# taz.de -- Forschung zum politischen Islam: „Butler hat nichts verstanden“ | |
> Kritik am politischen Islam gerät schnell unter Rassismusverdacht. Ein | |
> Interview mit Susanne Schröter vom Forschungszentrum Globaler Islam. | |
Bild: Susanne Schröter in ihrem Büro vor dem „Schrein der Toleranz“ – D… | |
taz: Frau Schröter, Sie haben an der Frankfurter Goethe-Universität eine | |
Konferenz organisiert unter dem Titel „Islamisches Kopftuch – Symbol der | |
Würde oder Unterdrückung?“ Dafür wurden Sie im Vorfeld von anonymen | |
AktivistInnen via soziale Medien angegriffen, das Schlagwort vom | |
„antimuslimischen Rassismus“ geisterte durch den Raum und die Forderung | |
„Schröter raus“. Hat Sie das, als gestandene Islamforscherin, verletzt? | |
Susanne Schröter: Ich habe mich mein ganzes Leben lang gegen Rassismen, | |
Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung eingesetzt, sowohl | |
wissenschaftlich als auch ehrenamtlich. Mit so einem Hammer zu kommen, das | |
fand ich schon reichlich unfair. | |
Wir sind das einzige Zentrum im deutschsprachigen Raum, das sich dezidiert | |
mit diesem Thema beschäftigt, das über den politischen Islam, mit | |
repressiven islamistischen Ordnungen forscht und die Dinge klar beim Namen | |
nennt. Das gilt als heißes Eisen und entspricht nicht dem herrschenden | |
akademischen Mainstream, so dass man schnell Gegenwind bekommt. | |
Warum? | |
Schon das Wort Islamismus wird unter Verdacht gestellt. Man möchte den | |
Islam nicht mit negativen Dingen in Bezug bringen, fokussiert stattdessen | |
auf Islamfeindlichkeit oder die Diskriminierung von Muslimen. Man glaubt es | |
kaum, wie viele Projekte zur Islamfeindlichkeit finanziert werden. Ich | |
kritisiere Totalitarismus, egal woher er kommt, egal in welcher Verkleidung | |
er auftritt. Mein Spezialgebiet ist der islamische Totalitarismus, der | |
politische Islam. Nicht die Religion. Mir geht es nicht um den Islam, der | |
sehr unterschiedliche Facetten aufweist, sondern um eine politische | |
Strömung, die ich für äußerst gefährlich halte. Die nicht nur nach außen | |
gegen Nichtmuslime oder liberale Muslime, sondern auch nach innen und vor | |
allem gegenüber Frauen und Mädchen extrem repressiv ist. | |
Zu Ihrer Tagung waren neben der Kopftuchfeministin Khola Maryam Hübsch auch | |
die dezidierten Kritikerinnen Alice Schwarzer und Necla Kelek geladen. | |
Trotz dieser kontroversen Besetzung wurde die Veranstaltung zum Aufreger. | |
Hat der Sprechverbotsvirus nun auch die Goethe-Uni erreicht? | |
Nein, wir haben hier eine lebendige Debattenkultur. Aber es gibt an jeder | |
Universität Menschen, die Kritik delegitimieren möchten, häufig mit der | |
Begründung, sie sei rassistisch. Gerade im Bereich der postkolonialen | |
Theorien hat sich eine identitäre Strömung durchgesetzt, die Positionen an | |
äußere Merkmale wie Geschlecht, der Hautfarbe oder Alter koppelt und damit | |
einen neuen Rassismus begründet. Das Feindbild vom „alten, weißen Mann“ i… | |
so eine rassistische Konstruktion. | |
Ist eine solche stereotype Formulierung aber nicht legitim? Schließlich ist | |
der „alte weiße Mann“ kein Opfer strukturellen Rassismus, sondern | |
jahrhundertelanger Profiteur und maßgeblicher Akteur des bestehenden | |
Machsystems. | |
Nach 150 Jahren Frauenbewegung und der Etablierung der postkolonialen | |
Theorie an den Universitäten haben sich die Machtverhältnisse fundamental | |
geändert. In einigen Bereich dominieren Männer zwar noch, doch in anderen | |
herrscht Gleichberechtigung und in wieder anderen lässt sich sogar eine | |
Benachteiligung von Männern feststellen – wenn sie etwa bei Einstellungen | |
