# taz.de -- Aufrüstung der Bundeswehr: Der grüne Knall | |
> Wenn über das 100-Milliarden-Aufrüstungspaket für die Bundeswehr | |
> verhandelt wird, sollte es auch darum gehen, wie viel CO2 durch | |
> Kriegsgerät entsteht. | |
Bild: Wirbelt ordentlich Dreck auf: Kampfpanzer Leopard 2 bei einer Bundeswehr�… | |
BERLIN taz | Wenn die Bundestagsabgeordneten demnächst über das | |
100-Milliarden-Aufrüstungspaket und die damit einhergehenden Schulden | |
abstimmen, wird es um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr gehen, um die | |
Finanzierung des Pakets und darum, [1][welche Zugeständnisse – wie das | |
Erstellen einer Liste über Beschaffungsvorhaben – die CDU der | |
Ampelkoalition abringen konnte]. Fehlen aber wird auf der Tagesordnung, | |
dass das gigantische Aufrüstungsprojekt Millionen Tonnen CO2 und andere | |
Treibhausgase wie Methan und Lachgas (angegeben in CO2-Äquivalenten, CO2e) | |
in die Atmosphäre pusten wird. Wie viel genau, weiß niemand, auch nicht die | |
Abgeordneten – denn das Militär und der Rüstungssektor bleiben weitgehend | |
undurchsichtig und von Klimaschutzmaßnahmen ausgeschlossen. | |
Dabei ist auch in hohen militärischen Kreisen bekannt, dass der Klimawandel | |
nicht nur die Arbeit von Streitkräften verändert, sondern auch vom | |
CO2e-Ausstoß ihrer Panzer, Flugzeuge und Schiffe verschärft wird. Jens | |
Stoltenberg, Nato-Generalsekretär, sagte 2020 auf einer Rede in Kopenhagen, | |
es gebe drei Gründe, warum sich die Nato mit dem Klimawandel | |
auseinandersetzen sollte: „Weil der Klimawandel die Welt gefährlicher | |
macht. Weil er es unseren Streitkräften erschwert, unsere Leute zu | |
schützen. Und weil wir alle die Verantwortung tragen, mehr gegen den | |
Klimawandel zu tun.“ Er forderte deswegen, dass die Streitkräfte der | |
Mitgliedsländer mehr auf erneuerbare Energien setzen und ihren CO2-Ausstoß | |
veröffentlichen sollten. | |
In Deutschland sind Informationen diesbezüglich nur eingeschränkt | |
verfügbar: 2019 hat das Bundesverteidigungsministerium einen | |
Treibhausgasausstoß von knapp 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr gemeldet, mehr, | |
als 300.000 Autos pro Jahr emittieren. Davon entfallen etwa 800.000 Tonnen | |
auf Strom- und Wärmeerzeugung und rund 600.000 Tonnen auf Mobilität. Nicht | |
enthalten ist jedoch der CO2e-Ausstoß bei Auslandseinsätzen. | |
Ebenso undurchsichtig bleibt der CO2e-Ausstoß der deutschen | |
Rüstungsindustrie. In einer Studie im Auftrag der Linksfraktion im | |
EU-Parlament schätzten die britischen Wissenschaftler*innen Linsey | |
Cottrell und Stuart Parkinson, dass deutsche Waffenhersteller jährlich etwa | |
711.000 Tonnen CO2e ausstoßen. Sie halten das für eine konservative | |
Schätzung, weil nicht alle Konzerne ihre Klimabilanzen veröffentlichen. | |
## Rüstungskonzerne erheben keine Daten über Emissionen | |
Das italienische Rüstungsunternehmen Fincantieri veröffentlicht als | |
einziges in Europa seinen gesamten CO2e-Fußabdruck. Darin sind nicht nur | |
die Emissionen aus dem Energieverbrauch seiner eigenen Fabriken enthalten, | |
sondern auch jene aus der Lieferkette Fincantieris. Gerade für | |
Rüstungsunternehmen ist das relevant, weil der verbaute Stahl, das | |
