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# taz.de -- FAQ zu Migrationsdebatte: Wie bisher, vielleicht schneller
> Die Ampelkoalition plant „europarechtskonforme und effektive
> Zurückweisungen“. Die taz erklärt, was damit gemeint ist.
Bild: Die Ampelkoalition plant „europarechtskonforme und effektive Zurückwei…
Ist die Ampelkoalition nun auf Merz-Linie eingeschwenkt?
Nein. Die Union will Asylsuchende an der Grenze ohne jede Prüfung in den
jeweiligen Nachbarstaat – zum Beispiel nach Österreich – zurückweisen. Das
macht die Bundesregierung nicht mit, weil es gegen EU-Recht verstößt. Nach
der Dublin-III-Verordnung muss bei Asylsuchenden jeweils geprüft werden,
welcher EU-Staat für das Verfahren zuständig ist. In der Regel ist es nicht
der Nachbarstaat Österreich, sondern ein EU-Staat an den Außengrenzen, zum
Beispiel Italien.
Friedrich Merz [1][wollte das EU-Recht ignorieren] und sich auf eine
Notlage der inneren Sicherheit gemäß Artikel 72 des EU-Arbeitsvertrags
berufen. Das wiederum macht die Bundesregierung nicht mit, weil es derzeit
keine solche Notlage gibt. Die Zahl der Asylanträge ist in Deutschland im
August 2024 um 46 Prozent niedriger als im August 2023.
Wie will die Bundesregierung die Zahl der Zurückweisungen ausweiten?
Zurückweisungen an der Grenze sind zulässig, wenn Ausländer:innen
keinen Asylantrag stellen. Allein 2023 gab es 35.618 Zurückweisungen an den
deutschen Grenzen. Da Deutschland an immer mehr Grenzen Kontrollen
durchführt, nimmt auch die Zahl solcher zulässiger Zurückweisungen zu. Ab
dem 16. September soll es an allen deutschen Grenzen vorübergehende
Kontrollen geben. Bedenklich ist, dass die Zahl der Aufgriffe an der
Grenze, bei denen (angeblich) kein Asylantrag gestellt wird, immer weiter
steigt: von 29 Prozent im Jahr 2023 auf 51 Prozent im ersten Halbjahr 2024.
Die Bundesregierung will die Zahl der Zurückweisungen zudem durch einen
Trick erhöhen. Die Dublin-Überstellung der Flüchtlinge in den zuständigen
EU-Staat wird seit Dienstag nicht mehr „Rücküberstellung“ genannt, sondern
ebenfalls „Zurückweisung“. Diese Form der Zurückweisung ist
„europarechtskonform“, weil sie der gesetzlich vorgesehenen
Rücküberstellung entspricht, also nichts Neues ist.
Werden die Dublin-Überstellungen „effektiver“, wie die Regierung
verspricht?
Bisher gelingt die Überstellung in den zuständigen EU-Staat meist nicht
rechtzeitig. Nach sechs Monaten geht dann die Zuständigkeit für das
Asylverfahren auf Deutschland über. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat
nun erklärt, sie strebe eine Überstellung [2][binnen fünf Wochen] an. Das
wird wohl nicht gelingen, denn im wesentlichen soll alles so gemacht werden
wie bisher. Die Bundesregierung wird dann argumentieren, dass sie auf die
Hilfe der Bundesländer und vor allem die Kooperation der zuständigen
EU-Staaten angewiesen ist.
Wen betrifft das „effektivere“ Verfahren?
Fast alle Flüchtlinge, die in Deutschland Asyl suchen. Da fast alle über
andere EU-Staaten nach Deutschland eingereist sind, ist Deutschland nach
den Dublin-Regeln eigentlich für niemanden zuständig. Wie bisher auch muss
in all diesen Fällen zunächst geprüft werden, welcher EU-Staat zuständig
ist und ob die Person dahin überstellt werden kann.
Sollen Flüchtlinge nun bis zur Überstellung inhaftiert werden?
Nein. Wie bisher ist dies nur möglich, wenn ein Haftgrund besteht, zum
Beispiel die Gefahr, dass der Flüchtling untertaucht. Dies kann nicht
pauschal unterstellt werden. Über die Inhaftierung entscheiden unabhängige
Gerichte. Die meisten frisch Angekommenen werden wie bisher in
Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht.
Deutschland hätte für eine Inhaftierung aller Dublin-Flüchtlinge auch nicht
genug Abschiebehaftplätze. Die Bundesregierung nutzt nun die aufgeregte
Diskussion für diese Forderung an die Länder.
Werden die zuständigen EU-Staaten künftig kooperativer sein?
Die EU-Staaten an den EU-Außengrenzen finden es ungerecht, dass sie nach
den Dublin-Regeln fast alle Asylverfahren abwickeln sollen. Sie unterlaufen
daher die Dublin-Regeln, indem sie ankommende Flüchtlinge oft nicht
registrieren und bei der Rückübernahme wenig kooperieren. Die
Bundesregierung will nun Gespräche mit diesen EU-Staaten führen. Diese
werden – wie bisher – vermutlich nichts bringen.
11 Sep 2024
## LINKS
[1] /Zurueckweisungen-von-Fluechtlingen/!6035119
[2] /Zurueckweisungen-an-deutschen-Grenzen/!6036181
## AUTOREN
Christian Rath
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Migration
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