| # taz.de -- Experimentelle Musik: Sound der friedlichen Koexistenz | |
| > Moscoman veröffentlicht sein Debütalbum „Shot in the Light“ und mischt | |
| > orientalische Sounds zu einem tanzbaren Eklektizismus. | |
| Bild: In der Musik lösen sich die nahöstlichen Grenzen auf | |
| Im Sommer 2015 wurde der in Berlin residierende israelische Produzent | |
| Moscoman auf Anraten von Freunden zum Birlikte Fest nach Köln eingeladen. | |
| Der Name Birlikte soll ausdrücklich an den NSU-Rohrbombenanschlag in der | |
| Kölner Keupstraße erinnern, es ist das türkische Wort für ein „Zusammen�… | |
| Moscoman ist eine ausgezeichnete Wahl, da er als Chef des Labels Disco | |
| Halal Koexistenz vorlebt. Auf Moscomans Label veröffentlichen etwa der | |
| türkische Produzent Mehmet Aslan Seit’ an Seit’ mit Naduve aus Tel Aviv | |
| Tracks und Edits, die auf vage, aber geniale Art orientalisch klingen. | |
| Dabei ist es egal, ob das Ausgangsmaterial israelischen, arabischen oder | |
| persischen Ursprungs ist. Hauptsache man kann dazu Tanzen. Getanzt wurde | |
| auch an jenem heißen Junitag in Köln; erst vorsichtig, bald sehr | |
| ausgelassen. In dem türkischen Herrencafé, das ich ausgewählt hatte für den | |
| Event, wurde die Hausordnung schnell abgelegt. Eine Masse an Divergenz | |
| (Muslime, Juden, LGBT und konservative Türken) bewegte sich zur Musik von | |
| Moscoman. Er lebte den Sound der Koexistenz auf der Bühne vor. | |
| ## Die Tanzfläche wird politisiert | |
| Wenn wir hier über keine explizite politische Agenda reden, ist | |
| festzustellen, dass die Tanzfläche in diesem Fall trotzdem, beiläufig, | |
| politisiert wird. Chen Moscovici, wie Moscoman bürgerlich heißt, ist ein | |
| kluger Kopf, der um solche Umstände weiß; sonst wäre er wahrscheinlich gar | |
| nicht aufgetreten. | |
| Mit der gleichen kühnen Klugheit veröffentlicht er nun sein Debütalbum „A | |
| Shot In The Light“ beim New Yorker Label ESP Institute. Moscomans Erstling | |
| ist der Versuch, eine Bewegung der letzten Jahre zu diskursivieren, ohne | |
| verkopft zu sein: das Auseinanderdriften der Tanzfläche. | |
| Das Aufkommen der sogenannten Wohnzimmerclubs, meist Bars mit kleinen, aber | |
| expliziten Tanzbereichen (Keller, Nebenräume), in denen namhafte DJs für | |
| wenig Lohn auflegen, aber auch die Beschallung der noch so kleinen Kneipe | |
| mit DJ und Tanzmusik haben kleineren und mittleren Clubs Besucher | |
| weggenommen. Wer die Wahl hat zwischen freiem Eintritt und zehn Euro für | |
| den Club, entscheidet sich dann häufiger für die Möglichkeit, einen | |
| Longdrink mehr zu trinken. | |
| Dieses Dispositiv hat reine Tanzflächen abdriften lassen: Während in den | |
| Bars vermehrt eklektizistische DJ-Sets mit Einblicken in Disco oder Wave zu | |
| hören sind, gehen Clubs auf Nummer sicher und lassen den Sound laufen, der | |
| sich von der Bar-Alternative abgrenzt. Dadurch wurde die Musik härter, aber | |
| auch eintöniger, als sie sein musste (oder gar wollte). | |
| ## Verspielte Piano-Hooks | |
| „A Shot in the Light“ ist eine mehr als angenehme Schnittstelle. Weder | |
| beruft sich Mosocoman auf überbordenden Pop, noch lässt er Tanzbarkeit | |
| vermissen. Die acht Tracks funktionieren im kleinen, aber auch im großen | |
| Rahmen. Spielerisch zwischen technoiden Arpeggiatoren (wie im Titelstück | |
| des Albums) und balearischen Gefühlen hüpfend (wie beim Auftakt „Nineteen | |
| Eighty-Two“) spielt Moscoman elektronische Tanzmusik für alle Geschmäcker. | |
| Er setzt damit konsequent fort, was er auf EPs und in Remixen begonnen hat. | |
| Ähnlich seiner Freunde von Red Axes – man kennt sich aus der gemeinsamen | |
| Zeit in Tel Aviv – paart Moscoman die Grammatik des Eklektizismus mit | |
| klassischen House-Elementen. Im Vordergrund stehen verspielte Piano-Hooks | |
| und entrückte Synthie-Bass-Lines, die von 80er Drums begleitet werden und | |
| in vielen Momenten ein analoges Perkussiongefühl vermitteln. | |
| Die Einflüsse reichen von Italodisco über Krautrock bis zu House. Als | |
| Referenz darf das von Moscoman selbst wiederveröffentlichte Album von TCP | |
| (Tony Carey Project) auf Disco Halal gelten. Auch hier wird Tribalistisches | |
| schamlos mit Psychedelischem gepaart, Synthies treffen auf Drum-Maschinen, | |
| und Dancefloor wird zum experimentellen Labor. | |
| Alles zu einer Zeit, zu der die amtliche Clubtanzfläche sich noch gar nicht | |
| gefunden hatte, da House und Techno noch in den Kinderschuhen steckten. Es | |
| war noch die Zeit der gemeinsamen Tanzabende. An diese Zeit friedlicher | |
| Koexistenz erinnert „A Shot in the Light“. | |
| 30 Oct 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Lars Fleischmann | |
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