| # taz.de -- Teilweise Haushaltssperre: Zwei Bundeshaushalte in Gefahr | |
| > Das Finanzministerium hat eine teilweise Haushaltssperre verhängt. | |
| > Experten raten zu einem Nachtragshaushalt und zur Verschiebung des | |
| > Haushalts 2024. | |
| Bild: Habeck in glücklicheren Tagen: Im März war der Haushalt noch nicht akut… | |
| Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts hat das | |
| Finanzministerium am Dienstagnachmittag auch den | |
| Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) gesperrt. Am Montagabend hatte es | |
| bereits zahlreiche Vorhaben auf Eis gelegt, die aus dem Klimafonds | |
| finanziert werden sollten. | |
| Dass das [1][Urteil des Bundesverfassungsgerichts w]eitreichende Folgen für | |
| den Haushalt hat, war allen Beteiligten bereits vergangene Woche klar. | |
| Daher hatte der Haushaltsausschuss für diesen Dienstag eine Anhörung mit | |
| Experten anberaumt, um zu diskutieren, wie es nach dem Urteil weitergehen | |
| kann. Der Rat an die Koalition aus SPD, Grünen und FDP war deutlich. | |
| Mehrere Experten empfahlen, den laufenden Bundeshaushalt 2023 zu überprüfen | |
| und den Etat für 2024 nicht übereilt zu verabschieden. Rechtsprofessor | |
| Hanno Kube von der Universität Heidelberg stellte die | |
| „Verfassungsmäßigkeit“ des diesjährigen Budgets infrage und nannte die | |
| Zahlen für kommendes Jahr „nicht beschlussreif“. | |
| Eigentlich wollen SPD, Grüne und FDP den Bundeshaushalt 2024 kommende Woche | |
| im Bundestag beschließen lassen. Das ganze Verfahren steht allerdings auf | |
| der Kippe, weil das Bundesverfassungsgericht vergangene Woche in einem | |
| Urteil auf Klage der oppositionellen Union der Bundesregierung 60 | |
| Milliarden Euro gestrichen hat. Das waren nicht verbrauchte | |
| Corona-Staatsschulden aus dem Jahr 2021. Die Ampel hatte die Gelder unter | |
| anderem für nächstes Jahr als Ausgaben im Klima- und Transformationsfonds | |
| eingeplant. Das wertete das oberste Gericht als Verstoß gegen die | |
| [2][Schuldenbremse] im Grundgesetz. | |
| Viele geplante öffentliche Investitionen sind nun gefährdet. Das Geld war | |
| beispielsweise dafür gedacht, Solarmodulhersteller beim Bau neuer Fabriken | |
| zu fördern, Stahlproduzenten den Übergang von Kohle zu grünem Wasserstoff | |
| zu erleichtern und die Ansiedlung von Chip-Fertigungsanlagen in | |
| Sachsen-Anhalt und Sachsen zu subventionieren. | |
| Schon in der Anhörung erklärte Finanz- und Steuerrechtler Kube, auch der | |
| Wirtschaftsstabilisierungsfonds falle unter das Urteil. Der Beschluss für | |
| die Kreditaufnahme stamme aus dem Jahr 2022, ein Teil der Mittel sei aber | |
| erst 2023 aufgenommen und für die [3][Energiepreisbremsen] verwendet | |
| worden. Gemäß Bundesverfassungsgerichtsurteil müsse beides jedoch im selben | |
| Jahr stattfinden. Seine Schlussfolgerung: Die Ampelkoalition solle einen | |
| Nachtragshaushalt für 2023 beschließen. | |
| ## Haushalte 2023 und 2024 bauen aufeinander auf | |
| Zum Etat 2024 erläuterte Kube, im Kernhaushalt fielen möglicherweise einige | |
| Milliarden Euro zusätzlicher Ausgaben an, die die Regierung nicht mehr aus | |
| dem Klimafonds bezahlen könne. Diese Veränderungen müssten jetzt berechnet | |
| und eingearbeitet werden. Kube plädierte für einen „Kassensturz“. „Die | |
| Haushalte 2023 und 2024 bauen aufeinander auf.“ | |
| In eine ähnliche Richtung argumentierte Jan Keller vom Bundesrechnungshof, | |
