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# taz.de -- Diversität von Kunst: Nie wieder „Keine Farbigen“
> Londons Galerien und Museen machen ihre Sammlungen vielfältiger. Drei
> Ausstellungen wollen die Sichtbarkeit Schwarzer Menschen verbessern.
Bild: Schwarzes Selbstporträt: „Self-Portrait in Mirror“
LONDON taz | „Ich wünsche mir, dass die Fotos dieser Ausstellung bald Teil
der ständigen Ausstellung des Museums werden“, sagt Martha Weiss, 40, eine
der beiden Kuratorinnen der Fotoausstellung „Staying Power“. „Staying
Power“ geht es laut Mitkuratorin Kimberly Keith „um späte Gerechtigkeit,
denn bisher konnte man nur wenige Fotos schwarzer und ethnischer Gruppen
sehen“.
Insgesamt umfasst die [1][„Staying Power“-Ausstellung] – der Name richtet
sich nach Peter Freyers umfangreichem historischen Werk über Menschen
afrikanischer Herkunft in Großbritannien – 118 Fotos von 17 Fotografen aus
der Zeit zwischen 1950 und 1990, aufgegliedert in die zwei Ausstellungsorte
Victoria and Albert Museum (V&A) und Black Cultural Archive (BCA) – einem
neuen Zentrum zur „geschichtlichen und kulturellen Aufnahme schwarzer
Menschen in Großbritannien“. Sieben Jahre arbeiteten Weiss und Keith daran,
diese Fotos ausfindig zu machen, zusammen mit Tonaufnahmen und Sammlungen.
Besonders der Raum im BCA bezieht sich explizit auf politische Momente,
etwa die Aufstände von 1981, aber auch eine Szene aus dem gleichen Jahr mit
drei begeisterten Jugendlichen, Fans der Ska-Band Specials, bei einem
Musikfest gegen Rassismus, aufgenommen von Syd Shelton, dem Mitbegründer
und Fotografen der „Rock Against Racism“-Musikfeste.
Ein weiterer englischer Fotograf ohne afrikanischen Hintergrund ist Colin
Jones. Er fotografierte zwischen 1972 und 1976 Besucher des Nordlondoner
„Black House“, wo sich Londons Schwarze politisierte Jugend traf.
## „Teil vieler rassistischer Beleidigungen der Zeit“
Offizieller Fotograf der Black Panthers in London war jedoch der Fotograf
und Aktivist Neil Kenlock, selbst gebürtiger Jamaikaner. 1972 fotografiert
er die junge Sekretärin Barbara Gray vor dem Eingang des „Internationalen
Angestelltenbüros“ in Balham, einem Trainingszentrum, um die Jobchancen
junger Schwarzer Frauen zu verbessern. Gray deutet im schicken
70er-Jahre-Bürokleid auf die Tür hinter sich. Auf diese haben
Rechtsradikale „Keep Britain White!“ geschmiert.
Auch das Bild einer typischen Wohnungsanzeige im Anzeigenfenster eines
Zeitungs- und Tabakwarenladens in Notting Hill, anno 1954, fehlt nicht:
„Drei Zimmer, K + B, nur für Ehepaare, keine Farbigen. Tel Pad 6211“ steht
da. Als der Fotograf Charlie Phillips dieses Foto aufnahm, war er erst
zwölf Jahre alt: „Es ist Teil vieler rassistischer Beleidigungen und
Angriffe der Zeit, viele mit der Botschaft, dass wir in ’unser verdammtes
Land‘ zurückgehen sollten“, hört man Phillips das Bild kommentieren.
## Protest mit Humor
In der V & A hängen ebenfalls Fotos von Normski, Phillips und Kenlock.
Statt um Politik geht es auf ihnen ums Familienleben der 60er und 70er
Jahre: Szenen in der Kirche, in Hinterzimmern, HipHop-Girls, gestellte
Wohnzimmerszenen mit Familienmitgliedern in bester Kleidung. Kuratorin
Keith erklärt, dass der Unterschied der Fotos zwischen der V & A und dem
BCA pragmatisch war – der Raum der BCA ist viel kleiner –, sich aber auch
an der Umgebung orientierte. Das BCA liegt im Herzen Brixtons, immer noch
einer der zentralen Orte des afrikanisch-karibischen Lebens in London.
