoch beidseitig. Zum einen sind viele | |
Betriebe auf Vorlieferungen aus Russland angewiesen. Zum anderen sind auch | |
die Rüstungsunternehmen von der ukrainischen Krankheit befallen – | |
Innovationen fehlen. Außerhalb Russlands und vielleicht Chinas haben sie es | |
schwer, Abnehmer zu finden. So schickte der Iran Mannschaftstransporter | |
wieder zurück – Begründung: Qualität mangelhaft. | |
17 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Beate Willms | |
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