Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ferdinand Piëch ist tot: Der Patriarch der Autoindustrie
> Der ehemalige VW-Vorstands- und Aufsichtsratschef Piëch stirbt im Alter
> von 82 Jahren. Nach Angaben seiner Witwe kam sein Tod unerwartet.
Bild: Der langjährige VW-Vorstands- und Aufsichtsratschef wurde 82 Jahre alt
Hamburg dpa/rtr | Er prägte Deutschlands größten Autokonzern Volkswagen
über Jahrzehnte: Der frühere VW-Vorstands- und Aufsichtsratschef Ferdinand
Piëch ist tot. Die Witwe Piëchs, Ursula Piëch, bestätigte den Tod ihres
Ehemannes. Ihr Mann sei am Sonntag „plötzlich und unerwartet verstorben“,
hieß es in einer Mitteilung Ursula Piëchs, die der Deutschen Presse-Agentur
am Montagabend vom Anwalt der Familie, Christian Schertz, zugeschickt
wurde.
Ursula Piëch schrieb: „Das Leben von Ferdinand Piëch war geprägt von seiner
Leidenschaft für das Automobil und für die Arbeitnehmer.“ Er sei bis
zuletzt ein begeisterter Ingenieur und Autoliebhaber gewesen. Die
Beisetzung finde im engsten Familienkreis statt, hieß es weiter. Piëch
hinterlasse eine große Familie mit 13 Kindern und mehr als doppelt so
vielen Enkelkindern.
VW-Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh würdigte Piëch als „großen Manager
und Ingenieur“. „Volkswagen stünde ohne Ferdinand Piëch nicht da, wo wir
jetzt stehen. Dafür schulden wir ihm unseren Dank und unsere Anerkennung“,
teilte Osterloh am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.
Piëch habe „mit seiner Liebe zum Produkt, seiner strategischen Weitsicht
und seinem feinen Gespür für die Weiterentwicklung unserer Marken (…) die
Erfolgsgeschichte unseres Konzerns entscheidend geprägt.“
Mit dem Tod Piëch geht für [1][Volkswagen] und die deutsche
Automobilindustrie eine Ära zu Ende. Der Enkel des Käfer-Konstrukteurs
Ferdinand Porsche galt als begnadeter Ingenieur und hat das [2][Wolfsburger
Unternehmen] zu dem gemacht, was er heute ist: zu einem weltumspannenden
Megakonzern, der vom Kleinwagen bis zum Schwerlaster alles anbietet, was
auf den Straßen rollt – bis hin zum Supermotorrad der Marke Ducati.
## Er duldete keinen Widerspruch
Der VW-Patriarch führte den Konzern mit eiserner Hand und duldete keinen
Widerspruch – von 1993 bis 2002 als Vorstandschef und bis 2015 als
Aufsichtsratsvorsitzender. Aus dieser Zeit stammt auch der Begriff des
Wolfsburger Imperiums, das die Autowelt beherrscht. Kritiker sehen in
dieser Führungskultur, die von Piëchs Ziehsohn und späterem Nachfolger an
der Unternehmensspitze, Martin Winterkorn, übernommen wurde, aber auch
einen Grund für den Dieselskandal, der die Existenz von Volkswagen vor fast
vier Jahren in Gefahr brachte.
Durch den von Piëch eingeführten Managementstil konnte nach Ansicht von
Kritikern über viele Jahre ein System der Angst entstehen, in dem
[3][Ingenieure lieber manipulierten] als zugaben, dass Abgasgrenzwerte
nicht eingehalten werden konnten. [4][Die Diesel-Krise], die bei VW ihren
Ausgang nahm, hat inzwischen auch andere Hersteller wie Daimler erfasst.
Seinen ersten schweren Rückschlag, von dem er sich nie richtig erholte,
erlebte der Machtmensch Piëch, als er im April 2015 Zweifel an Winterkorn
säte, um ihn als Nachfolger an der Spitze des Aufsichtsrats zu verhindern:
„Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“, zitierte ihn der Spiegel damals. Doch
womit Piëch selbst wohl am wenigsten rechnete, trat ein: Sowohl der
mächtige Betriebsratschef Bernd Osterloh und die IG Metall als auch das
Land Niedersachsen stützten Winterkorn.
Während sich Piëch daraufhin grollend in sein Salzburger Domizil zurückzog,
blieb Winterkorn zunächst im Amt. Er musste dann allerdings im September
2015 zurücktreten, nachdem die Dieselmanipulation in den USA aufgeflogen
war.
