# taz.de -- Galerien nach der Wiedereröffnung: Möglichst keimfrei zur Kunst | |
> Gemeinsam mit dem Einzelhandel konnten die Berliner Galerien wieder | |
> öffnen. Eine erste Kunsttour durch Kreuzberg. | |
Bild: Robert Mapplethorpe „XYZ Portfolios“, Installationsansicht bei Thomas… | |
Der erste Galeriebesuch seit dem Lockdown beginnt mit einem Schild. An der | |
Eingangstür zu [1][Thomas Schulte] hängt es und weist Besucher*innen darauf | |
hin, nur mit Mund-Nasenschutz einzutreten, sogleich die Hände zu | |
desinfizieren und überhaupt sich maximal zu zweit – plus Galeriepersonal – | |
in den Räumen aufzuhalten. So fühlt es sich an, das neue Normal in den | |
Kunsträumen der Stadt: möglichst keimfrei und ziemlich ruhig. | |
Was den bei Thomas Schulte ausgestellten, fantastisch komponierten | |
fotografischen Werken Robert Mapplethorpes freilich eher zugute kommt. | |
Erstmals komplett in Berlin zu sehen sind seine „XYZ Portfolios“ und | |
darüber hinaus weitere Fotografien Mapplethorpes, ausgewählt vom | |
Theaterregisseur Robert Wilson. | |
In den vergangenen Wochen hatte Thomas Schulte wie alle anderen Galerien | |
der Stadt geschlossen, nun sind es die ersten unter den Kulturorten, die | |
gemeinsam mit dem Einzelhandel in der vergangenen Woche öffnen konnten. | |
Manche taten das sofort, andere folgen bald. | |
Bald wäre Gallery Weekend | |
Ohne Corona befänden wir uns eigentlich gerade in der heißesten Phase des | |
Berliner Kunstkalenders: Am kommenden Wochenende wäre [2][Gallery Weekend]. | |
Das ist längst in den September verschoben. Was stattdessen jetzt | |
stattfindet, ist ein vorsichtiges Herumprobieren. Was geht? Was nicht? Was | |
tun, wenn zu viele gleichzeitig kommen? | |
Die Gefahr ist vermutlich nicht so groß. Normalerweise gibt man sich in den | |
Galerien auch nicht gerade die (jetzt natürlich noch besser gereinigte) | |
Klinke in die Hand und große Eröffnungen oder andere Veranstaltungen plant | |
logischerweise niemand. Immerhin bin ich nicht überall die einzige | |
Besucher*in. | |
Die König Galerie hat sogar ein Ticketsystem für 30-minütige, kostenlose | |
Ausstellungbesuche installiert. Ob als Marketingmaßnahme oder aus | |
tatsächlicher Notwendigkeit sei dahingestellt, ausgebucht ist es jedenfalls | |
bis zum 25. Mai. Interesse ist da, ob daraus gute Geschäfte erwachsen, muss | |
sich noch herausstellen. | |
Ohne Begegnung geht es nicht | |
Die Kunst, das haben die vergangenen Wochen mehr denn je gezeigt, lebt von | |
Begegnungen, von Begegnungen mit der Kunst, aber auch mit Menschen. Zum | |
Beispiel mit [3][Thomas Fischer], der derzeit keine eigenen Räume für seine | |
Galerie hat, sondern immer wieder mit anderen, befreundeten Galerien | |
kooperiert, aktuell für eine Ausstellung mit der Kreuzberger Galerie | |
[4][Soy Capitán]. Es ist eine Idee, die jetzt gerade, wo die Krise vielen | |
Galerien an die finanzielle Substanz geht, umso besser und nachahmenswerter | |
klingt: geteilte Kosten, geteilte Risiken, Solidarität in einem – jenseits | |
der Großgalerien – ohnehin oft prekären Geschäft mit der Kunst. | |
Irmel Kamps Ausstellung „Zink“ hat Fischer Anfang März schon in Kreuzberg | |
eröffnet, bis zum 11. April hätte die Schau gehen sollen. Bis Ende Mai | |
verlängert sei sie nun, erzählt der Galerist beim Treffen vor Ort – und | |
natürlich von den merkwürdigen ostbelgischen Architekturen auf Kamps | |
Fotografien. | |
Ob es nur mir so geht, dass sich über alles zwangsläufig eine Art | |
Corona-Filter legt? Kamp fotografierte in den späten 1970ern, frühen | |
1980ern jene mit Zinkblech verkleidete Wetterseiten von Gebäuden. Tiere | |
sind zu sehen, landwirtschaftliches, Autos, aber keine Menschen. Im April | |
2020 erscheinen die Aufnahmen der beinahe unbelebten Architekturen, der | |
Häuserfassaden fast ohne Fenster in neuem Licht, transportieren andere | |
Anknüpfungspunkte. | |
Illusionistische Effekte | |
Ein paar Straßen weiter bei [5][Barbara Weiss] hat Friederike Feldmann die | |
Wände mit Zeichnungen gefüllt und zeigt auf diese Weise nicht zuletzt, wie | |
wenig das Netz doch tatsächlich übertragen kann. Die Galerie hatte, um die | |
Schließzeit zu überbrücken, auf ihrer Website ein Video gepostet, auf dem | |
Feldmann durch ihre eigene Ausstellung führt. | |
Zweifellos eine sehr gute Idee, erhellend ist es zu sehen, wie die | |
Künstlerin selbst ihre Kunst erklärt. Direkt vor ihren Arbeiten stehend | |
erkennt man aber erst deren großartigen illusionistischen Effekt. Auf dem | |
Bildschirm bleibt alles Theorie. | |
Bestenfalls gibt es in Zukunft beides, als Ergänzung zueinander: die Kunst | |
selbst und ihr digitales Begleitungprogramm. | |
28 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.galeriethomasschulte.de/ | |
[2] https://www.gallery-weekend-berlin.de/ | |
[3] https://galeriethomasfischer.de/ | |
[4] http://soycapitan.de/ | |
[5] http://www.galeriebarbaraweiss.de/ | |
## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
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