Aluminium oder die Elektronik mit hohem Emissionsaufwand von anderen Firmen | |
hergestellt und geliefert werden müssen. Dieses CO2e taucht bei Rheinmetall | |
nicht auf, bei Fincantieri schon. Ausgehend von Fincantieris Angaben | |
errechneten die Studienautor*innen für die deutschen Waffenhersteller | |
einen CO2e-Fußabdruck von mehr als 3,4 Millionen Tonnen. Für den gesamten | |
deutschen Militärsektor kommen sie, die Bundeswehr eingeschlossen und ohne | |
im Ausland anfallende Emissionen, auf 4,5 Millionen Tonnen. Das entspricht | |
dem CO2-Ausstoß von etwa 1 Million Autos pro Jahr. | |
Gerade im Kontext des „Sondervermögens“ Bundeswehr verdienen die | |
militärischen Treibhausgasemissionen Deutschlands Beachtung. Denn selten | |
hat der Staat so viel Einfluss darauf, wie viel CO2e ausgestoßen wird. Es | |
verhält sich anders als im Verkehrssektor, wo wenigstens ein Teil der | |
Verantwortung bei den individuellen Konsumentscheidungen der Deutschen | |
liegt. Welche Waffen die Bundeswehr kauft, welche Standards sie verlangt | |
und welche Informationen sie einholt und veröffentlicht, liegt vollständig | |
in der Hand des Bundesverteidigungsministeriums und der | |
Bundestagsabgeordneten. Das Problem: Sie wissen gar nicht, wie viel CO2e | |
durch die Produktion einzelner Panzer oder Flugzeuge entsteht. Die | |
Rüstungskonzerne erheben die Daten nicht, und das | |
Bundesverteidigungsministerium fragt nicht nach: „Das BMVg führt keine | |
Bilanz über die CO2-Emission im Zuge der Produktion bestellter Ausrüstung“, | |
schreibt das Ministerium auf Anfrage der taz. | |
Niklas Wagener, der für die Grünen im Verteidigungsausschuss des Bundestags | |
sitzt, kritisiert das: „Auch hier gilt, auch mit Augenmerk auf die Ukraine | |
und die bestmögliche Ausrüstung der Bundeswehr, dass die anderen Krisen | |
nicht verschwunden sind und wir in der Lage sein müssen, die Klimawirkung | |
des Militärs nachzuvollziehen und Klimaschutz einzufordern.“ Er weist | |
darauf hin, dass auch die Bundeswehr den CO2-Preis bei ihren | |
Treibstoffeinkäufen bezahlen muss. Für Marcus Faber, | |
verteidigungspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, reicht das | |
aus. Wegen des Kriegs stehe der CO2e-Ausstoß der Bundeswehr nicht im | |
Zentrum. Bei der Abstimmung über das „Sondervermögen“ gehe es zentral | |
darum, „die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands herzustellen“. | |
Mit den 100 Milliarden Euro Sonderschulden will die Bundeswehr altes | |
Material mit modernen Waffensystemen ersetzen. Weil militärische Fahr- und | |
Flugzeuge üblicherweise sehr lang eingesetzt werden, meißelt die | |
Bundesregierung damit den derzeitigen Stand der Antriebstechnik auf | |
Jahrzehnte in Stein. Und das bedeutet: die Verbrennung fossiler | |
Brennstoffe. Nato-weit müssen alle Fahrzeuge mit einem einzigen Kraftstoff | |
betreibbar sein. Das ist aktuell Diesel. Einer der knapp 300 | |
Leopard-2-Kampfpanzer der Bundeswehr stößt auf 100 Kilometern Asphaltfahrt | |
knapp 900 Kilogramm CO2e aus. In der zivilen Forschung wird zwar aktuell | |
daran gearbeitet, aus Wasserstoff und (gegebenenfalls erneuerbarem) Strom | |
sogenannte E-Fuels herzustellen. Der Rüstungskonzern Rheinmetall konnte auf | |
