# taz.de -- Ermittlungen gegen Nordkreuz-Prepper: Was wusste der Verfassungssch… | |
> Erst wollte der Verfassungsschutz schon früher als die anderen von der | |
> Preppergruppe „Nordkreuz“ gewusst haben. Nun nicht mehr. | |
Bild: Finster | |
BERLIN taz | Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte offenbar | |
deutlich später Kenntnis von den sogenannten Prepperchats, die unter dem | |
Namen „Nordkreuz“ bekannt wurden, als ursprünglich behauptet. In der | |
Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion schreibt die | |
Bundesregierung, das Bundesamt für Verfassungsschutz „erlangte erstmalig im | |
Juni 2017 Kenntnis von einschlägigen Chatgruppen“. | |
In einer nicht-öffentlichen Sitzung des Innenausschusses hatte der | |
Verfassungsschutz zuvor ganz anders Auskunft gegeben. Laut Protokoll vom | |
Dezember 2018, das der taz vorliegt, hieß es damals: Bereits Ende 2016 habe | |
das BfV bei Nordkreuz festgestellt, „dass da möglicherweise | |
Rechtsextremisten zusammenwirken, sich vorbereiten auf einen Tag X, | |
möglicherweise dafür auch Waffen lagern … und möglicherweise gegen | |
unliebsame Personen etwas tun wollen.“ | |
Ein Vertreter des BfV führte damals aus, sie hätten „erhebliche“ | |
nachrichtendienstliche Mittel angewandt. Und die Chatgruppen dabei nicht | |
gesehen? | |
Interessant sind die widersprüchlichen Aussagen des Bundesamtes, weil | |
gleich in zwei Fällen gegen Mitglieder der Prepperchats ermittelt wird: Die | |
Bundesanwaltschaft wirft ihnen die „Vorbereitung einer schweren | |
staatsgefährdenden Gewalttat“ vor. [1][In Norddeutschland sollen zwei | |
Männer], ein Polizist und ein Anwalt, Feindeslisten angelegt und Tötungen | |
geplant haben – sie waren Mitglied der Preppergruppe Nordkreuz, die nach | |
dem Namen einer ihrer Chatgruppen bekannt wurden. | |
In Süddeutschland ist Franco A. angeklagt, ein Bundeswehroffizier, der sich | |
als syrischer Flüchtling registriert hatte. Auch er soll Tötungen vorgehabt | |
haben. Er ist ebenfalls ein sogenannter Prepper und war Mitglied in der | |
Chatgruppe Süd. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft manche der Männer | |
heute als rechtsextrem ein. | |
## Keine isolierte Organisation | |
Wenn der Verfassungsschutz schon Ende 2016 Kenntnis von der norddeutschen | |
Gruppe gehabt haben soll, stellt sich die Frage: Wieso hat er nicht | |
gesehen, dass es sich nicht um eine isolierte Organisation handelte, | |
sondern um einen regionalen Ableger, den es so auch im Westen, Osten und | |
dem Süden gegeben hat? Oder auch: Hätte der Verfassungsschutz schon früher | |
auf Franco A. aufmerksam werden können? | |
Martina Renner, Innenpolitikerin der Linksfraktion sagt: „Ich erwarte, dass | |
die Widersprüche aufgeklärt werden. Es ist höchste Zeit, dass die Rolle der | |
Geheimdienste in den Komplexen Franco A. und Nordkreuz in den Blick | |
genommen wird.“ | |
Lange hatte es geheißen, insbesondere der Militärische Abschirmdienst (MAD) | |
habe versäumt, die rechtsextreme Gesinnung der Männer zu bemerken. Franco | |
A. hatte bereits 2013 eine antisemitisch und rassistische Masterarbeit bei | |
der Bundeswehr abgegeben. Seine Vorgesetzten meldeten ihn aber nicht beim | |
MAD, sondern baten Franco A., eine neue Arbeit zu schreiben. | |
Als er nach Berlin fuhr und mutmaßliche Opfer ausspähte, bekam sein | |
Arbeitgeber davon nichts mit, auch nicht, als er sich als syrischer | |
Geflüchteter registrierte. Am Ende war es eine Putzfrau, die die | |
Ermittlungen zu seinen möglichen Terrorplänen auslöste: Franco A. hatte am | |
Wiener Flughafen eine Pistole versteckt, die die Putzfrau dann zufällig | |
fand. | |
Das führte zu einer ersten Festnahme in Österreich und Ermittlungen. | |
Weitere Waffen, die Franco A. besessen haben sollen, sind bis heute | |
verschwunden. [2][Munition hatte er nachweislich bei Freunden versteckt.] | |
Waren die Prepper gewarnt? | |
Auch eine weitere Passage in der Antwort der Bundesregierung gibt Anlass | |
für neue Fragen. Bislang hatte die Bundesanwaltschaft stets betont, | |
regionale Polizeikräfte bei den Ermittlungen gegen die Nordkreuz-Gruppe | |
herausgehalten zu haben. Sie hatten offenbar die Befürchtigung, dass die | |
Verdächtigen gewarnt werden. | |
Der Grund: Nicht nur ist einer der Terrorverdächtigen Kriminalpolizist in | |
Mecklenburg, auch der Administrator der Nordkreuz-Chatgruppen war Polizist, | |
beim SEK. [3][Er wurde inzwischen verurteilt,] weil er eine gestohlene | |
Kriegswaffe und mehr als 55.000 Schuss Munition bei sich gehortet hatte. | |
Einige der Patronen haben mutmaßlich weitere Polizisten entwendet. | |
In der Antwort der Bundesregierung heißt es nun, unmittelbar nachdem die | |
Ermittler des BKA auf die Nordkreuz-Chatgruppen stießen, im Sommer 2017, | |
informierten sie das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern. | |
Auf Anfrage wollte das Landeskriminalamt keine Auskunft geben, wohin die | |
Information aus den Ermittlungen gelangt ist – ob also möglicherweise die | |
Preppergruppe frühzeitig vorgewarnt gewesen ist, dass die Behörden sie nun | |
im Blick haben. | |
1 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Rechter-Terror-in-Deutschland/!5608261&s=Christina+Schmidt+Feindeslist… | |
[2] /Gestohlene-Bundeswehr-Munition/!5622803/ | |
[3] /Urteil-im-Prepper-Prozess/!5647333/ | |
## AUTOREN | |
Christina Schmidt | |
Sebastian Erb | |
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