| # taz.de -- Finanzen der extremen Rechten: Die Anti-Europäer | |
| > Mit Kooperationen und Lobbyarbeit: Die konservative Organisation | |
| > CitizenGo versucht den rechten Diskurs in Europa zu stärken. | |
| Bild: Gründete eine ultrakonservative Version der linksliberalen Petitionsplat… | |
| Verona/Berlin taz | Er lächelt in die Kamera. Matteo Salvini, der | |
| italienische Innenminister der rechten Regierungspartei Lega, legt an | |
| diesem Samstag im März seinen Arm auf den Rücken eines Deutschen: | |
| Maximilian Krah, schwarzes Jackett, rote Krawatte. Krah, 41, ist | |
| Rechtsanwalt, er lebt in Dresden. Bei der Europawahl kandidiert er auf | |
| Listenplatz drei für die AfD. Nach der Wahl im Mai wird er aller | |
| Voraussicht nach eine zentrale Rolle für die AfD in Brüssel spielen. | |
| Krah twittert das Foto von sich und Salvini, einer Leitfigur der | |
| europäischen neuen Rechten: „Zusammen für ein besseres Europa“, schreibt | |
| er. Eine Woche später kündigt Salvini an, dass nach der Wahl eine | |
| rechtspopulistische Fraktion im EU-Parlament gegründet werden soll – eine | |
| „nationalistische Internationale“. | |
| Das Foto von Salvini und Krah ist im norditalienischen Verona entstanden. | |
| Dort machte am letzten Märzwochenende der christlich-fundamentalistische | |
| World Congress of Families Station, das weltweit wichtigste Treffen | |
| ultrakonservativer und rechter AntifeministInnen. Propagiert wird die | |
| „natürliche Ehe“ aus Vater, Mutter und vielen Kindern – damit einher geht | |
| der Kampf gegen Schwangerschaftsabbrüche, gleichgeschlechtliche Ehen und | |
| Rechte von Trans- und Interpersonen. | |
| ## Der potenzielle private Spender | |
| Vor Ort ist auch ein verdeckt recherchierender Reporter der britischen | |
| Medienplattform openDemocracy. Die spendenfinanzierte | |
| Non-Profit-Organisation aus London übernimmt die Kosten für globale | |
| investigative Recherchen. Der Reporter gibt sich als potenzieller privater | |
| Spender aus, er spricht mit PolitikerInnen und VertreterInnen von | |
| Organisationen. Er behauptet, rechte Parteien unterstützen zu wollen. Und | |
| er fragt, wie er Regeln zur Parteienfinanzierung umgehen kann. | |
| Die Gesprächsprotokolle des Reporters, die auf Grundlage von mehreren | |
| Audioaufnahmen entstanden sind, liegen der taz vor. Aus ihnen ergibt sich, | |
| wie auch die AfD von einem Netzwerk profitiert, das von Verona über Moskau | |
| bis hin bis zu Mitarbeitern der Wahlkampagne des US-Präsidenten Donald | |
| Trump reicht. | |
| Noch vor Salvini, der in Verona das Recht eines jeden Kinds verteidigt, | |
| Vater und Mutter zu haben, spricht beim Kongress eine der zentralen Figuren | |
| der globalen „Lebensschutz“-Szene: Der Spanier Ignacio Arsuaga. Auf einer | |
| pastellfarben ausgeleuchteten Bühne hält der 46-Jährige eine der | |
| aggressivsten Reden des Kongresses gegen „Genderideologen“, „radikale | |
| Feministen“ und die „Abtreibungsindustrie“. Arsuaga, dunkles Haar und | |
| Seitenscheitel, ist ein eloquenter und aufwiegelnder Redner und ein | |
| Stratege der Szene. Er macht klar, womit er den „Krieg“ gegen seine Feinde | |
| gewinnen will: mit internationalen Kooperationen und Lobbying in der | |
| Politik. | |
| Arsuaga und seine Kampagnenorganisation CitizenGo gehören zu den | |
| VeranstalterInnen des Kongresses. Die international agierende Stiftung | |
| macht mit Petitionen und Bustouren gegen Sexualaufklärung in Schulen, | |
| Abtreibungen und Rechte von LGBTI mobil – in rund 50 Ländern weltweit. Die | |
| Recherchen des verdeckten Reporters zeigen nun, dass CitizenGo versucht, | |
| rechte Parteien in ganz Europa zu stärken. | |
| ## Make Spain Great Again | |
| Wie das konkret vonstattengeht, war in den vergangenen Wochen in Spanien zu | |
| sehen. Dort unterstützt CitizenGo die rechtsextreme Partei Vox, die am | |
| vergangenen Wochenende zum ersten Mal ins spanische Parlament einzog. Vox | |
| fordert unter dem Motto „Make Spain Great Again“, Mauern um spanische | |
| Enklaven in Nordafrika zu bauen und die Waffengesetze zu lockern. Die | |
| Partei wendet sich außerdem gegen „politische Korrektheit“, | |
