# taz.de -- Empörung über Brennelement-Transport: Atomexport trotz Widerspruch | |
> Ohne vollziehbare Genehmigung wurden Brennelemente von Lingen in ein | |
> Schweizer AKW exportiert. Dem Betreiber drohen strafrechtliche | |
> Konsequenzen. | |
Bild: In das Schweizer AKW Leibstadt wurden im Dezember zwei Transporte von Bre… | |
BERLIN taz | Es ist ein Vorgang, der auch langjährige Beobachter der | |
Atomszene in Deutschland ziemlich überrascht: Aus der Brennelemente-Fabrik | |
im niedersächsischen Lingen sind im Dezember zwei Transporte ins Schweizer | |
AKW Leibstadt durchgeführt worden, obwohl gegen die Exportgenehmigung durch | |
den BUND Widerspruch eingelegt worden war. Über diesen wird derzeit vor dem | |
Verwaltungsgericht Frankfurt verhandelt. | |
Nach Auskunft des klagenden BUND Baden-Württemberg hat der Widerspruch | |
aufschiebende Wirkung. Das habe auch das für die Genehmigung zuständige | |
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) im Verfahren erklärt. | |
Damit sei der Export rechtswidrig erfolgt, sagte Stefan Auchter, | |
Geschäftsführer des BUND-Regionalverbands Südlicher Oberrhein, der taz. Er | |
kündigte an, Strafanzeige gegen den Exporteur zu stellen. Nach § 328 des | |
Strafgesetzbuchs drohen beim ungenehmigten Export von Kernbrennstoffen bis | |
zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. | |
Die Geschäftsführerin des BUND Baden-Württemberg, Sylvia Pilarsky-Grosch, | |
reagierte mit scharfer Kritik. „Dass Framatome den Ausgang eines anhängigen | |
Verfahrens nicht abwartet, beweist erneut das krude Weltbild des | |
Unternehmens, in dem Gewinnstreben alle berechtigten Bedenken vom Tisch | |
fegt“, erklärte sie. | |
Der Export von Brennelementen aus Deutschland ist schon länger umstritten. | |
Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, den Export in | |
grenznahe, alte AKWs zu beenden, doch entsprechende Vorstöße des | |
SPD-geführten Umweltministeriums [1][scheitern bisher an der Union]. | |
Atomkraftgegner*innen und Verbände versuchen darum derzeit, die Transporte | |
auf juristischem Weg zu stoppen. | |
Beim belgischen AKW Doel war das Anfang Dezember [2][zunächst gescheitert]: | |
Dort entschied der Hessische Verwaltungsgerichtshof, dass der Widerspruch | |
keine aufschiebende Wirkung hat. Grund war aber vor allem, dass | |
Einzelpersonen sich nach Auffassung des Gerichts nicht auf das Atomgesetz | |
berufen können, um Schutzinteressen durchzusetzen. | |
Beim Export ins schweizerische Leibstadt ist die Lage anders: Dort haben | |
nicht Einzelpersonen Widerspruch eingelegt, sondern mit dem BUND ein | |
klageberechtigter Umweltverband. Darum sind die Beteiligten hier von einer | |
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ausgegangen; auch das Gericht hatte | |
sich entsprechend geäußert. Inzwischen klagt auch gegen die Doel-Exporte | |
mit dem BUND NRW ein Verband, so dass auch hier wieder keine Transporte | |
möglich sein sollten. | |
„Dass sich ein Unternehmen in so einem sensiblen Bereich so offensiv gegen | |
die Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörde und des Gerichts stellt, ist | |
schon bemerkenswert“, meint Anwältin Cornelia Ziehm, die die Doel-Klage | |
geführt hat, zu den jetzt erfolgten Exporten nach Leibstadt. „Vor diesem | |
Hintergrund kann man auch die Frage nach der Zuverlässigkeit des Exporteurs | |
stellen.“ | |
Betreiber der Brennelemente-Fabrik in Lingen ist die Advanced Nuclear Fuels | |
GmbH (ANF), eine Tochter des französischen Atomkonzerns Framatome; diese | |
hatte die Exportgenehmigung nach Leibstadt beantragt. Würde diesem die | |
Zuverlässigkeit aberkannt, könnte er auch keine sonstigen Transporte mehr | |
durchführen, weil diese eine zwingende Voraussetzung für die Erteilung von | |
Exportgenehmigungen ist. | |
Im Bundesumweltministerium, das in dieser Frage die Aufsichsbehörde des | |
BAFA ist, herrscht Empörung über das Vorgehen des Unternehmens. „Das ist | |
nicht akzeptabel“, sagte Staatssekretär Jochen Flasbarth der taz. Auch er | |
hält den Export für möglicherweise illegal: „Eine Ausfuhr unter Ausnutzung | |
einer nicht vollziehbaren Ausfuhrgenehmigung kann strafrechtlich relevant | |
sein. Das BAFA wird den Vorgang daher zur Prüfung an die Staatsanwaltschaft | |
abgeben“, sagte Flasbarth. Lingen-Betreiber ANF wollte sich auf Anfrage | |
nicht zu den Vorwürfen äußern. Man könne „zu einem laufenden Verfahren | |
keine Auskünfte geben“, teilte das Unternehmen mit. | |
12 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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Jochen Flasbarth | |
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