| # taz.de -- Ehemaliger VW-Chef Ferdinand Piech: Meister Machiavelli | |
| > Ferdinand Piëch hat aus Volkswagen den größten Autobauer der Welt | |
| > gemacht. Die von ihm geschaffene Angstkultur prägt den Konzern bis heute. | |
| Bild: Der langjährige VW-Patriarch Ferdinand Piëch ist im Alter von 82 Jahren… | |
| Berlin taz | Ferdinand Piëch war Legastheniker, in Englisch hatte er eine | |
| Fünf, sein Lehrer hielt ihn für „zu dumm“ zum Studieren. Sicherlich hatte | |
| damals keiner geahnt, dass „Burli“, wie er von seinem Clan als kleiner | |
| Junge genannt wurde, mal als Meister des Wortes in die | |
| Wirtschaftsgeschichte eingehen würde – und der Zwietracht. | |
| Im Zuge der Übernahmeschlacht zwischen Volkswagen und Porsche 2009 genügte | |
| nur ein Satz, um ein Unternehmen zu schlucken und eine Karriere zu | |
| zerstören. Auf die Frage, ob der Porsche-Chef Wendelin Wiedeking noch sein | |
| Vertrauen genieße, antwortete Piëch mit seiner leisen, schnarrenden Stimme: | |
| „Zurzeit noch.“ Und ergänzte: „Das ,noch' können Sie streichen.“ Der | |
| Porsche-Kurs brach massiv ein, die Zuffenhausener verloren die | |
| Übernahmeschlacht, kurze Zeit später war Wiedeking weg vom Fenster. | |
| Viele Chefs werden von ihren Mitarbeitern gefürchtet. Doch kaum einer | |
| wusste selbst Topmanager so sehr einzuschüchtern, wie es Ferdinand Piëch | |
| als Vorstandschef und späterer Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG | |
| tat. Am Sonntagabend ist er in einem Restaurant kollabiert und kurze Zeit | |
| später in einem Krankenhaus in Rosenheim mit 82 Jahren [1][gestorben]. | |
| „Plötzlich und unerwartet“, schrieb Piëchs Witwe Ursula. Ihr Mann sei bis | |
| zuletzt ein „begeisterter Ingenieur und Autoliebhaber“ gewesen. | |
| Keine Frage, das war er. Und auch Deutschlands führendem Autoexperten, | |
| Ferdinand Dudenhöffer, ist Recht zu geben, wenn er sagt: „Ohne Piëch würde | |
| die Autowelt heute anders aussehen.“ | |
| ## Porsche-Sprössling vom falschen Zweig | |
| Ferdinand Piëch ist Sprössling der Porsche-Dynastie. Sein Großvater war der | |
| legendäre Käfer-Konstrukteur Ferdinand Porsche, sein weit verzweigter Clan | |
| Mehrheitseigner der Volkswagen AG. | |
| Dem jungen Ferdinand war aber nicht alles in die Wiege gelegt. Obwohl er | |
| sich im Gegensatz zu seinen Geschwistern und Cousins schon in seinen jungen | |
| Berufsjahren als brillanter Ingenieur und Firmenstratege einen Namen | |
| machte, wurde ihm der Chefposten des Porsche-Konzerns verweigert. Der | |
| Familienzweig der Porsches wollte keinen „Nicht-Namensträger“ an der Spitze | |
| ihres Unternehmens sehen. | |
| Der junge Piëch ging zunächst zu Audi und brachte die angestaubte Marke aus | |
| Ingolstadt auf Vordermann. Innovationen wie der Fünfzylindermotor, | |
| Quattroantrieb und TDI gehen auf seine Kappe. | |
| Als er 1993 Vorstandsvorsitzender des Mutterkonzerns Volkswagen wurde, | |
| steckte auch Wolfsburg in einer tiefen Krise. Mit einer rüden | |
| Einkaufspolitik setzte er die Zulieferer massiv unter Druck und senkte die | |
| Kosten. Auf Piëch geht auch die Plattformstrategie zurück. Egal ob für | |
| Skoda, Seat, VW oder Audi – für jede Autoklasse ließ er baugleiche | |
| Fahrzeuge anfertigen, die sich nur äußerlich unterschieden. Das senkte | |
