# taz.de -- Einigung beim Heizungsgesetz: Klimaschutz geht nur sozial | |
> Nach dem Kompromiss für das Heizungsgesetz bleibt eine Frage | |
> unbeantwortet: Wie verhindert die Bundesregierung die Überforderung der | |
> Bürger:innen? | |
Bild: Fernwärme-Leitungen: Gemeinden sollen nun erst einmal Konzepte für das … | |
Das Gezerre hat ein Ende, aber die sozialen Unwuchten bleiben. SPD, Grüne | |
und FDP haben sich nach wochenlangem Streit [1][auf eine gemeinsame Linie | |
beim umstrittenen Gebäudeenergiegesetz (GEG) geeinigt]. Dabei haben sie | |
immerhin eine wichtige Korrektur angekündigt. Sie wollen die Bringschuld | |
für die Umstellung auf klimafreundliches Heizen von den Bürger:innen auf | |
die Städte und Gemeinden verlagern. Die sogenannte kommunale Wärmeplanung | |
wird der zentrale Schauplatz für den Umstieg: Nur wenn Städte und Gemeinden | |
Konzepte für das Heizen der Gebäude in ihrem Einzugsbereich vorgelegt | |
haben, gelten die Vorgaben des GEG für die dort lebenden Bürger:innen. | |
Zu Recht nennt SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich das einen | |
Paradigmenwechsel. Denn jetzt muss nicht jede:r einzelne Eigentümer:in | |
für sich eine Lösung finden, sondern die Kommune ist gefragt. Das nimmt | |
Druck von den Bürger:innen. Doch dieser Paradigmenwechsel allein reicht | |
nicht. Ein gravierendes Problem ist ungelöst: Wie verhindert die | |
Bundesregierung die finanzielle Überforderung vieler Bürger:innen? | |
Die Ampel bleibt [2][schlüssige Antworten auf diese zentrale Frage | |
weiterhin schuldig]. Beim langen Hin und Her in der Ampel um das Gesetz | |
stand das offenbar nicht im Zentrum. Stattdessen haben sich die | |
Koalitionspartner:innen in diesem Punkt auf Worthülsen ohne jede | |
Substanz geeinigt. Im Einigungspapier der Ampelfraktionen ist die Rede | |
davon, „möglichst passgenau die einzelnen Bedürfnislagen und soziale Härten | |
bis in die Mitte der Gesellschaft“ zu berücksichtigen. Aber schon die | |
Frage, bis wohin die Mitte der Gesellschaft reicht, dürfte hoch umstritten | |
sein; was „passgenau“ sein soll, erst recht. | |
Problematisch ist die Wärmewende weniger für diejenigen, die ein Haus bauen | |
– die meisten planen ohnehin bereits mit Wärmepumpe statt Gasheizung. Das | |
Problem trifft mit voller Wucht diejenigen, die ein Häuschen oder eine | |
Eigentumswohnung haben, vielfach über Jahrzehnte unter vielen Entbehrungen | |
finanziert und noch lange nicht abgezahlt. Wirtschaftsminister Robert | |
Habeck hatte versprochen, dass es eine Staffelung der staatlichen Hilfen | |
für den Heizungsumstieg geben würde: nichts für Villenbesitzer:innen, | |
genug für Leute mit kleinem Budget. Das konnte er in der Regierung nicht | |
durchsetzen. | |
## Leute, die es nicht brauchen, kriegen Geld | |
Stattdessen gibt es einen Vorschlag, bei dem auch Leute Geld kriegen, die | |
es nicht brauchen – und für die anderen ist es nicht genug. Das Konzept, | |
das die Grünen nachgeschoben haben, ist sozial gestaffelt; es klingt nicht | |
schlecht. Aber wer soll denn glauben, dass sie das in dieser Regierung | |
durchsetzen? Mit voller Wucht getroffen werden Mieter:innen. Denn die | |
Vermieter:innen können die Kosten für die neue Heizung auf sie umlegen. | |
Der Deutsche Mieterbund warnt zu Recht vor drastischen Mietsteigerungen. | |
Die Lösung der Ampel ist diffus. Die Kosten für Sanierungen wie den Einbau | |
einer neuen Heizung werden über die sogenannte Modernisierungsumlage in der | |
Regel von Eigentümer:innen auf Mieter:innen abgewälzt. | |
Die Umlage läuft auch dann noch weiter, wenn die Kosten längst abgezahlt | |
sind. Statt, wie von vielen Seiten gefordert, diesen Mechanismus | |
abzuschaffen, will die Ampel eine zweite Modernisierungsumlage einführen. | |
Die soll gewährleisten, dass Vermieter:innen staatliche Förderprogramme | |
in Anspruch nehmen und dieses Geld die Belastung für Mieter:innen | |
mindert. Details sind unklar. | |
## So sollte es nicht gehen | |
Auf die kommt es aber an. Denn schon heute müssen Eigentümer:innen | |
eine gewährte staatliche Unterstützung von der Modernisierungsumlage | |
abziehen. Aus Bequemlichkeit oder anderen Gründen verzichten sie aber oft | |
auf eine Förderung, schließlich bekommen sie das Geld ja auch von ihren | |
Mieter:innen. Die Lösung der Ampel ist also alles andere als beruhigend. | |
Das Heizungsgesetz ist ein Lehrbeispiel dafür, wie es nicht gehen sollte. | |
Die von den Springer-Medien angezettelte Hetzkampagne gegen das Gesetz | |
konnte nur deshalb auf eine so große Resonanz treffen, weil das Projekt | |
Wärmewende von Anfang an eine Sollbruchstelle hatte: die fehlende | |
finanzielle Abfederung. Klimaschutz voranzubringen kann nur gelingen, wenn | |
bei jeder Maßnahme die soziale Seite mitgedacht und vor allem kommuniziert | |
wird – und zwar von Anfang an. Die Grünen, allen voran ihr Klimaminister | |
Habeck, haben an dieser Stelle enttäuscht. | |
Ja, ein sozialökologischer Umbau mit Finanzminister Christian Lindner ist | |
schwer vorstellbar. Aber wenn die Grünen keinen Weg finden, diese | |
Transformation trotz FDP in Gang zu setzen, werden sie vor der nächsten | |
Bundestagswahl nicht mehr vor der Frage stehen, ob sie eine:n | |
Kanzlerkandidat:in aufstellen sollen oder nicht. | |
16 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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