| # taz.de -- Dokumentarfilm „Hitlers Hollywood“: Joseph Goebbels als Auteur … | |
| > Rüdiger Suchsland untersucht in seinem Dokumentarfilm das Kino zur Zeit | |
| > des Naziregimes. Und zeigt: Es gab mehr als nur Propaganda. | |
| Bild: Hilde Krahl in „Großstadtmelodie“ | |
| Ein steiler Titel, keine Frage: „Hitlers Hollywood“, so nennt der | |
| Filmkritiker Rüdiger Suchsland seine zweite Arbeit als | |
| Dokumentarfilmregisseur, nachdem er sich vor ein paar Jahren in „Von | |
| Caligari zu Hitler“ mit dem bekanntesten Werk des Filmkritikers Siegfried | |
| Kracauer beschäftigt hatte. Ein oft zitierter Ausspruch von Kracauer | |
| benennt das Erkenntnisinteresse von Suchslands neuem Film: Was weiß das | |
| Kino, was wir nicht wissen? Diese Frage stellt Suchsland an das Kino zur | |
| Zeit des Naziregimes, an die über 1.000 Filme, die zwischen 1933 und 1945 | |
| in Deutschland gedreht wurden und die seitdem meist pauschal als unsägliche | |
| Propaganda abgetan werden. | |
| Die Standardbeschreibung lautet in etwa: Nach der Machtergreifung sind die | |
| besten deutschen Regisseure nicht nur, aber oft ihrer jüdischen Herkunft | |
| wegen emigriert, ein künstlerischer Aderlass, von dem sich das deutsche | |
| Kino auch jahrelang nach dem Ende der Nazizeit nicht erholte. In | |
| Deutschland wiederum entstanden während dieser Zeit nur Propagandafilme wie | |
| „Triumph des Willens“ oder „Jud Süß“, ein paar populäre Werke wie �… | |
| Münchhausen“ oder „Die Feuerzangenbowle“ finden vielleicht noch Erwähnu… | |
| doch das war’s dann auch. | |
| War es natürlich nicht, wie Suchsland anhand zahlloser Ausschnitte belegt, | |
| mit denen er die filmische Geschichte jener zwölf Jahre Revue passieren | |
| lässt. Und wie abwechslungsreich war das deutsche Kino: Von leichten und | |
| seichten Komödien wie „Kapriolen“ von Gustaf Gründgens und Helmut Käutne… | |
| Revuefilm „Wir machen Musik“ bis zu historischen Dramen wie Hans Steinhoffs | |
| „Robert Koch, der Bekämpfer des Todes“ reichte die Bandbreite, die fraglos | |
| oft, aber beileibe nicht immer auch zu einem Zweck produziert wurden: | |
| Propaganda. Eine heile Welt sollte das Publikum sehen können, das Kino war | |
| gerade jetzt auch ein Mittel zur Weltflucht, eine Traumfabrik. | |
| Doch das ist das Kino, zumindest das Mainstream-Kino seit eh und je | |
| gewesen, und dass die allermeisten Deutschen bis in die 40er Jahre hinein | |
| wenig bis nichts am Hitler-Regime auszusetzen hatten, lässt die | |
| Notwendigkeit von unterschwelliger Propaganda eher unnötig erscheinen. Wenn | |
| da Suchsland, Kracauer zitierend, von unterbewusster Beeinflussung spricht | |
| und Szenen aus „Hitlerjunge Quex“ zeigt, läuft seine These ins Leere: | |
| Subtil ist hier gar nichts, die Propaganda an der obersten Oberfläche zu | |
| erkennen. | |
| Am überzeugendsten ist „Hitlers Hollywood“ immer dann, wenn es unmittelbar | |
| um die Filme geht und sich Suchsland nicht in ebenso steile wie | |
| psychologisierende Thesen über die deutsche Seele versteigt. Im unbedingten | |
| Bemühen, unterschwellige Tendenzen im deutschen Kino jener Zeit zu | |
| entdecken, ist da etwa von einer plötzlichen Todessehnsucht die Rede, die | |
| sich in den Filmen ab 1933 Bahn bricht, als wäre Schwermut in der deutschen | |
| Kunst von Goethe bis Böcklin etwas Neues. Und dass Ironiefreiheit | |
| ausgerechnet für das deutsche Kino der 30er Jahre typisch gewesen sein | |
| soll, scheint zumindest fragwürdig. | |
| Vielversprechender erscheint da die Analyse, Propagandaminister Joseph | |
| Goebbels als Auteur des Kinos jener Zeit zu betrachten, als Mastermind, der | |
| mächtig, wie selbst die größten Hollywood-Produzenten nicht, über die | |
| deutsche Filmindustrie herrschte und – ein Blick in seine umfangreichen | |
| Tagebücher belegt es – erstaunlichen Einfluss ausübte. | |
| Von „Goebbels’ Hollywood“ mag man hier eher sprechen, andererseits möchte | |
| man diesem Mann dann auch nicht das ganze Verdienst am deutschen | |
| Filmschaffen dieser Zeit zuschreiben. Denn wie reich das deutsche Kino zu | |
| dieser Zeit war, gerade auch und vor allem abseits der offensichtlichen und | |
| zu recht verdammten Propagandafilme, das zu zeigen ist das größte Verdienst | |
| dieser Dokumentation. | |
| 23 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Meyns | |
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