# taz.de -- Demonstration gegen rechts in München: „Die AfD hat Angst vor un… | |
> Die Münchner lassen die Theresienwiese in einem Meer aus Lichtern | |
> erstrahlen – gegen Hass und Rechtsextremismus. | |
Bild: Mehr als hunderttausend Menschen bei der Kundgebung auf den Theresienwies… | |
MÜNCHEN taz | Auf der kleinen Bühne in der Mitte der Theresienwiese stehen | |
gerade Maurice Conrad, Bruneau und Mondmann und bestreiten einen Teil des | |
musikalischen Programms, mit dabei haben sie auch den Anti-AfD-Song „Hand | |
in Hand“. „Schau dich um“, rappen sie, „denn für jeden deiner Zweifel | |
stehen hier hundert Menschen ab jetzt dicht an deiner Seite.“ Passt. | |
Doch der Auftritt der Musiker muss kurz unterbrochen werden. Diese | |
Nachricht der Veranstalter ist zu wichtig, die Teilnehmerzahl ist raus: | |
„Wir sind 300.000“, lassen sie Menschen wissen, die sich auf der | |
Theresienwiese versammelt haben, um Gesicht zu zeigen gegen Hass, | |
Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus et cetera. Gegen all das, was | |
gerade in diesem Land wieder en vogue zu werden scheint. | |
300.000! Der Jubel ist groß angesichts dieser überwältigenden Zahl, die | |
schon verdächtig nahe an die Teilnehmerzahl der legendären Lichterkette von | |
1992 kommt. 400.000 Menschen waren damals gekommen. Die Polizei freilich | |
wird am Ende dieses Abends gerade mal von 75.000 bis 100.000 Menschen | |
sprechen, laut Oberbürgermeister Dieter Reiter waren es mehr als 100.000. | |
Man kennt das schon. Die angegebenen Teilnehmerzahlen klafften zuletzt | |
[1][bei einigen der Anti-Hass-Veranstaltungen] deutlich auseinander. Auch | |
vor drei Wochen bei der Demonstration am Siegestor sprachen die | |
Veranstalter von etwa 320.000 Demonstrantinnen und Demonstranten, auch | |
damals wollte die Polizei lediglich ein Drittel davon gesehen haben. Bei | |
einer Großdemo in Hamburg Mitte Januar hatte die Polizei eine | |
Teilnehmerzahl von 50.000 genannt. Nach einer Nachprüfung der Innenbehörde | |
waren es dann 180.000. | |
## „Remigriert euch ins Knie!“ | |
In jedem Fall sind es viele, verdammt viele, die sich hier am Fuße der | |
Bavaria auf der Wiese versammelt haben, auf der jeden Herbst das | |
Oktoberfest stattfindet. Besonders beeindruckend muss der Anblick von der | |
Bühne aus sein, was Veranstalterinnen und Künstler auch nicht müde werden | |
zu betonen: „Ich war auf vielen Demos, aber das hier ist anders“, sagt | |
einer der Aktivistenmusiker. Oder: „Ihr seht so gut aus, das ist insane.“ | |
Von allen Seiten sind die Menschen herbei geströmt, vom Hauptbahnhof, von | |
der Schwanthalerhöhe, dem Sendlinger Tor, der Poccistraße. Sie haben sich | |
weihnachtliche Lichterketten um den Körper geschlungen, tragen Stirn- und | |
Taschenlampen mit sich, jede Menge elektrische Laternen, leuchtende | |
Luftballons und was sonst so glitzert und hell macht. Und natürlich | |
schwenken sie jede Menge Smartphones. Offenes Feuer ist wegen der Vielzahl | |
der Menschen verboten, aber die Fantasie der Demonstrierenden ist groß. | |
Einige tragen Mützen mit integrierten elektrischen Kerzen. | |
Dazu die Schilder und Fahnen. „Remigriert euch ins Knie!“, steht auf einer | |
Pappe, „Kunterbunt statt kackbraun“ auf einer anderen. Jemand schwenkt die | |
„Pace“-Flagge, andere halten Schilder in die Höhe, auf denen „ekelhAfD“ | |
steht. Oder: „Liberté, Egalité, FCKAFD“. Oder einfach nur: „Nö“. | |
Über manchen Köpfen fliegen Seifenblasen, und ein paar ältere Damen | |
flanieren mit weißen Regenschirmen vorbei. „Omas gegen rechts“ steht auf | |
den Schirmen. Zu dem „Lichtermeer für Demokratie“ hatten Fridays for Future | |
und ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis aufgerufen. „Wir lassen | |
nicht zu, dass Menschen in unserem Land ausgegrenzt und verfolgt werden“, | |
hieß es in dem Aufruf. „Wir wehren uns gegen Rechtsextremismus und | |
widerwärtige Deportationsfantasien. Die schweigende Mehrheit schweigt nicht | |
länger!“ | |
## Es geht um den Minimalkonsens | |
Das Programm ist bewusst überschaubar gehalten, vor allem Musik war im | |
Vorfeld angekündigt. Vor den Rappern hatte sich bereits der ostfriesische | |
Singer-Songwriter Enno Bunger ans Klavier gesetzt. Und die jungen | |
Klimaaktivistinnen Johannes und Julia haben ein Ständchen angestimmt und | |
gemeinsam mit den Demonstrierenden gesungen: „Wehrt euch, leistet | |
Widerstand, gegen den Faschismus hier im Land!“ | |
Ein paar Sachen will aber auch die Journalistin und Zivilpolitikerin Düzen | |
Tekkal, die durch die Veranstaltung führt, dann doch loswerden: Es gehe | |
hier nicht um Partikularinteressen dieser oder jener Gruppe, sondern um | |
einen Minimalkonsens. Alle seien da, um sich dem Menschenhass der | |
Rechtsextremisten entgegenzustellen: Konservative, Bürgerliche, Linke. | |
„Dafür muss man nicht links sein, dafür muss man Mensch sein.“ Nach der | |
[2][Großdemo am Siegestor] war verschiedentlich Kritik lautgeworden, dass | |
die heterogene Menge von sehr linken Aktivisten für ihre Ziele vereinnahmt | |
worden war. | |
Und jetzt: „Ein Lichtermeer von Liebe und Zusammenhalt“, wie es Tekkal | |
beschreibt. Sie warnt aber auch: „Wir brauchen alle noch einen sehr langen | |
Atem im Kampf gegen den Rechtsextremismus und die AfD.“ Es reiche nicht, | |
nur dagegen zu sein, sagt sie unter großem Applaus und erinnert auch an die | |
[3][Menschen, die in ostdeutschen Kleinstädten] gegen die AfD auf die | |
Straße gingen, wozu man mehr Mut aufbringen müsse. Ein „Muskeltraining für | |
Demokratie und Freiheit“ sei das, was hier gerade auf der Theresienwiese | |
stattfinde. „Die AfD hat Angst vor uns“, sagt Tekkal und fordert: „Holen | |
wir uns dieses Land zurück.“ | |
Am Ende singt die Menge: „Wir, wir, wir sind die Brandmauer.“ | |
12 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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