| der die Staatsfinanzen kontrolliert. Seine Institution halte „sowohl den | |
| Haushalt 2023 als auch den Regierungsentwurf für den Haushalt 2024 in | |
| verfassungsrechtlicher Hinsicht für äußerst problematisch“, sagte Keller. | |
| Nicht alle waren bei der Anhörung dieser Meinung. Wirtschaftsprofessor Jens | |
| Südekum von der Universität Düsseldorf hielt den „Kernhaushalt 2024 für | |
| ausverhandelt“. Man könne ihn jetzt verabschieden und nächstes Jahr | |
| eventuell einen Nachtragshaushalt hinterherschieben, um zusätzliche | |
| Ausgaben zu ermöglichen. | |
| Unions-Vizefraktionschef Mathias Middelberg sah seine Partei, die die | |
| Verfassungsbeschwerde eingereicht hatte, dennoch bestätigt. Nach der | |
| Anhörung betonte er, dass die Milliarden Euro, die in diesem Jahr für die | |
| Energiepreisbremsen an Privathaushalte und Firmen gezahlt wurden, | |
| eigentlich nicht zur Verfügung gestanden hätten. „Sie wurden nicht korrekt | |
| verbucht.“ Die Schlussfolgerung des CDU-Finanzpolitikers: Ein | |
| Nachtragshaushalt für 2023 sei „zwingend“ notwendig. Außerdem hielt er es | |
| für ratsam, den Bundeshaushalt 2024 „sorgfältig“ und „verfassungsfest | |
| auszugestalten“, was wohl dazu führen müsse, die Beratung zu verschieben. | |
| ## Sperre für Klimafonds und Bundeshaushalt | |
| Umstritten waren in der Anhörung und danach auch Antworten auf die Frage, | |
| woher das fehlende Geld kommen solle. Inzwischen hat Bundesfinanzminister | |
| Christian Lindner (FDP) nicht nur eine [4][Haushaltssperre für den | |
| Klimafonds] verhängt, sondern auch eine für den Bundeshaushalt 2023, soweit | |
| es dabei um Mittel für 2024 geht. Davon könnten schon jetzt einige | |
| Investitionsprojekte betroffen sein, die noch keine rechtsverbindliche | |
| Zusage erhalten haben – etwa geplante Subventionen für Solar- und | |
| Chipfabriken. | |
| Ein partieller Ausweg aus der Finanzmisere bestünde nun darin, erneut eine | |
| Notlage für 2023 auszurufen, wie das Grundgesetz sie ausnahmsweise erlaubt. | |
| Das schlug selbst CDU-Politiker Middelberg vor. „Damit wäre die | |
| Schuldenbremse gebrochen“, beschrieb er jedoch die Konsequenzen. Das ist | |
| einerseits eine erstaunliche Bewegung, denn die Union will die Bremse | |
| unbedingt einhalten. | |
| Andererseits: Wenn Ausgaben des Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit | |
| Schulden bezahlt wurden, die nicht erlaubt waren, gibt es kaum eine andere | |
| Lösung, als zusätzliche Kredite aufnehmen. Dies allerdings würde der | |
| Politik von Finanzminister Christian Lindner (FDP) zuwiderlaufen, der die | |
| Bremse unbedingt einhalten will. | |
| Und 2024? Für nächstes Jahr konkurrieren zwei Lösungsansätze. | |
| SPD-Fraktionschef Mützenich sprach sich dafür aus, die Schuldenbremse | |
| auszusetzen: „Wir werden aus meiner Sicht nicht darum herumkommen, für 2024 | |
| die Ausnahmeregel zu ziehen – womöglich auch länger.“ Wirtschaftsprofessor | |
| Dirk Meyer von der Bundeswehr-Universität in Hamburg erklärte dagegen | |
| während der Anhörung, Ausgabenkürzungen etwa bei der Kindergrundsicherung | |
| seien unausweichlich. | |
| 21 Nov 2023 | |
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| [1] /Karlsruhe-zu-Coronageldern/!5973523 | |
| [2] /Karlsruher-Urteil-zum-Klimafonds/!5970923 | |
| [3] /Finanzpolitik-der-Ampel-Koalition/!5971146 | |
| [4] /Grundsatzurteil-zu-Haushalt/!5969801 | |
| ## AUTOREN | |
| Hannes Koch | |
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