# taz.de -- EuGH verhängt Zwangsgelder gegen Polen: Legitime Nötigung | |
> Eine Million Euro EU-Zwangsgeld gegen Polen pro Tag klingt nach Bazooka. | |
> Doch richtig weh tut der PiS-Regierung etwas anderes. | |
Bild: Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki spricht von Erpressung | |
Polens Justizminister Zbigniew Ziobro wütete, nachdem der Europäische | |
Gerichtshof (EuGH) in dieser Woche tägliche [1][Zwangsgelder gegen Polen | |
angeordnet] hat. „Nicht einen einzigen Złoty“ werde man an die EU | |
überweisen, kündigte er an. | |
Was nach einer dramatischen neuen Eskalation klingt, ist für die EU aber | |
nur Theaterdonner. Wenn Polen die Zwangsgelder nicht überweist, dann werden | |
sie eben bei Zahlungen der EU an Polen abgezogen. Die EU sitzt meist doch | |
am längeren Hebel. | |
Grund für die [2][Verhängung der Zwangsgelder] ist die rechtsstaatswidrige | |
Disziplinarkammer, die Polen am Obersten Gericht weiterarbeiten lässt. Der | |
EuGH verlangt deshalb eine Million Euro – pro Tag. Zu zahlen, bis Polen | |
eine [3][Anordnung des EuGH] vom April endlich akzeptiert und die Tätigkeit | |
der Disziplinarkammer aussetzt. | |
Es geht hier nicht um Strafen für vergangenes Verhalten, sondern um | |
Zwangsmittel, die den Zustand in der Zukunft verbessern sollen. Polens | |
Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat nicht Unrecht, wenn er von | |
„Erpressung“ spricht. Ja, es geht um Nötigung, aber um eine legale und | |
legitime Nötigung zur Durchsetzung von EU-Recht. | |
## Um schmerzhafte Beträge geht es beim Corona-Aufbaufonds | |
Eine Million Euro pro Tag, das klingt zwar nach Bazooka. Doch was für eine | |
Privatperson oder ein kleineres Unternehmen den schnellen Ruin bedeuten | |
würde, ist für einen mittelgroßen Staat wie Polen kaum mehr als verschärfte | |
Symbolik. | |
Zum Vergleich: Die EU-Kommission hält derzeit 24 Milliarden Euro Zuschüsse | |
zurück, die [4][Polen aus dem Corona-Aufbaufonds beansprucht]. Dort geht es | |
um Summen, die auch einem Staat wie Polen wehtun. Wenn die EU wegen der | |
schwindenden Rechtsstaatlichkeit echten finanziellen Druck auf Polen | |
ausüben will, dann spielt die Musik eher dort. | |
Die Zwangsgelder im Verfahren wegen der Disziplinarkammer spielen sich in | |
Größenordnungen ab, die eher die Bürger:innen beeindrucken. | |
Deshalb sind sie aber keineswegs irrelevant. Denn letztlich kann die Lösung | |
des Konflikts um die polnische Justiz nur aus Polen selbst kommen. Entweder | |
wird die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) abgewählt. Oder ihr Versuch, | |
die polnische Justiz gleichzuschalten, wird so unpopulär, dass die Polen | |
regierende Partei ihn freiwillig aufgibt, um nicht abgewählt zu werden. | |
## Es ist besser, deutlich zu werden | |
Die jetzt verhängten Zwangsgelder unterstützen einen solchen | |
atmosphärischen Wandel. Außerdem zeigt der EuGH dabei Flagge und | |
legitimiert so zumindest indirekt das Zurückhalten der Milliarden aus dem | |
Coronafonds. | |
Bei einer grundsätzlich europafreundlichen Bevölkerung wie in Polen sind | |
solche Sanktionen auch nicht kontraproduktiv. Hier ist es sogar besser, | |
deutlich zu werden. Hasenfüßigkeit würde eher auf Unverständnis stoßen. | |
30 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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