| gleichgeschlechtliche Ehen und Gesetze gegen Gewalt an Frauen. Arsuaga | |
| unterstützt Vox öffentlich. Erst vergangenen Freitag, zwei Tage vor den | |
| spanischen Wahlen, schrieb er auf Twitter: „Vox ist die Partei, die das | |
| Leben, die Familie und die Freiheiten am meisten verteidigt.“ | |
| Gegenüber dem verdeckten Reporter bezeichnet Arsuaga Vox als „meine | |
| Freunde“ und sagt, er habe sich mit hochrangigen ParteifunktionärInnen | |
| getroffen, um seine Kampagnenpläne vorzustellen. Er beschreibt zudem, wie | |
| seine Organisation CitizenGo die Partei „indirekt“ unterstützt. Dabei geht | |
| es unter anderem um Negative Campaigning, mit dem versucht wird, Konkurrenz | |
| von Vox in ein schlechtes Licht zu rücken. | |
| Als der verdeckte Reporter danach fragt, wie er als Spender die Regeln für | |
| spanische Parteienfinanzierung umgehen könne, die ein Spendenlimit für | |
| Privatpersonen an Parteien vorsehen, erklärt Arsuaga, dass es für Spenden | |
| an Gruppen wie CitizenGo keine Begrenzungen gibt. „Wenn Sie privat an eine | |
| NGO spenden, besteht keine Notwendigkeit, dies offenzulegen.“ CitizenGo | |
| selbst leite zwar kein Geld an Vox weiter. Aber: „Sie könnten jeder | |
| Stiftung Geld geben, die nichts dagegen hat, es an Vox weiterzuleiten. Das | |
| wäre eine gute Option.“ | |
| ## Frauenrechte unter Donald Trump | |
| Arsuaga gründete CitizenGo 2013 – als eine Art ultrakonservative Version | |
| der linksliberalen Petitionsplattform Avaaz.org. Auch in Deutschland ist | |
| CitizenGo aktiv. Auf der deutschsprachigen Website der Organisation finden | |
| sich aktuell Petitionen mit Titeln wie „Zwei Mütter, kein Vater – NICHT mit | |
| uns!“. Nach eigener Aussage hatte die Plattform im Jahr 2017 rund 2,5 | |
| Millionen Euro zur Verfügung. | |
| Im Kuratorium von CitizenGo kommt eine illustre Runde zusammen: Da sitzen | |
| etwa der Direktor einer katholischen Nachrichtenagentur aus Südamerika, ein | |
| Vertrauter eines russischen Oligarchen, ein italienischer Politiker, der | |
| wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht steht – und der US-amerikanische | |
| Antifeminist Brian Brown, der Vorsitzende des World Congress of Families. | |
| Arsuaga sagt dem verdeckten Reporter, CitizenGo werde „alle paar Monate“ | |
| von einem Experten für Fundraising und Technologie beraten, der „von Brian | |
| Brown bezahlt wird“. Dabei handelt es sich um Darian Rafie, Browns Partner | |
| bei einer amerikanischen Organisation namens ActRight. Rafie ist als | |
| politischer Berater in mehrere Unternehmen involviert, die die | |
| Republikanische Partei – und insbesondere deren ultrakonservative | |
| Strömungen – unterstützen. | |
| ActRight sammelt Geld für konservative RepublikanerInnen und | |
| antifeministische Organisationen und startet Petitionen, die vor allem die | |
| Trump-Administration unterstützen. Aktuell fordert ActRight etwa dazu auf, | |
| Trump dafür zu danken, „den Transgender-Wahnsinn im Militär“ gestoppt zu | |
| haben. Seit Trumps Amtsantritt 2017 sind die Attacken der Szene | |
| fundamentalistischer ChristInnen auf Rechte von Frauen und LGBTI so hart | |
| wie nie zuvor. | |
| ## Kooperation mit rechtsklerikalem Bündnis | |
| Dem verdeckten Reporter sagt Rafie auf dem World Congress of Families in | |
| Verona, er habe für die Trump-Kampagne gearbeitet. Rafie erklärt dem | |
| Reporter auch ausführlich, welche Wahlkampf-Tools zur Verfügung stünden. So | |
| könne man etwa Personen registrieren, die sich mit ihren Handys in einem | |
| abgesteckten Bereich bewegen, und ihre Profile bei Netflix oder Facebook | |
| identifizieren. Damit könne man mit potenziellen WählerInnen kommunizieren. | |
| Obwohl es in Europa schärfere Datenschutzgesetze gebe, könne man Tools | |
| dieser Art auch hier einsetzen. | |
| Laut der Medienplattform openDemocracy hat ActRight im Jahr 2013 auch einen | |
| Mitarbeiter von CitizenGo bezahlt. CitizenGo hat also eine enge Anbindung | |
| an eine Organisation aus Trumps Umfeld. Und auch in Deutschland hatte | |
| CitizenGo einige Zeit den Hinweis im Logo: „Member of the ActRight Family“. | |
