# taz.de -- Florian Schroeder über das Böse: „Der Begriff ‚böse‘ erkl�… | |
> Putin, Hamas, Nazis: Sind wir wieder im Kampf Gut gegen Böse? Der | |
> Satiriker Florian Schroeder sagt: Nein. Dieses Denken sei | |
> kontraproduktiv. | |
Bild: Florian Schroeder in Clärchens Ballhaus, Berlin-Mitte. Der Satiriker weh… | |
An einem Wintertag zur Mittagszeit betritt Florian Schroeder ein ruhiges | |
Restaurant in Berlin-Mitte und setzt sich an einen Fensterplatz. Offenbar | |
ist er als erfolgreicher Fernseh- und Bühnensatiriker intellektuell nicht | |
ausgelastet, denn nun hat er ein sehr ernstes Buch über das Böse | |
geschrieben („Unter Wahnsinnigen“). | |
wochentaz: Herr Schroeder, ist Christian Lindner böse? | |
Florian Schroeder: Nein. | |
Ist Friedrich Merz böse? | |
Nein. | |
Wladimir Putin? | |
Nein. | |
Aber Adolf Hitler? | |
Nein. | |
Nicht mal Hitler? Das müssen Sie erklären. | |
Ich wehre mich dagegen, irgendjemanden als böse zu klassifizieren. Was | |
nichts relativiert an dem, was derjenige getan hat. Da denke ich jetzt mehr | |
an Hitler als an Lindner. Den Zusammenhang haben Sie mit Ihrer Reihenfolge | |
hergestellt, nicht ich. | |
Für die Ansicht, dass Hitler nicht böse ist, werden Sie wenig Zustimmung | |
finden. | |
Ich halte Hitler für den grausamsten Verbrecher der Menschheit. Alles, was | |
er getan hat, ist unvergleichbar schrecklich, keine Frage. Aber der Begriff | |
böse erklärt nichts. Er ist eine Form der Scheinimmunisierung. Wir sind auf | |
der anderen Seite, wir sind die Guten. In Wahrheit geben wir jemandem Macht | |
über uns, wenn wir ihn als böse qualifizieren. | |
Was wäre besser? | |
Wir sollten versuchen, die Figur zu erklären und uns zu fragen: Warum | |
konnte sie so faszinierend sein? Und könnte sie es heute auch? Und wenn | |
nicht sie, weil sie tot ist – wer dann? | |
Sie sind ein erfolgreicher Satiriker. In den letzten Jahren haben Sie zudem | |
für ein Buch über das Böse recherchiert. Nun sind wir ja nach Jahrzehnten | |
der Entspannung und Enthärtung auf dem Weg, das Böse doch wieder zu | |
etablieren. [1][Putins Angriffskrieg], der mörderische [2][Terror der | |
Hamas], da kann man schon das Gefühl kriegen, es kämpfe Gut gegen Böse. | |
Ja, es gibt eine ungeheure Renaissance des Bösen, aber noch mal: Diese | |
binären Codes von Gut/Böse, Freund/Feind helfen überhaupt nicht. So können | |
wir nur, um mit Niklas Luhmann zu sprechen, unseren grenzenlosen | |
Moralüberschuss produzieren. Aber wir haben damit eben nichts erklärt. Und | |
wir sind auch nicht in einem Miteinander, ausschließlich in einem | |
Gegeneinander. Ich glaube, dass diese Begriffe nur zur Verhärtung beitragen | |
und immer Kennzeichen eines Vorkriegszustands sind. Das scheint spätestens | |
seit dem 7. Oktober noch zugespitzter der Fall zu sein als vorher schon. | |
Wenn die Taten der Hamas nicht böse sind, was sind Sie dann? | |
Auch wenn es brutal klingt – sie sind menschlich. Nur wenn wir das | |
Grausamste als Möglichkeit menschlichen Handelns anerkennen, können wir | |
damit entsprechend umgehen. Diese Taten als barbarisch abzutun, ist | |
zweifellos richtig – aber zu einfach. Das Unmenschliche als Teil des | |
menschlichen – darum geht es. Das öffnet ein Fenster zu neuen Einsichten. | |
Die Hamas hat ihre Ziele ja schon in ihrer Charta 1988 beschrieben. Das | |
Ziel ist: die absolute Vernichtung aller Juden. Aber auch da würde ich | |
nicht sagen: böse, sondern abgrundtief schlimm, grausam und unverzeihbar. | |
Und darin eben menschlich. | |
Was heißt das? | |