per se ausgeschlossen werden oder nicht an Mentoringprogrammen | |
partizipieren. Wir leben außerdem nicht mehr in Zeiten, in denen Rassismus | |
salonfähig war. Was mich aber an der Figur des „alten weißen Mannes“ am | |
meisten stört, ist die Stigmatisierung von Personen aufgrund von Dingen, | |
die unveränderbar und der Person inhärent sind: Geschlecht, Alter und | |
Hautfarbe. Das ist definitiv ein Merkmal des Rassismus. | |
Seit 21 Jahren diskutieren wir über das Kopftuch, seit Fereshda Ludin mit | |
dem Kopftuch im Referendariat erschien. Ein alter Hut eigentlich. Warum | |
dann diese Veranstaltung? | |
Hier in Frankfurt wurde die Ausstellung „Contemporary Muslim Fashion“ | |
gezeigt. Dazu gab es einen Begleitworkshop. Beide behandelten das Kopftuch | |
als Zeichen weiblicher Ermächtigung und Mode. Einige Monate vorher gab es | |
eine Veranstaltung zum Thema „Stigma Kopftuch“, wo es um die | |
Diskriminierung von Kopfttuchträgerinnen ging. Das repressive Element, das | |
sich mit dem Kopftuch verbindet, wurde weitgehend ausgeblendet. Das fand | |
ich zu einseitig. | |
Khola Maryam Hübsch propagiert das Kopftuchtragen als Ausdruck weiblicher | |
Freiheit, die Gendertheorie-Ikone Judith Butler sieht in der Burka ein | |
Bollwerk islamischer Kultur gegen die westliche Moderne. Können Sie solchen | |
Positionen, die sich ja als postkolonial-feministische begreifen, etwas | |
abgewinnen? | |
Nein, absolut nicht. Frau Hübsch vertritt die Doktrin der Ahmadiyya, das | |
Kopftuch und die Bedeckung des weiblichen Körpers seien „verpflichtend“, | |
genauso wie die absolute Geschlechtertrennung. In der Unterwerfung unter | |
solche Regularien kann ich kein Moment der Freiheit entdecken. Und wenn | |
Judith Butler tatsächlich meint, eine Burka tragende Frau ist diejenige, | |
die sich der Sexualisierung des weiblichen Körpers verweigert, dann muss | |
ich sagen, hat sie überhaupt nichts verstanden. | |
Butler versteht das als machtkritischen Standpunkt. | |
Den Schleier als Fahne der Emanzipation der muslimischen Frau zu | |
bezeichnen, ist vollkommener Unfug. Das ist ein Irrweg des intersektionalen | |
Feminismus, der ursprünglich mal gar nicht so falsch war und versucht hat, | |
verschiedene Ebenen von Diskriminierung zusammenzudenken. Mittlerweile ist | |
daraus die Suche nach dem multiplen Opfer geworden, das man jetzt in der | |
Kopftuch tragenden Muslimin entdeckt haben will, die angeblich | |
„rassifizierten“ Stigmatisierungen ausgesetzt ist. Grundständige Positionen | |
des Feminismus werden dabei über den Haufen geworfen. Darunter leider auch | |
universelle Werte und Vorstellungen von individuellen Freiheitsrechten. | |
Sie sagen „angeblich“ – Kopftuch tragende Muslima werden also nicht wegen | |
ihres Aussehens diskriminiert? | |
Es gibt durchaus Islamfeindlichkeit in Deutschland, die zu Diskriminierung | |
von Musliminnen führen kann. Das ist selbstverständlich entschieden | |
abzulehnen. Umgekehrt ist das Kopftuch allerdings das Zeichen eines | |
religiös begründeten Patriarchalismus und wird vielen Frauen und Mädchen | |
selbst in Deutschland mit Zwang und Drohungen aufoktroyiert. Kritik am | |
Kopftuch ist daher kein Rassismus, sondern antipatriarchalische Kritik. | |
Und die wäre? | |
Das Konzept hinter dem Schleier ist, dass eine Frau ihre vermeintlichen | |
sexuellen Reize im wahrsten Sinn des Wortes „verschleiern“ muss, damit | |
Männer nicht provoziert werden. Wer sich nicht verschleiert, so das | |
dahinter stehende Konzept, nimmt sexuelle Übergriffe billigend in Kauf oder | |
fordert sie geradezu heraus. | |
Der weibliche Körper als Versuchung? | |