| Hierzulande arbeitet CitizenGo mit dem rechtsklerikalen Aktionsbündnis | |
| „Demo für Alle“ zusammen. Erst im September rollte ein orangefarbener „B… | |
| der Meinungsfreiheit“ durchs Land und machte unter anderem Station in | |
| München, Köln und Berlin. Auf der Seite des Busses prangten unter dem | |
| Slogan „Stoppt übergriffigen Sex-Unterricht – schützt unsere Kinder“ die | |
| Logos von CitizenGo und „Demo für Alle“. | |
| Hedwig von Beverfoerde, schulterlange braune Haare, Perlenohrringe, ist der | |
| Kopf der deutschen „Demo für alle“. Im Gespräch mit der taz am Potsdamer | |
| Platz in Berlin, wo der Bus Station macht, erklärt sie, wofür sie kämpft: | |
| Sexualität, so Beverfoerde, sei geschaffen für die „Fortpflanzung in ihrer | |
| naturhaften Anlage“. Die Ehe für alle ein „Etikettenschwindel“. Und | |
| Abtreibung die „Tötung eines Menschen“. | |
| CitizenGo, sagt Beverfoerde, habe die gemeinsame Tour vorgeschlagen. Woher | |
| das Geld dafür kommt, will sie nicht sagen. Arsuaga aber sagt in einem | |
| früheren Gespräch mit der taz: „Wir haben schon mal eine Konferenz von Demo | |
| für Alle gesponsert und den Bus gelauncht.“ | |
| ## Die AfD und ihr Kurier | |
| Demo für Alle und CitizenGo spielen in Deutschland der AfD in die Hände, | |
| wie CitizenGo in Spanien Vox nutzt: Sie rücken den Diskurs nach rechts, sie | |
| stärken die antifeministische Agenda der Partei. Und obwohl sich beide | |
| Organisationen in Deutschland als parteipolitisch unabhängig geben, ist die | |
| Verbindung zur AfD eng. | |
| So sagt etwa die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch bei einer | |
| Wahlkampfveranstaltung 2015, dass sie die „Demos für Alle“ mitorganisiere: | |
| „Das läuft auch aus meinem Büro“. Gemeint ist das Büro der „Zivilen | |
| Koalition“, eine Organisation, mit der sie unzählige Kampagnen | |
| orchestriert. Bis Beverfoerde die „Demo für Alle“ gründete, war sie | |
| Frontfrau der „Initiative Familienschutz“ der Zivilen Koalition. | |
| Und auch Arsuaga bestätigt im Gespräch mit dem verdeckten Reporter Kontakte | |
| sowohl zur AfD als auch zur Lega und der rechten ungarischen | |
| Regierungspartei Fidesz. Auf die Frage, ob er die Kampagnenstrategien von | |
| CitizenGo mit diesen Parteien bespreche, sagt Arsuaga: „Ja. Wir informieren | |
| sie darüber, was wir tun werden.“ Arsuaga macht dem Reporter zudem das | |
| Angebot, ihn der „Nummer drei“ der AfD vorzustellen, die auch beim Kongress | |
| in Verona sei. | |
| ## Über die Hintermänner und -frauen ist wenig bekannt | |
| Gemeint ist Maximilian Krah, der auf dem dritten Listenplatz der AfD für | |
| die Europawahl kandidiert. Als Krah Salvini trifft, ist er in Begleitung | |
| von David Bendels, Chef des „Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit | |
| und bürgerlichen Freiheiten“. Der Verein wirbt seit Jahren mit kostenlosen | |
| Wahlkampfzeitungen, Großplakaten und Anzeigen für die AfD – und steht wie | |
| die AfD selbst im Verdacht der illegalen, verdeckten Parteienfinanzierung. | |
| Die NGO Lobbycontrol spricht von einem zweistelligen Millionenbetrag, mit | |
| dem Bendels Verein die AfD unterstützt habe. Eine wichtige Rolle spielt | |
| dabei die Schweizer GoalAG, die unter anderem Flächen für Plakate des | |
| Vereins buchte. Über die Hintermänner und -frauen ist wenig bekannt. Erst | |
| kürzlich hat die Bundestagsverwaltung wegen illegaler Parteispenden im | |
| Zusammenhang mit der GoalAG zwei Sanktionsbescheide verschickt. Die AfD | |
| muss Strafe zahlen. | |
| Bendels Zeitung Deutschland Kurier, in dem Maximilian Krah eine Kolumne | |
| schreibt, veröffentlicht nach dem World Congress of Families in Verona ein | |
| Gespräch zwischen Salvini, Krah und Bendels. Krah resümiert: „Wir wollen | |
| die EU verändern, und nach dem Treffen in Verona weiß ich, dass es uns | |
| gelingen kann. Denn: Wir stehen nicht allein.“ | |
| OpenDemocracy ist eine britische Rechercheplattform. Alexander Nabert | |
| arbeitet für sie. Patricia Hecht ist Genderredakteurin der taz. | |
| 2 May 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Patricia Hecht | |
| Alexander Nabert | |
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