Das Entscheidende ist für mich, dass man es nicht als böse qualifiziert, | |
aber eben keinen Millimeter davon abweicht, dass es unverzeihbar ist. Die | |
Relativierung finde ich grauenhaft, hier [3][Harvard], da Greta, diese | |
Versuche, den glorifizierenden Opfermythos fortzusetzen, den sich Teile der | |
sogenannten [4][progressiven Linken] seit Jahrzehnten auf die Fahnen | |
geschrieben hat und damit der Hamas mehr oder weniger das Wort zu reden. | |
Ich habe manchmal den Eindruck, bei Corona haben sich die ganzen rechten | |
Spinner geoutet. Und im Nahostkonflikt outen sich nun die linken Spinner | |
und zeigen ihre unmenschlichen Züge. | |
Sie haben für Ihr Buch mehrfach mit Horst Mahler gesprochen, dem früheren | |
68er Linken, RAF-Anwalt und heutigen Rechtsradikalen und Holocaust-Leugner. | |
Wofür steht er? | |
Dieser alte Horst Mahler hat eine spannende Aktualität bekommen, denn er | |
hat sich ja 1967 von der PLO ausbilden lassen, um mit der RAF den | |
Guerillakrieg vorzubereiten. An ihm lässt sich der Stimmungswechsel der | |
Linken scharfstellen. Erst war es: Israel ist unser Land, Kibbuz, alles | |
links, unterstützen wir, nie wieder Täter sein. Und dann wendet sich das | |
1967 durch den Sechstagekrieg, und plötzlich stehen alle auf der anderen | |
Seite. Mahler nennt das den Holocaust-Schuldkomplex. | |
Ein jetzt wieder erschreckend aktueller Begriff: Wenn man gefühlt | |
lebenslang und sogar darüber hinaus schuld ist an einem Verbrechen, das | |
eine andere Generation begangen hat – und dann in den Opfern der eigenen | |
Taten handstreichartig die Täter identifizieren kann. Ich glaube, diese | |
psychologische Entlastungsfunktion spielt eine Rolle, die wir in ihrer | |
Bedeutung noch gar nicht erfasst haben. | |
Mahler ist sich insofern treu geblieben, als er immer gegen den angeblichen | |
Mainstream gekämpft hat, erst von links, dann von rechts aus gesehen. | |
Das ist die Diagnose, die auf sehr viele Linke zutrifft. Großteile des | |
Spektrums zeigen gerade in unterschiedlichen Schattierungen, dass offenbar | |
ihr größtes Anliegen war, das Dagegen-Sein zum Prinzip zu erheben. Das | |
sieht man an Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer und ihrer schlecht | |
verhohlenen Putin-Apologie. Das sind zwei, die immer davon lebten, | |
dauerhaft im Widerstand zu sein. Man dachte, es gebe konkrete Adressaten | |
dieses Widerstands, aber heute sehen wir: Dort, wo wir Veränderung des | |
Bestehenden unterstellten, stand womöglich der Selbstzweck stärker im | |
Zentrum, als wir dachten. | |
Jetzt, da sich die Vorzeichen in kurzer Zeit radikal verändert haben, | |
taugen die alten Maßstäbe nicht mehr. Statt dieser Realität inne zu werden, | |
stoßen viele weiter in die Gegenrichtung, die ihnen vertraut ist – gegen | |
irgendeinen Mainstream, gegen ein unterstelltes Establishment. Bei Jüngeren | |
wie Greta Thunberg oder vielen der identitären Linken zeigt sich das jetzt | |
in der Palästinafrage. Die Ideologie ist bedeutend größer als die | |
Differenzierung, für die man sich immer selbst belobhudelt hatte. | |
Was sind die Folgen? | |
Wenn man immer nur dagegen ist, landet man irgendwann in dem Modus: Der | |
Feind meines Feindes ist mein Freund. Das passiert Teilen der Linken | |
gerade. Sie zerstört sich selbst und ihre Verbündeten gleich mit. Und das | |
empfinde ich als dramatische Diagnose in einer Zeit, in der der | |
Rechtspopulismus international solche Erfolge feiert. | |
Wir sind nun aber doch tatsächlich in verschiedenen Bereichen in einem sehr | |
