# taz.de -- Finanzpolitik der Ampel-Koalition: Die Regierung muss nun prüfen | |
> Nach dem Klimafonds-Urteil ist offen, wie die 60-Milliarden-Lücke gefüllt | |
> wird. Wirtschaftsminister Habeck warnt vor Folgen für die Industrie. | |
Bild: Bundeswirtschaftminister Robert Habeck (Grüne) im Juli bei einem Handwer… | |
BERLIN taz | Auch eine knappe Woche nach dem Urteil des | |
Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) | |
herrscht in der Bundesregierung Unklarheit darüber, welche Konsequenzen | |
daraus folgen. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Auswirkungen zu | |
prüfen“, sagte ein Regierungssprecher am Montag in Berlin. „Das sind sehr | |
komplexe Fragestellungen, die man nicht einfach aus dem Ärmel schüttelt.“ | |
Am vergangenen Mittwoch hatten die Karlsruher | |
Verfassungsrichter:innen entschieden, dass die Regierung | |
Kreditermächtigungen für Coronahilfen in Höhe von 60 Milliarden Euro nicht | |
in den KTF verschieben darf. [1][Geklagt hatte die Union.] Der KTF ist das | |
zentrale Instrument der Bundesregierung für die Modernisierung von | |
Wirtschaft und Gesellschaft. Durch die Entscheidung der | |
Verfassungsrichter:innen fehlen dem Fonds nun mehr als ein Viertel | |
der Mittel. | |
Das Urteil ist sehr grundsätzlich angelegt. Deshalb hat die Entscheidung | |
wohl nicht nur Folgen für die Finanzierung des KTF, sondern auch für die | |
Bundesländer, die kreditfinanzierte Sondervermögen aufgelegt haben. Auch | |
der Wirtschaftsstabilitätsfonds (WSF), über den die Energiepreisbremsen | |
finanziert werden, könnte betroffen sein. | |
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnt vor den Folgen des | |
Urteils für die Industrie. Es gehe jetzt um „die Kernsubstanz der deutschen | |
Wirtschaft“, sagte er dem Deutschlandfunk. | |
## Folgen für den Wirtschaftsstabilitätsfonds | |
Zu den Vorhaben des KTF zählen neben Maßnahmen zur Dämpfung der | |
Energiekosten viele klassische industriepolitische Projekte. Dazu gehören | |
die Förderung der Ansiedlung der Mikroelektronik-Fabriken Intel in | |
Magdeburg und der taiwanischen TSMC in Dresden, Wasserstoffprojekte etwa in | |
der Stahlindustrie oder Mittel für die Batterieproduktion. | |
Der Forderung von Finanzminister Christian Lindner (FDP), die | |
Modernisierung der Industrie mit weniger öffentlicher Förderung | |
voranzubringen, sieht Habeck kritisch. „Mit weniger öffentlichen | |
Subventionen zu modernisieren, wird dazu führen, dass nicht modernisiert | |
wird“, warnte er. Dann gäbe es weniger Co2-Emissionen in Deutschland, aber | |
nur, weil es weniger Industrie gäbe. | |
Auch für den WSF kann die Entscheidung in Karlsruhe herbe Konsequenzen | |
haben. Über den Fonds stellt die Bundesregierung 200 Milliarden Euro für | |
die Dämpfung der Energiekrise bereit, allerdings kreditfinanziert. Bis Ende | |
Oktober sind daraus nach Angaben der Bundesregierung für die Finanzierung | |
der Energiepreisbremsen für Bürger:innen und Unternehmen 31,2 Milliarden | |
Euro abgeflossen. Unklar ist, ob diese Mittel hätten fließen dürfen. Die | |
Regierung prüft das. Die Union erwägt, auch gegen den WSF zu klagen. | |
Der Klima- und Transformationsfonds speist sich aus Einnahmen aus dem | |
CO₂-Preis, der pro entstandener Tonne gezahlt werden muss. Dieser Preis | |
wird ohnehin zum 1. Januar von 30 Euro auf 40 Euro pro Tonne steigen, ab | |
2025 soll er bei 50 Euro liegen. Dadurch werden Sprit- und Heizkosten | |
erheblich steigen. Durch eine noch stärkere Erhöhung des Co₂-Preises könnte | |
ein Teil der Finanzierungslücke gefüllt werden. Habeck sieht das kritisch. | |
Das würde erhebliche Auswirkungen für die Bürger:innen haben, warnte er. | |
Um die entstandene Lücke zu füllen, hat die Koalition mehrere Optionen. Sie | |
könnte [2][die Schuldenbremse erneut aussetzen oder reformieren] oder | |
Steuern erhöhen. Wie die Koalitionsparteien hier zusammenfinden, ist noch | |
unklar. | |
## Reform der Schuldenbremse | |
SPD und Grüne sprechen sich seit Längerem für eine Reform der | |
Schuldenbremse aus. SPD-Parteichefin Saskia Esken plädierte nun dafür, die | |
Schuldenbremse 2023 und 2024 wegen einer Notlage nicht anzuwenden. Auch | |
SPD-Parteichef Lars Klingbeil mahnte: Das Urteil dürfe „nicht dazu führen, | |
dass wir aufhören, unser Land zu modernisieren“. | |
Die FDP hat Steuererhöhungen bereits eine klare Absage erteilt und hält am | |
Prinzip Schuldenbremse fest. FDP-Fraktionschef Christian Dürr brachte | |
Sozialkürzungen ins Spiel. Die Koalition müsse darüber reden, wo der | |
Sozialstaat seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten könne. | |
Das sieht auch Jens Teutrine so, Sprecher für Bürgergeld in der | |
FDP-Fraktion. „Sozialer Fortschritt bedeutet nicht, dass der Sozialstaat | |
immer teurer wird, sondern dass er wirksam denjenigen hilft, die wirklich | |
Unterstützung benötigen und dass mehr Menschen ihren Lebensunterhalt selbst | |
erwirtschaften“, sagte er der taz. Teutrine ist überzeugt: Dem Staat | |
stünden „ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung“, der Sozialstaat s… | |
„nicht unterfinanziert“. Überraschend sind die Vorschläge der Liberalen | |
nicht. Schon vor dem Urteil argumentierte die FDP immer gegen die | |
Ausweitung von Sozialausgaben. | |
20 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Unions-Klage-fuer-Schuldenbremse/!5970926 | |
[2] /Urteil-des-Bundesverfassungsgerichts/!5969813 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
Anja Krüger | |
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