# taz.de -- Flucht aus Afghanistan vor den Taliban: Rettung per Verzichtserklä… | |
> Die Idee von Aktivist:innen überzeugt das Auswärtige Amt: | |
> Afghan:innen, die in Sicherheit sind, können ihren Platz in Deutschland | |
> weitergeben. | |
Bild: Yama Rahimi | |
BERLIN taz | Die Idee ist einfach: Wenn bedrohte Afghan:innen eine | |
Aufnahmezusage von Deutschland erhalten haben, mittlerweile aber in einem | |
Drittland Schutz gefunden haben, können sie ihren Platz in Deutschland | |
“freigeben“. Dann kann eine andere schutzbedürftige Person aus Afghanistan | |
herkommen. | |
Zunächst war die Idee mit den Verzichtserklärungen nur ein kleines Projekt | |
einer Gruppe afghanischer Künstler:innen und ihrer Unterstützer:innen. | |
Unerwartet wurde das Konzept im März aber von der internationalen | |
Organisation für Migration (IOM) und dem Auswärtigen Amt aufgegriffen. | |
Auch die IOM verschickt nun Anfragen, die abklären, ob Afghan:innen in | |
Drittstaaten überhaupt noch nach Deutschland kommen möchten. Ist das nicht | |
der Fall, können an ihrer Stelle schutzbedürftige Afghan:innen | |
nachrücken – im Mailanhang: die Verzichtserklärung der kleinen | |
Aktivist:innen-Gruppe. | |
Rahma Gamil Soliman von IOM erklärt auf taz-Nachfrage: “Das Auswärtige Amt | |
der Bundesrepublik Deutschland hat eine Liste zusammengestellt von Personen | |
aus Afghanistan, die eine Aufnahmezusage für Deutschland erhalten haben – | |
basierend auf einem Kriterienkatalog der deutschen Regierung.“ Diese Liste | |
sei unabhängig von den Evakuierungsmaßnahmen von Mitarbeiter:innen | |
deutscher Organisationen, [1][dem sogenannten Ortskräfteverfahren]. | |
## Ein kleines Stück Hoffnung | |
Stellvertretend für die deutsche Regierung kontaktiere IOM nun die Menschen | |
auf dieser Liste, um deren Visaverfahren zu vereinfachen: “Da wir mit den | |
Personen der Liste in Kontakt sind, erfahren wir auch, ob sich Familien | |
bereits in sicheren Drittstaaten befinden und fragen sie in diesem Fall, ob | |
sie immer noch nach Deutschland weitergeleitet werden möchten oder ob | |
andere Afghan:innen von ihren Listenplätzen profitieren könnten“, führt | |
die Migrationssprecherin des IOM-Pressebüros aus. Die Entscheidung, wer die | |
frei gewordenen Listenplätze zugewiesen bekomme, werde vom Bundesamt für | |
Migration und Flüchtlinge (BAMF) getroffen. | |
Michael Mai ist derjenige, der das Formular zum Verzicht auf den deutschen | |
Listenplatz entworfen hat. Der Berliner Rechtsanwalt und ehemalige | |
Rechtsreferendar an der Akademie der Künste freut sich über die | |
Entwicklung, die die gemeinsame Initiative mit Artists at Risk und | |
Unterstützer:innen aus dem Kreise des Center for Contemporary Art | |
Afghanistan um Professor Rahraw Omarzad genommen hat. | |
Mai sagt: „Während wir noch überlegt haben, wie wir möglichst viele | |
evakuierte Afghan:innen erreichen können, hat IOM auf einmal begonnen, | |
diese direkt anzuschreiben und über die Möglichkeit der Verzichtserklärung | |
zu informieren.“ | |
Auch der Stichtag des 31. August 2021, der zunächst auch für | |
Nachrücker:innen auf durch Verzicht frei gewordene Listenplätze | |
beibehalten werden sollte, ist nun wohl weggefallen. Mai sagt: „Das ist | |
großartig. So kann nun bei denen, die zusätzlich evakuiert werden, die | |
aktuelle Gefährdungslage berücksichtigt werden.“ | |
Yama Rahimi ist afghanischer Kunststudent in Deutschland und Teil der | |
Initiative, die auf die Idee mit den Verzichtserklärungen kam. Während er | |
sich noch vor Kurzem von Fall zu Fall hangeln musste, um nach und nach eine | |
Handvoll Evakuierungen mehr zu ermöglichen, geht jetzt auf einmal alles | |
ganz schnell. | |
Yahimi sagt: “Ich bekomme tagtäglich mehere Anrufe von den Menschen, die | |
[2][in einer sehr gefährlichen Situation in Afghanistan] leben müssen und | |
leider keine Chance haben, das Land zu verlassen.“ Das Nachrücken auf die | |
deutsche Evakuierungsliste bezeichnet er als eine kleine Quelle der | |
Hoffnung, um mehr Menschen in Sicherheit zu bringen. | |
Das Auswärtige Amt äußert sich nicht zu dem Vorgang. Unklar ist deshalb, | |
wie viele Afghan:innen etwa bisher von dem “Nachlisten“ profitieren | |
konnten wieviele freie Plätze es wohl noch gibt. Auch die Frage, nach | |
welchen Kriterien das Bamf entscheidet, bleibt offen. Genauso unklar ist | |
auch, wie das Auswärtige Amt und die IOM die Verzichtserklärung zum | |
Weiterschicken erhalten hat. Fest steht: Ein erster Meilenstein ist für die | |
Initiative aus Künstler:innen und ihren Unterstützer:innen | |
geschafft, und zwar schneller als erwartet. | |
29 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Lena Reiner | |
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