Es ist eine absolute Dämonisierung des weiblichen Körpers, von dem | |
angeblich „Gefahr“ ausgeht und den man deshalb reglementieren, einsperren, | |
verhüllen, wegstecken muss. Das ist ja auch der Grund, weshalb viele | |
Musliminnen gegen die Ausstellung protestiert haben, weshalb es in der | |
islamischen Welt Kämpfe gegen das Kopftuch gibt, weshalb Frauen teilweise | |
unter großen Gefahren für Leib und Leben gegen islamistische Normen | |
aufbegehren. | |
Und diese Aggression blenden die Kopftuchapologetinnen aus? | |
Leider ist es so. Ich kann nicht verstehen, dass sich Frauen wie Butler, | |
die unter den Bedingungen islamistischer Herrschaft als Erste im Gefängnis | |
landen, weil sie nicht verheiratet, lesbisch und unabhängig sind, dass die | |
sich jetzt zu Verteidigerinnen islamistischer Normen aufschwingen. Das | |
finde ich schon ziemlich absurd. Da ist eine Theorie zur Ideologie | |
verkommen. | |
Im Unterschied zu Butler haben Sie in islamisch geprägten Ländern geforscht | |
und gelebt. Wie sind Sie, als ausgebildete Ethnologin, zum Thema globaler | |
Islam gekommen? | |
Religion hat mich schon immer interessiert, aber weniger die Theologie als | |
die Art, wie Religion auf Gesellschaft einwirkt und wie Menschen damit | |
umgehen. 2004 wurde ich Professorin für Südostasienwissenschaften mit dem | |
Schwerpunkt insulares Südostasien. Zur Region gehört auch Indonesien als | |
bevölkerungsreichste muslimische Nation. Ich habe mich dann stark mit den | |
politischen Entwicklungen dort auseinandergesetzt, die man nicht trennen | |
konnte vom Religiösen. Der Diktator Suharto war 1998 gestürzt worden und im | |
Verlauf der Demokratisierung traten verstärkt islamistische Organisationen | |
an die Öffentlichkeit. Und da konnte ich sehen, wie sich der nette und | |
moderate indonesische Islam, der immer als so vorbildlich galt, | |
fundamentalisiert hat. Im Zeitraffer. | |
Und die Leute wurden frommer? | |
Fundamentalisierung bedeutete nicht, dass die Leute mehr beteten und ihr | |
Glück in der Spiritualität entdeckten. Sondern dass sie plötzlich | |
sogenannte islamische Normen durchsetzen wollten und sich von konservativen | |
Geistlichen vorschreiben ließen, wie ihr Alltag auszusehen habe. Es kam zu | |
gewalttätigen Angriffen auf religiöse Minderheiten und auf liberale | |
Muslime. Und es kam zu neuen Bekleidungsvorschriften für Frauen. In vielen | |
Regionen ist das Kopftuch jetzt gesetzlich vorgeschrieben. | |
Wie setzt sich das politisch durch? | |
Der Islamismus ist eine organisierte Kraft, dessen Funktionäre mit allen | |
Mitteln versuchten, die Freiheitsrechte des Individuums als unislamisch | |
hinzustellen und eine normative Ordnung zu etablieren, die sich an | |
islamistischen Vorstellungen orientiert. Was das konkret bedeutete, war für | |
mich schockierend. | |
Ihre Erfahrungen in Indonesien gaben den Anstoß für eine globale | |
Untersuchung des Islamismus? | |
Ja, ich habe mich gefragt: Gibt es das woanders auch? 2008 erhielt ich | |
einen Ruf nach Frankfurt und konnte meinen regionalen Fokus ins Globale | |
ausweiten. Ich habe finanzielle Mittel für Stipendien bekommen und eine | |
internationale DoktorandInnengruppe zusammengestellt. Diese jungen | |
WissenschaftlerInnen erforschten konkret und vor Ort die Veränderungen, die | |
in der islamischen Welt vor sich gehen, und beschäftigen sich mit der | |
Alltagsrealität der Menschen. Wir haben festgestellt, dass der Vormarsch | |
des politischen Islam in vielen Ländern – von Indonesien bis Mali – in ganz | |
ähnlicher Weise geschieht. Und überall spielt die Unterwerfung von Frauen | |
