# taz.de -- Deutschlands Klimaziel für 2020: Versprechen offiziell gebrochen | |
> Deutschland verfehlt sein Klimaziel für 2020 um 100 Millionen Tonnen CO2. | |
> Die Emissionen sinken um 32 statt 40 Prozent. Die Gründe sind vielfältig. | |
Bild: Schön im Sonnenuntergang, aber schmutzig: Braunkohlekraftwerk Neurath in… | |
BERLIN taz | Deutschland setzt eine schlechte alte Tradition fort: Es | |
verfehlt sein Klimaziel deutlich. Nach dem Desaster von 2005 (statt minus | |
25 nur minus 15 Prozent) scheitert die Bundesregierung jetzt auch offiziell | |
am Ziel für 2020: Um mindestens 8 Prozentpunkte wird Deutschland seine | |
Vorgabe unterlaufen: Statt um 40 Prozent werden die Emissionen im Vergleich | |
zu 1990 bestenfalls um 32 Prozent sinken. Das ist der Kern des | |
„Klimaschutzberichts“, der am Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen und im | |
Bundestag debattiert wurde. | |
Demnach blies Deutschland 2017 etwa 905 Millionen Tonnen des Klimagifts | |
Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre. Diese Emissionen sind seit 2011 | |
praktisch nicht gesunken und seit 2014 sogar wieder gestiegen. 2020 wird | |
die Bundesrepublik etwa 100 Millionen Tonnen CO2 mehr ausstoßen als | |
versprochen – so viel wie das Jahresbudget von Belgien. | |
„In der Klimapolitik hat es in der Vergangenheit Versäumnisse gegeben, die | |
man nicht in kurzer Zeit wettmachen kann“, kommentierte | |
SPD-Umweltministerin Svenja Schulze. „Wir müssen dringend wieder auf Kurs | |
kommen, wir brauchen klare und verbindliche Vorgaben für jeden Bereich. Das | |
Gute ist, dass wir die Instrumente kennen, die zum Ziel führen – | |
erneuerbare Energien oder Elektromobilität zum Beispiel.“ | |
Aber gerade bei der Umsetzung dieser Maßnahmen hapert es, belegt der | |
Bericht. Denn seit 2014 versucht die Regierung vieles, um die Lücke zum | |
2020-Ziel zu schließen – allerdings mit wenig Erfolg, wie sie jetzt | |
eingesteht: Ein „Aktionsplan Energieeffizienz“ brachte nur 26 statt 30 | |
Millionen Tonnen, das Programm „Klimafreundliches Bauen“ schaffte nur 3,8 | |
statt 10 Millionen, der Verkehr nur 2 von 10 Millionen. Statt der erhofften | |
62 bis 78 Millionen Tonnen sparten die Sondermaßnahmen nur 52 Millionen | |
ein, heißt es. | |
## Größere Lücke befürchtet | |
Die Gründe für das Versagen: Die Maßnahmen wurden überschätzt, Wirtschaft | |
und Bevölkerung wuchsen stärker als angenommen. Vor allem aber wurden die | |
Maßnahmen nicht so umgesetzt wie erhofft, am schwächsten beim Verkehr. Und: | |
„Aktuelle Trends bei Wirtschaftsleistung und Verkehr lassen befürchten, | |
dass die Lücke sogar noch größer als die derzeit geschätzten 8 | |
Prozentpunkte ausfallen wird.“ | |
Das national festgelegte 40-Prozent-Ziel zu verpassen ist für Deutschland, | |
den selbsternannten Vorreiter beim Klimaschutz und Vorturner der | |
Energiewende, nur peinlich – beim EU-Ziel wird die Zielverfehlung auch noch | |
teuer. Statt der minus 14 Prozent bis 2020 gegenüber 2005, die Deutschland | |
in Brüssel versprochen hat, werden es wohl nur 11 Prozent. Und für diese | |
Lücke muss der Finanzminister Geld auftreiben, mit dem von anderen | |
EU-Staaten Emissionsrechte gekauft werden. Der Preis ist noch ungewiss. | |
Umweltministerin Schulze erklärte im Bundestag, der Bericht sei „keine | |
Bankrotterklärung“, sondern zeige auch, „was wir schon erreicht haben“. | |
Dafür gab es heftigen Widerspruch aus Opposition und Umweltverbänden. Für | |
Lorenz Gösta Beutin, Klimapolitiker der Linken, ist der Bericht ein | |
„Offenbarungseid klimapolitischer Tatenlosigkeit“. Michael Schäfer vom WWF | |
fragte angesichts der Hitzerekorde im April und Mai: „Was muss denn noch | |
passieren, damit die Regierung ihre eigenen Beschlüsse ernst nimmt?“ Und | |
der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger, Mitglied in der „Strukturkommission“ | |
zum Kohleausstieg, mahnte, die kommenden Monate würden zum Testfall für die | |
Glaubwürdigkeit der Politik. | |
Am anderen Ende der Welt jedenfalls sind die Auswirkungen der Erderwärmung | |
sehr deutlich zu spüren. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass der | |
Eispanzer der Antarktis immer schneller schmilzt – in den letzten 5 Jahren | |
fast dreimal so schnell wie vorher. | |
13 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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