Trotzdem sind die Fotos in der V & A nicht weniger provokativ. Zum Beispiel
die Aufnahmen von Liebesbeziehungen zwischen den Fronten der Hautfarben.
Mit in der V & A-Kollektion sind die Bilder Yinka Shonibares, der sonst
gern mit den als „typisch afrikanisch“ geltenden Festtagsstoffen arbeitet.
Er hat sich mit Szenen des britischen Malers und satirischen Zeichners
William Hoggart in das Viktorianische Zeitalter versetzt, „den Höhepunkt
des Imperialismus“, wie er sagt. In der Serie „Diary of a Victorian Dandy“
sieht man ihn als Aristokraten in lebensgroßer Dimension in verschiedenen
Tagesszenen, inklusive einer wilden Sexorgie. Shonibare ist dabei die
einzige Person mit afrikanischem Hintergrund. „Ich wollte meinen Protest
nicht wie viele andere mit Bitterkeit, sondern mit Humor darstellen“,
erklärt er dazu.
## Spuren Schwarzen Lebens in den Zwischenkriegsjahren
Parallel zu „Staying Power“ versucht auch die Tate Britain sich der
mangelhaften Repräsentation Schwarzer Menschen zu stellen. „Bei den
zeitgenössischen Kunstwerken ist das weniger ein Problem“, meint die
dortige Kuratorin Emma Chambers. Die Tate-Ausstellungen müssten seit Jahren
schon die divergente Gesellschaft Londons widerspiegeln. Davor sei es
jedoch oft schwierig. So hat man zwei Expertinnen, Caroline Bressey und
Gemma Romain, gebeten, nach Spuren des Schwarzen Lebens in London in den
Zwischenkriegsjahren (1919–1939) zu suchen. Genau zur Zeit der
Harlem-Renaissance der USA. Gab es Ähnliches in London?
Durch detaillierte Archivforschung kamen tatsächlich Aktivitäten ans Licht,
die sich um Bloomsbury, das akademische Viertel Londons, konzentrierten. An
der Slate-Kunstschule sowie in vielen kleinen Studios gab es hin und wieder
Schwarze Models. Einige dieser Porträts von ehemaligen Kunststudenten
finden sich nun in der Tate wieder: ein älterer, gepflegt aussehender Mann
mit ernstem Blick, eine ärmlich gekleidete mittelalte Frau und ein
eleganter junger Mann im Anzug, Krawatte und Seidentuch – alle sind ihren
physischen Merkmalen nach im weitesten Sinne afrikanischer Abstammung.
## Alternative Cafés und Clubs wider den latenten Rassismus
In anderen Bildern und Fotos spiegelt sich die lokale Schwarze Kunstszene
wider, wie im West End, wo unter anderen die „Harlem-Jazz-Königin“ Florence
Mills (1896–1927) auftrat. Wegen des latenten Rassismus in London, gerade
gegen Showkünstler, bildeten sich alternative Cafés und Nachtclubs heraus,
wie etwa der kurzlebige London Shim Sham Club, von dessen Eröffnung eine
damalige Zeitungsseite mit mehreren Fotos der verschiedenen Entertainer und
VIPs ausgestellt ist. Auch Aufnahmen der Fotografin Barbara Ker-Seymers
(1905–1993) von ihren Freunden und Bekannten geben einen nahezu privaten
Einblick in das Leben Schwarzer Künstler dieser Jahre.
Im Café der BCA sitzt eine etwa 45-jährige Besucherin der Ausstellung. „In
der Schule erlebte ich noch viel Rassismus wegen meiner Hautfarbe“, erzählt
sie. Sie ist nach der Besichtigung von „Staying Power“ in der BCA zufrieden
und meint erleichtert: „Man sieht, dass sich die Zeiten geändert haben.“
Das gilt heute auch für Museen und Galerien.
11 May 2015
## LINKS
[1] http://www.vam.ac.uk/page/s/staying-power/
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
London
Fotografie
Museen
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Kunstmarkt
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