# taz.de -- Energiewende in Kriegszeiten: Ukraine setzt auf Erneuerbare | |
> In dem von Russland angegriffenen Land wünschen sich viele mehr | |
> Unabhängigkeit von fossilen Importen. Und es passiert auch etwas. | |
Bild: Die Ukrainer:innen wünschen sich vor allem eine sichere Energieversorgun… | |
KIEW/MÖNCHENGLADBACH taz | Es ist so viel, wie Belgien im Jahr an | |
Treibhausgasen emittiert oder was 27 Millionen benzinbetriebene Autos | |
ausstoßen, die ein Jahr lang auf den Straßen unterwegs sind – 120 Millionen | |
Tonnen klimaschädlicher Emissionen hat Russlands Krieg gegen die Ukraine | |
allein im ersten Jahr verursacht. Das hat eine [1][Untersuchung im Auftrag | |
des renommierten Klimanetzwerks European Climate Foundation] gezeigt. | |
Die Forscher schätzen, dass zwei Drittel der [2][klimaschädlichen | |
Emissionen des Krieges] (insgesamt 21,9 Millionen Tonnen CO2) von | |
Treibstoff für russische Militärfahrzeuge, Jets und Hubschrauber verursacht | |
wurde, fast ein Viertel durch ukrainische Jeeps und Panzer, der Rest durch | |
explodierende Munition, weiteres Militärgerät oder durch den Bau von | |
Festungsanlagen. | |
Es könnten viel weniger Emissionen sein, findet Olga Bojko, Koordinatorin | |
des Ukrainischen Klimanetzwerks. Europa müsse dafür endlich aufhören, von | |
Russland fossile Energieträger zu kaufen, sagt sie zur taz. „Das Geld, mit | |
dem Russland weiterhin Waffen kauft, stammt unter anderem aus dem Export | |
fossiler Brennstoffe. Die EU war nicht nur in hohem Maße von russischem Gas | |
abhängig, sie kauft nach wie vor Kohle und Öl aus Russland.“ Wenn die Welt | |
auf klimafreundliche Energien umsteige, seien Kriege weniger | |
wahrscheinlich, ist sich Bojko sicher. | |
In der Ukraine ist ein Eintreten für den Umstieg auf Erneuerbare längst | |
nicht mehr nur eine Forderung der relativ kleinen Ökoszene. Viele wollen | |
weg von fossilen Energieträgern. Das liegt nicht nur daran, dass man die | |
kriegsbedingten klima- und umweltschädlichen Emissionen von | |
Militärfahrzeugen oder auch brennenden Objekten senken will. Die Nutzung | |
von Erneuerbaren verringert vor allem die Abhängigkeit von anderen Ländern | |
wie Russland. | |
## Lokales Engagement | |
Auf lokaler Ebene gibt es in dem Land trotz der täglichen Angriffe | |
tatsächlich Fortschritte in der Klimapolitik. „Gemeinden und | |
Gebietskörperschaften setzen vielerorts Maßnahmen wie die Isolierung von | |
Schulen und Krankenhäusern oder die Versorgung kritischer Infrastruktur mit | |
erneuerbarer Energie direkt um“, berichtet Oleh Savytskyi, Kampagnenmanager | |
der Umweltorganisation Razom We Stand, der taz. | |
Dutzende Initiativen und Hunderte von Gemeinden machten mit, weil es im | |
Krieg nütze und weil es nachhaltig sei, sagt Savytskyi – er sieht aber auch | |
„noch erhebliches Wachstumspotenzial“. | |
Allerdings fehle es der Zentralregierung unter den aktuellen Bedingungen | |
„nicht nur an qualifiziertem Personal, sondern auch an einem strategischen, | |
systematischen Ansatz, die notwendigen Reformen konsequent umzusetzen“, | |
meint Savytskyi. „Es ist inzwischen klar, dass das für die Entwicklung und | |
Umsetzung der Klimapolitik zuständige Ministerium für Umweltschutz seiner | |
Verantwortung nicht gerecht wird und nicht in der Lage ist, eine | |
Koordinierung mit anderen staatlichen Stellen herzustellen, um die | |
notwendigen Veränderungen zu bewirken.“ | |
## Dezentral ist sicherer | |
Dabei seien die Aufgaben klar, so Savytskyi. Die Ukraine müsse die | |
Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern, | |
Energieeffizienzmaßnahmen wie Gebäudedämmung umsetzen und kleine, | |
dezentrale erneuerbare Stromerzeugungsanlagen bauen. Außerdem müsse die | |
Energie-Infrastruktur dezentralisiert werden – ein dezentrales Stromnetz | |
sei weniger anfällig für Raketenangriffe. Wichtig ist für Savytskyi auch | |
die [3][energetische Modernisierung von Industriebetrieben] und die | |
Umstellung des Agrarsektors auf Ökoproduktion. | |
Alles Maßnahmen, die die Ukraine auch dem EU-Beitritt und dem [4][Ziel des | |
Europäischen Green Deal näher bringen können, Europa bis 2050 zum ersten | |
klimaneutralen Kontinent zu machen]. Trotz Umsetzungsproblemen: Die | |
Erkenntnis, dass die Ukraine wegkommen muss von fossilen Energieträgern, | |
ist auch in der Regierung angekommen. | |
Am 20. und 21. September findet in Kiew und Den Haag gleichzeitig ein | |
Nachhaltigkeitsforum statt, bei dem es um die Frage geht, wie die Ukraine | |
auf eine nachhaltige Energiewirtschaft umsteigen kann. Teilnehmen werden | |
unter anderem mehrere ukrainische Ministerien, die Europäische Bank für | |
Wiederaufbau und die deutsche staatliche Entwicklungsorganisation GIZ. | |
Thema: eine grüne Strategie für die Ukraine für die nächsten 20 Jahre. | |
16 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://en.ecoaction.org.ua/wp-content/uploads/2023/06/clim-damage-by-russi… | |
[2] /Aufruestung-der-Bundeswehr/!5850429 | |
[3] /Gasverbrauch-der-Bierbranche/!5871338 | |
[4] /EU-Parlament-beschliesst-Klimagesetze/!5926015 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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