aggressiven Gegeneinander. Der russische Angriffskrieg auf Europa hat das | |
sichtbarer gemacht. | |
Ohne Frage, ja. Aber gerade bei Putin kann man sehr schön meinen Punkt | |
sehen, dass es nicht darum geht, den anderen zum Bösen zu erklären, sondern | |
ihn zu verstehen. Wir haben bis zum Februar 2022 nicht verstanden, dass | |
Putin ein offenes Buch war, und all das, was er jetzt getan hat, immer | |
angekündigt hat. | |
Wir haben aber auch nicht verstanden, dass er für Wandel durch Handel nur | |
sehr bedingt ansprechbar ist, weil dafür der Erfahrungshorizont und damit | |
der Resonanzraum fehlt – und dass sein Thema ein ganz anderes ist, nämlich | |
das, was Ivan Krastev Identitätspanik nennt – die Angst davor, keine eigene | |
Identität zu haben oder sie zu verlieren. Was ich im Moment für eine | |
grundlegende Diagnose für sehr viele Konflikte halte. | |
Hätte das Verstehen von Putin den Krieg verhindert? | |
Das wahrscheinlich nicht. Vielleicht aber wäre eine andere Deeskalation | |
möglich gewesen, wenn man Putins geniales Spiel für einen Moment anerkannt | |
hätte: Dem Westen den Spiegel seiner eigenen Selbstreflexion vorzuhalten. | |
Putin hat dem Westen den Gefallen getan, sich so zu sehen, wie er sich | |
selbst wahrnimmt. Um es einfacher zu sagen: Als Jugendlicher haben sich | |
meine Mutter und ich häufig gegenseitig parodiert. Wir konnten so lernen, | |
wie der andere einen sieht, und das mit dem eigenen Selbstbild und dem Bild | |
des anderen abgleichen. Am Ende lösten sich tiefe Konflikte im Raum des | |
Lachens. Übertragen auf die große Bühne hätte das bedeutet: Man hätte den | |
Anfang eines anderen Verständnisses gehabt für das andere, nämlich für | |
Osteuropa und Russland. | |
Sie sagen, dass es das Böse nicht gibt und dass wir es trotzdem brauchen. | |
Das Böse ist in erster Linie der Spiegel unserer Ohnmacht. Es erzählt uns | |
etwas über uns selbst, es sagt uns etwas über unsere Ängste, über das, was | |
sich unserer Kontrolle entzieht. | |
Sie selbst sind der Sohn eines Kriminellen, der wegen Betrugs mehrere Jahre | |
im Gefängnis war. Ihr Vater wollte Sie auch zum Kriminellen machen, | |
schreiben Sie. Wie hat sich das auf Sie ausgewirkt? | |
Ich habe versucht, bloß nicht so zu werden wie er. Das war das, was über | |
meiner Kindheit und Jugend schwebte. Ich habe alles, was ihn ausmacht, weit | |
von mir gewiesen und gar nicht gemerkt, wie es mich von hinten einholte, | |
dass ich ganz ähnliche Züge hatte wie er, ähnliches Verhalten, ähnliche | |
Selbstüberschätzung, Arroganz, ein subtiler Hang zur Selbstzerstörung. | |
Moment: In dem ich das Schlechte externalisiere und komplett von mir stoße, | |
wird es Teil von mir? | |
Genau. Ich schließe es weg, packe es in den Keller oder in eine Schublade. | |
Die mache ich zu. Denke ich. Aber das funktioniert nicht. Das, was ich | |
wegpacke, muss ich kontrollieren und bin heimlich beherrscht davon. Erst in | |
dem Moment, in dem ich das annehme und sage: Ja, ich habe die Züge, kann | |
ich sie damit einordnen und in Griff kriegen, weil ich nicht mehr | |
beherrscht bin von ihnen. | |
Was ist denn am Begriffspaar Gut und Schlecht besser als an Gut und Böse? | |
Sehen Sie: Keine Wissenschaft kennt das Böse. Wenn Sie mit | |
Psychotherapeuten sprechen oder mit Psychiatern, selbst mit Kriminologen: | |
Es gibt im Strafgesetzbuch nicht einmal das Wort böse; nur zweimal den | |
Begriff bösartig, einmal bei der Vernachlässigung von Kindern aus | |
bösartiger Absicht und einmal im Volksverhetzungsparagrafen. | |
Und das Schlechte? | |
