# taz.de -- Diversity in den Medien: Wider den blinden Fleck | |
> Viele Redaktionen werden von weißen Männern dominiert. In „Unbias the | |
> News“ schreiben 31 Journalist*innen wie Vielfalt besser gelingen kann. | |
Bild: Afghanische Journalist*innen bekommen nur 30 Euro für ihre Texte? Quatsc… | |
Wer denkt, dass die Krise des Journalismus mit „R“ anfängt und „elotius�… | |
aufhört, sollte das neue Buch „Unbias the News. Warum Journalismus Vielfalt | |
braucht“ des internationalen Journalist*innennetzwerks hostwriter nicht | |
lesen. Für alle anderen ist es eine erfrischend andere Form, sich mit den | |
Erzählungen im Buch auf eine Reise zu den [1][blinden Flecken] in den | |
Redaktionen und in der Berichterstattung zu machen. Objektiv, neutral und | |
unabhängig soll „der Journalismus“ und somit auch die ihn Ausübenden sein, | |
sind es aber in vielen Fällen nicht. Die Anthologie liefert dafür genügend | |
Beispiele. | |
Wenn die freie Journalistin und Hostwriter-Gründerin Tabea Grzeszyk (um nur | |
mal den europäischen Vergleich anzustreben) schreibt, dass die letzten | |
Zahlen aus Großbritannien von 2016 „94 Prozent weiße Journalist*innen, | |
davon 55 Prozent männlich“ ergaben, dann werden die Dimensionen klarer. | |
[2][Dieser Überhang in Redaktionen mache weiße Männer] noch lange nicht zu | |
schlechten Journalisten. Sie könnten jedoch nur einen Teil der Gesellschaft | |
abbilden, da auch Journalisten stereotypisierten Annahmen und unbewussten | |
Vorurteilen ausgeliefert seien. | |
Anfang des Jahres rief hostwriter Journalist*innen der ganzen Welt dazu | |
auf, sich mit Texten an der Publikation zu beteiligen. Entstanden ist ein | |
fabelhaft illustriertes Buch dank der Künstlerin Moshtari Hilal und einem | |
Kaleidoskop an journalistischen Stimmen von 31 Autor*innen von Ägypten | |
über Madagaskar bis Tadschikistan. | |
Die brasilianische Journalistin Pricilla Pacheco schreibt beispielsweise | |
darüber, wie eine schwächelnde Internetverbindung an ihrem Wohnort am | |
Stadtrandgebiet ihre Arbeit erheblich belastet. Empörende, manchmal | |
tieftraurige, aber letztendlich Mut machende Erfahrungen sind das, die der | |
Leser*in keine Antwort, aber den Blick öffnen für dieses Berufsfeld, in dem | |
es für Journalistinnen manchmal besonders hart ist, weil sie nicht nur im | |
Internet, sondern auch konkret am Arbeitsplatz gegen Sexistisches ankämpfen | |
müssen. | |
„Raubtiere im Newsroom“ nennt die indische Journalistin Anuradha Sharma | |
ihren Bericht aus zehn Jahren Berufserfahrung in Redaktionen und fragt | |
sich, wo sie wohl heute wäre, hätte sie nicht ständig sexuelle | |
Belästigungen und eine stetige Behinderung durch männliche Kollegen | |
ertragen müssen. | |
## Eine Reise im Zickzack | |
So drehen sich einige Texte im Buch auch darum, was es heißt, in einem | |
überwiegend von männlichen Hierarchien geprägten Berufsfeld sein Geld zu | |
verdienen. Texte, die unbequeme, aber wichtige Fragen aufploppen lassen: | |
Wie ist es wohl, wenn du als Freiberuflerin gerade ein Baby bekommen hast | |
und schon wieder arbeiten musst, weil du sonst keine Aufträge mehr | |
bekommst? Weißt du, wie es sich anfühlt, als nichtbinäre Person zu leben | |
und zu arbeiten? Weißt du, wie ein Journalist im Rollstuhl arbeitet? | |
Der freie Journalist Emran Feroz schreibt von seinen Erfahrungen mit | |
deutschen Redaktionen, die ihm unter anderem für eine Geschichte 30 Euro | |
anbieten, „weil man Afghanen eben so viel zahlt“. Dass das erstens faktisch | |
nicht stimmen kann und zweitens Feroz Austro-Afghane ist, um genau zu sein | |
– das tut dann schon fast weh, diese Überheblichkeit an der Seite von Feroz | |
mitzuerleben. | |
Die Reise durch die Welt des Journalismus verläuft im Zickzack. Oft weiß | |
die Lesende nicht, in welchem Zusammenhang die Texte oder die Autor*innen | |
oder ihre Herkunftsländer zueinander stehen und warum sie in dieser | |
Anthologie ihren – zugegeben berechtigten – Platz haben. | |
Aber das tut der Freude am Lesen keinen Abbruch. Denn sogar ein | |
gelegentlicher Auslandskorrespondent wie der amerikanische Journalist | |
Daniel Bates darf sich Gedanken zu seiner Profession machen und darüber, | |
was es heißt, als weißer Mann irgendwo auf der Erde aufzuploppen und von | |
dort zu berichten. Die haben es auch nicht immer einfach. Am besten, alle | |
weißen Männer im Journalismus lesen dieses Buch. Alle anderen, die die | |
blinden Flecken im Journalismus schon vor dem Skandal mit dem R im Namen | |
erkannt und gesehen haben, lesen das kurzweilige Buch sowieso. | |
3 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Ebru Tasdemir | |
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