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# taz.de -- „Saure Gurke“ für Sexismus: Ausgepreist
> Die „Saure Gurke“ wird abgeschafft. Der Negativpreis für Sexismus im
> Rundfunk sei überholt, lautet die Begründung, die verwundert.
Bild: Unpopuläre Trophäe
Wer im Radio und Fernsehen weibliche Klischees bediente oder durch
sexistische Berichterstattung auffiel, musste seit 1980 damit rechnen, die
„Saure Gurke“ verliehen zu bekommen. Einen internen Negativpreis in den
öffentlich-rechtlichen Sendern, verliehen von deren Mitarbeiterinnen. Fast
40 Jahre lang gab es jedes Jahr einen Gewinner – Waldemar Hartmann bekam
ihn mal, SDR-Chef Ernst Elitz, Jochen Busse und Mike Krüger. Der Preis
diente dazu, zu zeigen, wie Sexismus funktioniert und wie eingebrannt er im
gesellschaftlichen Umgang ist. Umso erstaunlicher, dass die „Saure Gurke“
ab sofort nicht mehr vergeben werden soll – und mit welcher Begründung.
Dass der Preis abgeschafft wird, wurde Anfang November auf dem
Herbsttreffen der Medienfrauen verkündet. Er hätte sich überholt, heißt es.
Ein neues Instrument, das die Korrektivfunktion der „Gurke“ ersetzend
erfüllen könnte, gibt es bislang ebenfalls nicht.
„Wie kann sich satirische Selbstkritik überholen?“, fragt dagegen eine
Journalistin vom WDR, die nicht einverstanden ist mit der Entscheidung.
Ihren Namen will sie aber nicht nennen, aus Angst vor Nachteilen.
Noch im vergangenen Jahr zeigte sich: Der Preis kann etwas bewegen. Die
„Saure Gurke“ 2018 bekam ZDF-Sportreporter Martin Wolff. Der hatte
Angelique Kerber nach ihrem Sieg in Wimbledon interviewt und sich weniger
für die Leistung der Topathletin als für ihr Flirtverhalten interessiert.
Mit welchen Finalisten Kerber am liebsten tanzen gehen würde, fragte er.
Wolff hat sich als Reaktion auf den Preis entschuldigt. „Die Frage nach den
Flirts – ein Fehlgriff“, sagte er.
## Soziale Medien sind schneller
Weniger einsichtig war der Preisträger 2017, Claus Kleber vom ZDF. Er hatte
Maria Furtwängler in einem Interview unterstellt, sie wolle das Publikum
umerziehen. Furtwängler hatte darauf hingewiesen, dass auf jede Frau in
Film und Fernsehen zwei Männer kommen.
Dieses Jahr jedoch wurde niemand geehrt. „Die ,Saure Gurke' wird in den
wohlverdienten Ruhestand geschickt“, sagt Sinaida Thiel,
Gleichstellungsbeauftragte des HR. Thiel hatte das mit den
Gleichstellungskolleginnen von ARD, ZDF, Deutsche Welle und Deutschlandfunk
entschieden – die „Saure Gurke“ passe als Negativpreis nicht mehr in die
Zeit. „Besser wäre es, das Hilfreiche, das Mutmachende auszuzeichnen“, sagt
Thiel der taz. In den sozialen Medien werde viel schneller auf
antifeministische Ausfälle regiert. „Die ,Saure Gurke' greift dann Monate
später einen Vorfall noch mal auf, der längst vergangen ist.“
„Das verstehe, wer will“, sagt die WDR-Journalistin, die auf dem
Medientreffen war und die ganze Veranstaltung als unpolitisch bezeichnete.
„So was in einer Zeit abzuschaffen, wo sich männerdominierte Strukturen
eher wieder neu verfestigen.“ Frauen würden aus den Parlamenten gedrängt –
und bei den öffentlich-rechtlichen Sendern gelte es schon als Erfolg, wenn
von zwölf Intendanzen drei mit Frauen besetzt seien.
Ihr sei insbesondere aufgestoßen, dass das Anprangern von sexistischen
Ausfällen in Kontrast gebracht werde zu rassistischen. Man könne das doch
nicht gegeneinander ausspielen.
Sinaida Thiel widerspricht. Die Veranstaltung sei sehr politisch gewesen.
„Yoga-Kurse gab es keine.“ Stattdessen wurde darüber referiert, warum
Frauen immer noch weniger Geld als Männer verdienen. Und Intersektionalität
– dass eine Frau also aufgrund von mehr als nur ihrem Geschlecht
ausgegrenzt werden kann – sei auf dem Herbsttreffen ein Thema gewesen. Die
Herangehensweise an Feminismus sei in den Sendern bisher ausgesprochen
bürgerlich gewesen, meint Thiel. „Da machen weiße Frauen aus ihrer
Perspektive auf Sexismus aufmerksam.“ Die verschiedenen Hintergründe von
Frauen, sei es Hautfarbe, Behinderung, Geschlechtsidentität, Alter müssten
ebenso wahrgenommen werden.
Auf den Einwand, dass die, die auf dem Rassismusticket fahren, wie etwa die
AfD oder die FPÖ, als erstes Frauenrechte beschneiden und patriarchale
Familienbildern propagieren und daher sämtliche Korrektive in den Medien
gebraucht würden, antwortet sie noch einmal, die „Saure Gurke“ sei passé.
„Und Veränderung ist eben immer schwierig“.
14 Nov 2019
## AUTOREN
Waltraud Schwab
## TAGS
Sexismus
Journalismus
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk
Medien
Diversity
Frauen
Cybermobbing
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