| weiter die Kosten. Zugleich gelang es dem Konzern unter seiner Ägide, jede | |
| Einzelmarke für sich erfolgreich auf dem Weltmarkt zu platzieren. | |
| ## Piech setzte auf Protz und Benzinfresser | |
| Allerdings steht Piëch auch für protzige Benzinfresser. Die Forschungs- und | |
| Entwicklungsabteilung von VW hatte schon in den frühen achtziger Jahren | |
| Einliter-Motoren entwickelt, an Hybrid-Antrieben und Elektroautos | |
| geforscht. Piëch fegte die Pläne vom Tisch. Autos seien seine Leidenschaft, | |
| sagte Piëch. Er wolle aber „richtige Autos“. | |
| Unter seine Ägide zunächst als Vorstandschef, ab 2002 als | |
| Aufsichtsratschef, übernahm Volkswagen die Luxusmarken Lamborghini, | |
| Bugatti, Bentley und den Motorradhersteller Ducati. Mit der | |
| Stufenheck-Limousine Phaeton wollte Piëch auch die Marke VW im | |
| Oberklassensegment platzieren. Der Verbrauch lag bei über 10 Liter pro | |
| hundert Kilometer. Und während Konkurrent Toyota in Japan an | |
| Hybrid-Antrieben tüftelte, mit dem Ziel den Verbrauch zu senken, setzte | |
| Piëch auf Diesel. | |
| ## Im Dauerkriegsstand | |
| „Immer wenn es um Krieg geht, sind am Ende weniger vorhanden. Und es gibt | |
| immer Gewinner und Verlierer“, sagte Piëch gleich zu Beginn seiner Zeit als | |
| VW-Chef. „Ich habe die Absicht, der Sieger zu sein.“ | |
| Diese Aggression bekam sein eigener Clan am häufigsten zu spüren. Vor allem | |
| sein Verhältnis zu seinem Cousin Wolfgang Porsche war geprägt von | |
| erbitterten Machtkämpfen, bei denen Piëch sein ganzes machiavellistisches | |
| Talent beweisen konnte. Einem anderen Cousin aus dem Porsche-Zweig spannte | |
| er die Gattin aus, mit der er zwei Kinder zeugte. Mit Ausnahme seines | |
| jüngsten Sohnes soll Piëch mit keinem seiner zwölf Kinder aus vier | |
| Beziehungen ein gutes Verhältnis gepflegt haben. | |
| ## Kaltherzig und brutal | |
| Der US-Autoveteran Bob Lutz, selbst lange Zeit Topmanager in der | |
| Automobilbranche, nannte Piëch „kaltherzig, geradezu brutal“. In dessen | |
| autoritärer Führungskultur liege die Wurzel des VW-Skandals um manipulierte | |
| Dieselmotoren. Lutz vermutet, die Ingenieure wussten gar nicht, wie | |
| VW-Motoren die Abgastests bestehen sollten. Wenn in einem Unternehmen | |
| jedoch der Rausschmiss drohe, sei es nur menschlich, dass Mitarbeiter zu | |
| Tricksereien greifen, schrieb Lutz. Piëch habe bei Volkswagen eine | |
| „Schreckensherrschaft“ errichtet. | |
| Als Piëch im April 2015 über den damaligen VW-Vorstandschef Martin | |
| Winterkorn sagte: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“, läutete er zwar den | |
| Anfang des Dieselskandals ein, der seinen einstigen Vertrauten wenige | |
| Monate später zu Fall bringen sollte. Doch Piëch hatte sich verkalkuliert. | |
| Der Aufsichtsrat inklusive der Mitglieder der Familien Porsche und Piëch | |
| stellten sich gegen ihn. Er und seine Gattin gaben die Aufsichtsratsposten | |
| ab, er verkaufte seine Anteile und ließ sich auch sonst kaum mehr in der | |
| Öffentlichkeit blicken. | |
| Bei aller Härte – er war auch hart zu sich selbst. | |
| 27 Aug 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Felix Lee | |
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