unter diskriminierende religiös begründete Normen eine zentrale Rolle. | |
Überall wird der Schleier zwangsverordnet. | |
Sie haben es nicht bei der Forschung in islamischen Ländern belassen, | |
sondern Sie haben auch in Deutschland weiter geforscht. | |
Ich habe seit 2011 mehrere Jahre zusammen mit meinem Mitarbeiter Oliver | |
Bertrand über Moscheegemeinden von Wiesbaden geforscht. Wir wollten wissen, | |
wie leben eigentlich fromme Muslime in Deutschland, welche Ideen haben sie | |
von ihrem Leben? | |
Und was geht in den Moscheegemeinden hier vor sich? | |
Die älteren der Moscheegemeinschaften haben Angst, dass die Jugendlichen | |
sich ihnen entfremden. Dass sie vom richtigen Weg abkommen, nicht mehr | |
fromm sind, sich zu sehr auf die Gesellschaft einlassen. Deshalb versuchen | |
sie, die Jugendlichen an die Moscheen zu binden, und bieten von der | |
Hausaufgabenhilfe bis zum Fußballclub ein Rundum-Programm an. Dazu kam eine | |
große Begeisterung für fundamentalistische Spielarten des Islam. Da habe | |
ich gemerkt, hoppla, hier sind ähnliche Entwicklungen im Gange, wie sie | |
meine Doktoranden außerhalb Europas erforscht haben. | |
Sie mischen sich immer wieder in die hier regelmäßig aufbrandenen | |
Islam-Debatten ein. Wie nach der Kölner Silvesternacht, wo es zu massiven | |
Übergriffen auf Frauen durch Männer mit überwiegend muslimischem | |
Hintergrund kam. Sie haben diesen Hintergrund als Problem zur Sprache | |
gebracht und sich damit den Zorn junger Feministinnen zugezogen. | |
Man hat versucht, die Übergriffe als unspezifische Folgen eines globalen | |
Patriarchats zu verharmlosen. Unsere Forschungen zeigen allerdings, dass | |
dies zu kurz greift. Ich habe zum Beispiel eine Doktorandin, die forscht | |
über die Frauenrechtsbewegung in Afghanistan. Sie zeigt sehr schön, mit | |
welchen Problemen Frauenrechtsaktivistinnen dort zu kämpfen haben. Nämlich | |
mit einer Ideologie, die jede Art von sexuellem Übergriff als Verfehlung | |
der Frau bezeichnet. Die offizielle Ideologie, die von den Mullahs, der | |
politischen Elite, aber auch von der Familie tradiert wird, lautet: Eine | |
Frau ist schuld, wenn sie vergewaltigt wird. Sie hat sich dann falsch | |
angezogen, war zur falschen Zeit am falschen Ort und hat nicht aufgepasst. | |
Junge Männer, die in Afghanistan in so einem Geist erzogen werden, | |
verwandeln sich nicht plötzlich in glühende Verfechter der | |
Frauenrechtsbewegung, wenn sie nach Deutschland kommen. Das muss man | |
einfach realisieren. | |
Dass die Frau selbst schuld ist, ist ja aber ein Narrativ, das auch | |
hierzulande altbekannt ist. Wenn eine Frau einen kurzen Rock trägt, heißt | |
es ja auch sehr schnell, sie würde „es drauf anlegen“. | |
Selbstverständlich existiert auch in Deutschland Sexismus, allerdings auf | |
vollkommen anderem Niveau. In vielen Ländern legitimieren Vorstellungen von | |
Ehre und Scham Gewalt gegen Frauen – sowohl innerhalb der Familie als auch | |
im öffentlichen Raum. Doch es geht nicht nur um Einstellungen. Wenn Sie | |
Rechtssysteme vergleichen, werden Sie feststellen, dass Frauen in vielen | |
Ländern für Freiheiten, die bei uns vollkommen normal sind, drastisch | |
bestraft werden. | |
Man fällt also den Aktivistinnen aus den islamischen Ländern in den Rücken, | |
wenn man sagt, da wollen wir jetzt nicht drüber reden. | |
Der Kampf um Frauenrechte ist in der islamischen Welt viel härter als bei | |
uns, weil Aktivistinnen dort bedroht, misshandelt oder ermordet werden. | |
Oder ins Gefängnis kommen, wie im Iran gerade die Anwältin Nasrin Sotoudeh, | |
die zu 38 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil sie Frauen verteidigt, | |
