| # taz.de -- Autor über Flucht aus Afghanistan: „Überall lauern Gefahren“ | |
| > Der Dolmetscher Zaher Habib hat Geschichten von Geflüchteten aus | |
| > Afghanistan zu einem Buch verarbeitet. Es heißt „Träume vergangener | |
| > Tage“. | |
| Bild: Essensausgabe für Geflüchtete aus Afghanistan am 12. Oktober 2021 in Bo… | |
| taz: Herr Habib, in Ihrem [1][Buch] geht es um die Geschichte von Ali, der | |
| aus Afghanistan kommt und im Sterbebett seine Geschichte erzählt. Diese | |
| Geschichte fußt auf wahren Begebenheiten. Sind Sie Ali selbst begegnet? | |
| Zaher Habib: Ja, ich habe Ali dreimal getroffen, allerdings an einem | |
| anderen Ort als im Buch. Bei diesen Besuchen hat er mir seine Geschichte | |
| erzählt, die ich mit anderen Recherchen ergänzt habe. Dort, wo Ali nicht | |
| mehr erzählen konnte, habe ich umgeschrieben und Verbindungen hergestellt. | |
| Außerdem habe ich ihm ein Diktiergerät gegeben. Wenn er in der Lage war, | |
| hatte er damit die Möglichkeit, seine Geschichte zu erzählen. | |
| Was für Verbindungen haben Sie hergestellt? | |
| Durch meine jahrelange Tätigkeit als Dolmetscher beim Bundesamt für | |
| Migration und Flüchtlinge habe ich von vielen Schicksalen erfahren, die dem | |
| von Ali sehr ähnlich sind. All diese Menschen mussten Afghanistan aus | |
| ähnlichen Gründen verlassen. | |
| Welchen? | |
| Oft hatte das mit den Taliban zu tun, oft aber auch mit anderen Dingen, bei | |
| denen es um Land, Frauen, oder Erbschaften geht. Die Strecke ist dabei für | |
| viele gleich: Iran, [2][Türkei], Griechenland, und dann über die südlichen | |
| Balkanländer nach Deutschland. Die schlimmen Erlebnisse auf der Flucht sind | |
| ebenfalls bei vielen ähnlich – überall lauern Gefahren, besonders für | |
| Frauen und Jugendliche. | |
| All diese schlimmen Dinge müssen Sie als Dolmetscher weitertragen. | |
| Ja, diese Arbeit hinterlässt Spuren. Das Gehörte am Tag muss abends zu | |
| Hause verarbeitet werden und das geht nicht immer gut. Auch Dolmetscher und | |
| Sprachmittler sind verwundbar und können Schäden davontragen. Mein Anliegen | |
| ist, dass Menschen mitbekommen, was abseits ihrer warmen Stuben auf dieser | |
| Welt passiert. Gerade in Deutschland, wo viele ältere Menschen die Flucht | |
| und Vertreibung erlebt haben und sich gut vorstellen können, wie schwierig | |
| es ist ihre Heimat zu verlassen. Bei den Jüngeren ist das zum Glück anders, | |
| aber gerade deshalb sollten wir solidarisch mit Flüchtlingen sein und | |
| versuchen ihre Geschichten zu verstehen. Ich schreibe sie auf, um zu | |
| zeigen, warum Menschen zu Flüchtlingen werden. | |
| Neben der Lesung wird es auch eine Diskussionsveranstaltung über die | |
| aktuelle Situation in Afghanistan geben. Wie hängen diese Ereignisse mit | |
| Alis Geschichte zusammen? | |
| Der Bezug ist natürlich vor allem, dass die Taliban wieder an der Macht | |
| sind. Wir müssen darüber sprechen, was das bedeutet, gerade jetzt. | |
| Warum? | |
| Afghanistan ist gerade medial in den Hintergrund geraten. Unsere | |
| Befürchtung ist, dass viele Länder sich aus wirtschaftlichen und | |
| politischen Gründen mit den Taliban arrangieren und das Schicksal der | |
| Menschen vergessen – vor allem das der 15 Millionen Frauen und anderer | |
| bedrohter Gruppen wie Menschenrechtsaktivisten und Künstler. | |
| Ihr zweites Buch heißt „Zeit, Träume wahr zu machen“. Sind die Träume | |
| vieler Afghan:innen nicht gerade auf unabsehbare Zeit zerplatzt? | |
| Ja, das stimmt. Als ich das Buch geschrieben habe, waren die Taliban | |
| allerdings noch nicht an der Macht. Träume stehen in diesem Fall aber auch | |
| für Dinge wie Schule, Studium und Beruf. Diese Träume kann man sich | |
| erfüllen, obwohl man woanders ist. | |
| 3 Nov 2021 | |
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| [1] https://www.kellnerverlag.de/traume-vergangener-tage.html | |
| [2] /Afghaninnen-in-der-Tuerkei/!5808996 | |
| ## AUTOREN | |
| Teresa Wolny | |
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