## Ein Strippenzieher
Bis zu seiner krachenden Niederlage setzte Piëch seine Pläne stets gut
durchdacht und mit langem Atem durch. „Wenn ich etwas erreichen will, gehe
ich auf das Problem zu und ziehe es durch, ohne zu merken, was um mich
herum stattfindet“, erklärte Piëch in seiner Autobiografie. [5][„Mein
Harmoniebedürfnis ist begrenzt“.] Das bekam auch Winterkorns Vorgänger
Bernd Pischetsrieder zu spüren.
Der kam mit dem ruppigen Führungsstil des Patriarchen nicht zurecht. Auch
damals kam die erste Botschaft über ein Zeitungsinterview. Dabei hatte
Piëch Pischetsrieder selbst von BMW in München nach [6][Wolfsburg] geholt
und ihm nach Einschätzung vieler Autoexperten ein wenig durchdachtes
Markenportfolio vererbt. Piëchs enormer Einfluss fußt aber nicht nur auf
seinem Machtbewusstsein, sondern auch auf seiner großen technischen
Expertise. Der gelernte Maschinenbauer startete seine Karriere 1963 bei
Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen.
Seinen Ruf als Konstrukteur erwarb er sich bei Audi in Ingolstadt, wo er
Entwicklungen von der Aluminium-Karosserie in Leichtbauweise bis hin zum
Audi-Quattro-Antrieb vorantrieb – auch wenn nicht alles technisch Machbare
immer einen großen Verkaufserfolg zeitigte. 1988 rückte er an die Spitze
der VW-Tochter, die er zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten von BMW und
Mercedes machte.
## Ein Taktiker
Ein Meisterstück als Taktiker lieferte Piëch, als der VW-Aufsichtsratschef
den Spieß nach der gescheiterten Übernahme von VW durch Porsche umdrehte
und der Wolfsburger Konzern sich schließlich Porsche als zehnte Marke
einverleibte. Angetrieben von der Idee eines Megakonzerns, weitete Piëch
seine Macht in dem Unternehmen, das sein Großvater Ferdinand Porsche
gegründet hatte, systematisch aus. Seit dem Einstieg der Porsche-Holding
als Großaktionär war der Porsche-Miteigentümer Piëch indirekt auch
erheblich an VW beteiligt. Sein Erbe hat er schon vor längerem über zwei
Stiftungen geregelt, die seine Frau Ursula führen soll.
Der Meister des Zweiwortsatzes, wie Piëch wegen seiner sybillinischen
Äußerungen in der Öffentlichkeit genannt wurde, hatte trotz seines hohen
Alters enormen Einfluss in dem Konzern. Kaum eine wichtige Entscheidung
fiel ohne grünes Licht aus Piëchs Büro am Familiensitz in Salzburg. Der
Vater von 13 Kindern wurde in Wolfsburg regelrecht gefürchtet. Privat soll
er jedoch auch ein warmherziger Familienmensch gewesen sein.
27 Aug 2019
## LINKS
[1] /VW-Zwickau-stellt-auf-E-Autos-um/!5617566
[2] /Forderung-nach-radikaler-Verkehrswende/!5618304
[3] /Protest-fuer-Verkehrswende/!5618170
[4] /Dieselaffaere-bei-VW-Tochter-Audi/!5613992
[5] /Umweltaktivistin-ueber-Autobranche/!5612274
[6] /Was-Volkswagen-mit-Wolfsburg-macht/!5611570
## TAGS
Volkswagen
Diesel
Autoindustrie
Wolfsburg
Ferdinand Piëch
Verkehrswende
Ferdinand Piëch
Verkehrswende
Klima
Sommerserie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Klimaaktivismus gegen Volkswagen: In der Höhle des Löwen
Seit Jahren kämpfen Aktivist*innen gegen den Autobauer VW und für eine
Verkehrswende – die jährliche Aktionärsversammlung ist ihr wichtigster
Aktionstag. Was können sie erreichen?
Ehemaliger VW-Chef Ferdinand Piech: Meister Machiavelli
Ferdinand Piëch hat aus Volkswagen den größten Autobauer der Welt gemacht.
Die von ihm geschaffene Angstkultur prägt den Konzern bis heute.
Forderung nach radikaler Verkehrswende: Aktion Autofrei blockiert VW
Klimaaktivisten protestieren 24 Stunden gegen Europas größten Autobauer.
Auch die Zugverbindung und der Mittellandkanal waren gesperrt.
Protest für Verkehrswende: VW-Zug bei Wolfsburg blockiert
Klimaaktivist*innen haben die Auslieferung von Volkswagen-Fahrzeugen
verzögert. Auch die E-Autos, auf die der Konzern setzt, seien keine Lösung.
Was Volkswagen mit Wolfsburg macht: Die klassische VW-Wolfsburg-Familie
VW und Wolfsburg haben die Ehe der Familie Modler begleitet. Auch Konzern
und Stadt haben eine eigene gemeinsame Geschichte.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.