Das Schlecht ist nicht moralisch aufgeladen. Das Schlechte ist ein | |
ethischer Wert. Und das Schlechte läuft immer auf Veränderbarkeit hinaus. | |
Das Böse dagegen ist endgültig und ein rein theologischer Begriff. Es geht | |
dann eben nicht darum, zu erkennen, dass ich relativ gut oder relativ | |
schlecht sein kann. Sondern es geht immer darum: Wenn die anderen böse | |
sind, bin ich gut. In dem Moment, in dem ich das anerkenne, dass ich selbst | |
manchmal auch viel Schlechtes tue, weiß ich auch, dass andere Schlechtes | |
tun, aber darum noch lange nicht böse sind. Diese Grauschattierungen können | |
wir im Moment kaum als produktiv wahrnehmen, das ist Teil des Problems. | |
Was sagt das über uns? | |
Das zeigt, dass wir längst nicht so aufgeklärt sind, wie wir glauben, | |
sondern eher in dogmatisch religiösen Zügen denken und leben, da wir derart | |
theologisch aufgeladene Begriffe so scharf stellen. Und das ist ja nun | |
eigentlich das, was wir überwunden zu haben glaubten. | |
Ich wollte gerade sagen: Vielleicht ist ja Religion das Böse. | |
Auch das möchte ich nicht gelten lassen, auch wenn die Verführung groß ist. | |
Aber die monotheistische Religion hat unseren Begriff vom Bösen wesentlich | |
in Anschlag gebracht und auch tiefenpsychologisch so verheerend in uns | |
verankert. Diese Erbsünde-Geschichte und die ganze Schöpfungsgeschichte | |
schreit ja nur so vor lauter Gut und Böse-Dichotomien. Das wirkt bis heute | |
nach. | |
Zum Beispiel gelten Fliegen, Autofahren, Fleisch essen, gerade im | |
erzieherischen Ökosprechen als „Klimasünden“. | |
Und damit gibt die Bewegung ihren größten populistischen Kritikern recht, | |
die immer von einer Klimasekte sprechen oder einer Religion. Dieses | |
Comeback der Religion in tief säkularen Zusammenhängen finde ich | |
beunruhigend. Schuld und Sünde sind furchtbare Begriffe aus einer dunklen, | |
präsäkularen Zeit. Eigentlich geht es doch darum, Verantwortung zu | |
übernehmen und nicht schuld an etwas zu sein. | |
Es läuft gerade wirklich nicht gut für die liberale Demokratie. Die | |
Ostbundesländer sind das eine, aber es stehen auch wichtigere Wahlen in der | |
EU und den USA an. Was ist für Sie für 2024 die Herangehensweise, die nicht | |
in ein simpel-spalterisches Gut-Böse-Schema reinrutscht? | |
Auf die Gefahr hin, jetzt als naiv klassifiziert zu werden: Eine produktive | |
Neugierde und ein produktives Staunen, das nicht versucht, Dinge sofort | |
einzuordnen, sondern das im besten Sinne des Wortes beweglich ist. | |
Heißt? | |
Ich kann einen Rechtsextremisten voll und ganz verurteilen für sein | |
Weltbild. Trotzdem kann ich – nicht in einem politischen, aber in einem | |
psychotherapeutischen Sinne – fragen, worüber sich die Leute Sorgen machen, | |
die Rechtsextremisten wählen. Aber schon das ist derzeit nicht mehr | |
möglich: Wenn du die Ängste der Leute ernst nimmst, bist du ein | |
AfD-Verharmloser, wenn du sagst, dass Leute Nazis sind, die AfD und Höcke | |
wählen, dann bist du jemand, der diese Leute beschimpft. | |
Wie mache ich es besser? | |
Ich kann die Leute bei ihrer Verantwortung packen und sagen: Wenn du | |
Rechtsextremisten wählst, dann machst du dich mit ihnen gemein und bist | |
selbst ein Fascho – egal was der Grund deiner Wahl ist. Und zugleich ist es | |
wichtig, sich – von den lupenreinen Faschos abgesehen – die Ängste von | |
AfD-Wählern anzugucken. Vieles hat wohl zu tun mit der Angst vor | |
Statusverlust, davor, dass das eigene Leben einer unkontrollierbaren | |
Veränderung der Welt geopfert wird. Globalisierung ist da nur der nützliche | |