die das Kopftuch abgelegt haben. Da überhaupt irgendetwas zu relativieren, | |
verbietet sich, wenn wir nicht komplett zynisch sein wollen. | |
Das freut zumindest die patriarchalen Hardliner aus den | |
Zuwanderercommunitys. | |
Diejenigen, die mich damals als rassistisch beschimpft haben, scheinen sich | |
ihrer Privilegien nicht bewusst zu sein. Unsere Frauenrechtsbewegung hat | |
sehr lange gebraucht, dahin zu kommen, wo wir jetzt sind. Seit 20 Jahren | |
erst ist Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Vor gar nicht langer Zeit | |
konnten Männer noch das Konto der Frau auflösen oder ihren Arbeitsvertrag. | |
Wir sollten uns bewusst machen, dass solche und andere Rechte in anderen | |
Ländern nicht existieren, und all diejenigen unterstützen, die dafür | |
kämpfen. | |
In Ihrer Kritik am Islamismus treffen Sie sich mit Alice Schwarzer. Warum | |
ist sie unter den jüngeren Feministinnen so verhasst? | |
Vielleicht, weil sie das Repressive des Islam so offen benennt, sich nicht | |
wegduckt und zu der Idee universeller Frauenrechte steht. Alice Schwarzer | |
beschäftigt sich schon sehr lange mit dem Spannungsverhältnis von Islam und | |
Feminismus. Sie war im Iran, unmittelbar nach der islamischen Revolution, | |
und hat die fürchterlichen Entwicklungen dort miterlebt, die einsetzten, | |
nachdem Chomeini die Führung übernommen hatte. Ihr Interesse ist ganz klar, | |
die Rechte der Frauen zu verteidigen, wo auch immer. Die Anfeindungen gegen | |
sie zeigen eine bedenkliche Ignoranz und in der Regel auch ein | |
unterirdisches Niveau. | |
Sind Sie Kopftuchgegnerin? | |
Ich unterscheide zwischen dem individuellen Recht einer Frau, zu tragen, | |
was sie möchte, und dem „System Kopftuch“. Wenn eine Frau aus freien | |
Stücken sagt, ich möchte der Öffentlichkeit zeigen, ich bin Muslimin und | |
dafür ist das Kopftuch richtig, das akzeptiere ich selbstverständlich. Eine | |
religionsmündige Frau in einer freien Gesellschaft, die nicht unter dem | |
Druck irgendwelcher Communitys steht, kann sich auf den Kopf ziehen, was | |
sie möchte. | |
Aber Sie haben die Kampagne von Terre des Femmes gegen das Kinderkopftuch | |
unterstützt? | |
Ja. Deshalb spreche ich von religionsmündigen Frauen, die unter der | |
Bedingung von Freiheit entscheiden. Ein minderjähriges Kind kann das nicht. | |
Es gibt auch keinen nachvollziehbaren Grund dafür. Selbst konservative | |
Theologen sehen keine religiöse Begründung für das Kopftuch bei Mädchen vor | |
der Pubertät. Also, da muss man sich dann schon fragen, welche Eltern ihr | |
Kind denn unter das Kopftuch stecken und was das für ein Mädchen bedeutet. | |
Islam und Feminismus, ist das vereinbar? | |
Grundsätzlich natürlich, aber ein Feminismus, der sich darin erschöpft, das | |
Kopftuch für Kinder und Lehrerinnen zu verteidigen, ist für mich nicht | |
sonderlich feministisch. | |
Was ist Feminismus für Sie? | |
Feminismus bedeutet den Kampf für individuelle Freiheitsrechte von Frauen | |
und Mädchen, wie sie in der UN-Frauenrechtskonvention ausbuchstabiert sind. | |
Er beinhaltet auch eine Absage an identitäre Gruppen, die vermeintliche | |
Sonderrechte einfordern, die sich letztendlich als diskriminierend für | |
Frauen erweisen. Ich vertrete eine universalistische Position. Frauen und | |
Mädchen haben überall in der Welt auf die gleichen Rechte – unabhängig von | |
der Religion, der ethnischen Zugehörigkeit, der Hautfarbe oder anderen | |
Merkmalen, auf die identitäre Gruppen sich gern beziehen. | |
25 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Eva Berger | |
Edith Kresta | |
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