Anfrage der taz aber nicht beantworten, ob sich all seine gepanzerten | |
Fahrzeuge mit E-Fuels betanken ließen. Potenziell müssen also viele | |
Fahrzeuge umgerüstet werden, sollte die Nato einen neuen Standardtreibstoff | |
einführen. Der Vorteil wäre, dass sich Wasserstoff und damit E-Fuels | |
überall dort herstellen lassen, wo es Strom gibt. Die Bundeswehr wäre also | |
weit unabhängiger von Öllieferungen aus den USA, Saudi-Arabien oder den | |
Golfstaaten. | |
## Abrüstungsabkommen statt emissionsarmer Technologien | |
Die teuerste Neuanschaffung der Bundeswehr wird der Kampfjet F-35 von | |
Lockheed Martin. Er soll die alternden Tornados ersetzen. Dessen | |
CO2-Ausstoß pro Flugstunde ist geringer als der eines F-35: 12,3 Tonnen zu | |
13,8 Tonnen. Pro Stunde stößt ein F-35 demnach mehr CO2e aus, als ein*e | |
Deutsche*r im Jahr verursacht. | |
Während Transparenz und Emissionsverringerung also laut dem | |
Nato-Generalsekretär die Lösung für die hohen Emissionen des Militärsektors | |
sind, wird in Deutschland nur ein Mindestmaß des CO2e-Ausstoßes gemeldet: | |
die inländischen Emissionen von Gebäuden und Fahrzeugen der Bundeswehr. Das | |
Klimaschutzgesetz verlangt nicht, die Emissionen der Produktion von | |
Militärgerät oder des Einsatzes im Ausland anzugeben. Der | |
Grünen-Abgeordnete Wagener fordert daher, der Klimaschutzbericht der | |
Bundesregierung solle um alle CO2-Emissionen der Bundeswehr ergänzt werden, | |
egal, ob sie durch Infrastruktur, Waffensysteme, im In- oder Ausland | |
verursacht werden. | |
Dass das Bundesverteidigungsministerium kein übermäßiges Interesse daran | |
hat, sich am Schutz der Umwelt zu beteiligen, zeigt sich in Brüssel. Die EU | |
erarbeitet derzeit eine neue Umweltschutzrichtlinie für die Herstellung und | |
Laufzeit von Batterien, die in Zukunft als Energiequellen zum Beispiel für | |
militärische Drohnen große Bedeutung besitzen werden. Doch im aktuellen | |
Entwurf ist das Militär von der Umsetzung der Richtlinie ausgenommen. Ein | |
Problem sieht das Ministerium darin nicht: „Damit wird die notwendige | |
Flexibilität für die Ausrüstung der Bundeswehr gewahrt“, schrieb eine | |
Sprecherin der taz auf Anfrage. | |
Intransparenz, die vielen Ausnahmen und allseits steigende Militäretats | |
bergen die Gefahr, dass trotz eskalierender Klimakrise die Emissionen des | |
Rüstungssektors steigen, statt zu fallen. In ihrer Studie schlagen Cottrell | |
und Parkinson vier Gegenmaßnahmen vor: die Entwicklung emissionsarmer | |
Technologien, einen Fokus auf Umwelt- und Klimaschutz in der Verwaltung von | |
Gebäuden und Land der Streitkräfte, CO2e-Ausgleichsprojekte und, am | |
wichtigsten: Abrüstungsabkommen. Denn in jedem Fall bleibe es [2][für die | |
Emissionsreduzierung von großer Bedeutung, weniger militärisches Gerät zu | |
kaufen und einzusetzen], unabhängig von emissionsarmen Technologien. Nur: | |
„Wir haben keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass Regierungen diese | |
Option als Teil größerer Klimaschutzprogramme in Betracht ziehen.“ | |
13 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Sondervermoegen-Bundeswehr/!5850689 | |
[2] /Formen-des-Protests-und-Klimaschutz/!5803158 | |
## AUTOREN | |
Jonas Waack | |
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