Pappkamerad. | |
In Ihrer ARD-Sendung „Schroeder darf alles“ und auf der Bühne praktizieren | |
Sie eine Form von Satire, die Ihre Zuschauer nicht nur bestätigt – anders | |
als Böhmernann hier und Nuhr da –, sondern auch verunsichert, mich zum | |
Beispiel. Darf ich lachen, liege ich richtig, bin ich wirklich der Gute? | |
Wenn Satire in der Zeit der Eindeutigkeiten und Scheinsicherheiten eine | |
letzte Aufgabe hat, dann die, zu verunsichern, Selbstverständlichkeiten zu | |
brechen, Konventionen infrage zu stellen – insbesondere die zwischen | |
Publikum und Künstler. Dazu gehört auch, die Vision eines besseren Lebens | |
zu verabschieden, das häufig mit der sogenannten Kunst assoziiert wird. Im | |
Gegenteil, ich habe häufig das Gefühl, dass Kunst genau dann schlecht wird, | |
wenn sie den Anspruch hat, die Welt zu verbessern. | |
In dem Zusammenhang müssen wir über die Satirikerin Lisa Eckhart sprechen, | |
deren Bühnenfigur Leute mit dem potenziell Abgründigen in sich selbst | |
konfrontiert. Das wird aber verweigert, indem der Mensch Eckhart als | |
Antisemitin gelabelt wird. | |
Das ist ja an sich ein spannender psychologischer Reflex. | |
Das ist auch ein Kernthema Ihres Buchs? | |
Wie Sigmund Freud sagt: Das Unheimliche ist das heimlich Vertraute. Das, | |
was wir am weitesten von uns wegschieben, ist das, was uns eigentlich am | |
nächsten ist. Ich mag diese Kunstform, sich selbst zum Bösen zu machen. | |
Aber das ist eine schwierige Position geworden, weil wir dabei sind, den | |
Kampf um die Anführungszeichen zu verlieren. Die Bereitschaft, Ironie und | |
überhaupt Mehrdeutigkeit zu verstehen, tendiert gegen null. Da wird es | |
schwierig für Leute, die ambivalenter agieren. | |
Ambivalenz ist für manche Leute fast nicht aushaltbar. Die soll auch weg, | |
indem das Böse eindeutig konstruiert wird, so habe ich Sie verstanden. | |
Ja, das gibt es. Das ist auch so ein linker Impuls: Alles, was nicht da | |
sein soll, soll keine Plattform bekommen. Bei den Rechten wäre es | |
wahrscheinlich gleich der Wunsch nach dem physischen Tod. So weit geht die | |
Linke zum Glück in ihrer Mehrheit nicht. Aber es ist albern zu sagen: | |
Kritik, die mir zu viel wird oder mir nicht gefällt, soll keine Plattform | |
geboten werden. Das ist keine Strategie, um sich gegen die | |
Herausforderungen der Zeit zu immunisieren. | |
Sondern? | |
Immunisieren heißt, sich konzertiert und konzentriert zu vergiften mit den | |
Substanzen, um dann immun gegen sie zu sein. Wenn ich aber alles | |
wegschiebe, was mich infizieren könnte, wenn ich das immer alles als böse | |
qualifiziere, dann ist das die Antiimmunisierung. Je weniger Immunität ich | |
aufbaue, umso schneller kippt mein Immunsystem. Ich meine, wir leiden darum | |
gesellschaftlich an einem gewaltigen Abwehrkräftemangel. | |
Neben Putin, Rechtsextremisten, einem pädophilen Sexualstraftäter behandeln | |
Sie im Buch auch die Klimaaktivisten Letzte Generation. Warum? | |
Mir geht es darum, dass sich unsere Gesellschaft laut Umfrage zu 90 Prozent | |
entschieden hat zu sagen: Die sind der Feind. Das ist böse, wie die sich | |
festkleben. Wenn eine Protestgruppe so viel Antipathie auslöst, muss sie ja | |
– systemisch gesprochen – etwas richtig machen. Die Frage ist dann einfach: | |
Was tun die genau? Und größer: Was sehe ich über mich, wenn ich sie als | |
Feinde sehe? Und zweitens: Wie viel Dunkles – ich sage nicht Böses – steckt | |
vielleicht auch in den bedingungslos Guten? | |
14 Jan 2024 | |
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