# taz.de -- Demonstration gegen rechts in München: Es werde Licht | |
> Am Sonntagabend soll in München ein Lichtermeer erstrahlen – gegen Hass | |
> und Hetze. Ähnlichkeiten mit einer Aktion vor 30 Jahren sind nicht | |
> zufällig. | |
Bild: Teilnehmer der nächtlichen Lichterkette am Nikolaustag 1992 in München | |
MÜNCHEN taz | München leuchtete. Es war der Nikolaustag 1992, 17 Uhr. Die | |
Kirchenglocken läuteten. Und die Münchnerinnen und Münchner gingen auf die | |
Straße. Die Bilder liefen um die Welt: Wie die Menschen am Altstadtring | |
Spalier standen mit ihren Kerzen in der Hand. Dasselbe an den | |
Ausfallstraßen. Ludwigsstraße, Schwanthalerstraße, Rosenheimer Straße und, | |
und, und … | |
Aus der Luft betrachtet ergab sich ein sternförmiges Bild. 400.000 Frauen, | |
Männer und Kinder sollen es gewesen sein. Senta Berger war dabei, Thomas | |
Gottschalk, Mehmet Scholl – die Münchner Prominenz der damaligen Zeit eben. | |
Aber vor allem – so überstrapaziert und instrumentalisiert die Vokabel | |
mittlerweile sein mag – die ganz normalen Münchner. [1][Eine größere | |
Demonstration hat es im Nachkriegsmünchen nicht gegeben]. Wären nicht so | |
viele in der S-Bahn steckengeblieben, wären es noch viel mehr gewesen, | |
heißt es. | |
„München – eine Stadt sagt nein“, lautete das Motto der längst legendär | |
gewordenen Münchner Lichterkette. Ein Nein zu Rassismus und | |
Fremdenfeindlichkeit war gemeint. Der Mordanschlag gegen türkische Familien | |
in Mölln lag gerade mal zwei Wochen zurück, wenige Monate zuvor hatten | |
Rechtsextreme unter dem Beifall Tausender ein von Vietnamesen bewohntes | |
Wohnheim [2][in Rostock-Lichtenhagen in Brand gesetzt]. | |
Eine Handvoll Privatleute, darunter der heutige Zeit-Chef Giovanni di | |
Lorenzo, hatte die Lichterkette organisiert. Die Aktion setzte den | |
mörderischen Attacken, die damals in ganz Deutschland verübt wurden, kein | |
Ende, der Anschlag von Solingen etwa fand im Folgejahr statt. Aber sie | |
setzte sich im kollektiven Gedächtnis der Stadt fest, prägt bis heute. | |
Nicht wenigen älteren Münchnern schwillt noch immer stolz die Brust, wenn | |
sie an diesen Abend denken. | |
## „Lichtermeer für Demokratie“ | |
„Wir wollten eine Demonstration organisieren für Menschen, die sonst nicht | |
auf Demonstrationen gehen“, wurde di Lorenzo später in der Welt zitiert. | |
„Wir wollten wissen, wo die schweigende Mehrheit steht.“ | |
Darum geht es auch in diesen Tagen wieder. Wo steht die schweigende | |
Mehrheit? Und so war es nicht völlig überraschend, dass sich so manche an | |
die erfolgreiche Aktion von vor über 30 Jahren erinnerten. Am Sonntag nun | |
sollen die Münchnerinnen und Münchner wieder zu den Kerzen greifen. Ein | |
„Lichtermeer für Demokratie“ soll am Abend die Theresienwiese überfluten, | |
die Organisatoren erhoffen sich ein eindrückliches Zeichen gegen Rassismus, | |
Antisemitismus und Hetze. | |
Mit 20.000 bis 30.000 Menschen rechnet das Kreisverwaltungsreferat derzeit. | |
In derselben Größenordnung lagen die Schätzungen allerdings auch vor drei | |
Wochen für die „Demo gegen Rechts“ am Siegestor. Am Ende wurden es über | |
100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, [3][manche Schätzungen gehen sogar | |
von 300.000 aus]. Weil es zu viele waren, musste die Demo schließlich | |
vorzeitig abgebrochen werden. | |
Und das Lichtermeer auf der Theresienwiese soll nur der Anfang sein. | |
Ähnliche Aktionen sind im Anschluss in ganz Bayern geplant. Zu den | |
Initiatoren gehört – wie bei der Demo am Siegestor – [4][Fridays for | |
Future]. Der Ansatz soll allerdings ein völlig anderer sein. Wie seinerzeit | |
bei der Lichterkette sollen Menschen zusammenkommen, die sich trotz sehr | |
unterschiedlicher politischer Meinungen auf einen Grundkonsens in Sachen | |
Anstand, Moral und Respekt einigen können. | |
Bei der Demo am Siegestor gab es am Ende kontroverse Diskussionen, da sich | |
etliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer für eine allzu linke Sache | |
vereinnahmt fühlten. Als „gegen rechts“ war die Veranstaltung angekündigt | |
worden; aber während die meisten unter „rechts“ in diesem Fall den | |
Rechtsextremismus meinten, der gerade durch den Erfolg der AfD einen | |
massiven Aufwind erfährt, subsumierten andere unter dem Begriff auch die | |
Union oder sogar die Ampelparteien. | |
## Musik und Licht für ein breites Bündnis | |
„Aiwanger kommt nicht zur Demo #GemeinsamGegenRechts am Sonntag – gibt’s … | |
bessere Werbung?“, postete etwa die Linksaktivistin Lisa Poettinger auf X. | |
„Aber was wollen CSU-Politiker:innen vor Ort? Als Versammlungsleiterin kann | |
ich sagen, dass ich gar keinen Bock auf Rechte jeglicher Couleur habe!“ Auf | |
der Bühne hielt sie dann noch ein Schild mit der Aufschrift „AfD hetzt * | |
Ampel setzt um“ in die Höhe. | |
Schließlich wurden die Demonstrantinnen und Demonstranten, die gekommen | |
waren, um ihre Stimme gegen Hass und Hetze zu erheben, von den | |
Organisatoren auch noch aufgefordert zu skandieren: „Ganz München hasst die | |
AfD.“ Ein Ansinnen freilich, dem die wenigsten nachkamen. | |
Auf der Theresienwiese nun soll so etwas nicht mehr vorkommen. Man wolle | |
„ein Meer aus Licht gegen das Dunkel von Hass und Hetze, Rassismus und | |
Antisemitismus“ bilden, heißt es in dem Demonstrationsaufruf. „Wir lassen | |
nicht zu, dass Menschen in unserem Land ausgegrenzt und verfolgt werden. | |
Wir wehren uns gegen Rechtsextremismus und widerwärtige | |
Deportationsfantasien. Die schweigende Mehrheit schweigt nicht länger!“ | |
## Der größt mögliche Minimalkonsens | |
Und Luc Ouali von Fridays For Future erklärt in der Abendzeitung: „Es geht | |
darum, den größten möglichen Minimalkonsens herauszustellen: dass die | |
Menschenwürde unantastbar ist.“ Die Reminiszenz an die [5][Lichterkette von | |
1992] ist allerdings beabsichtigt: „Wir wollen genauso ein Zeichen setzen, | |
die ganze Stadt soll ein Zeichen setzen.“ | |
Entsprechend sollen diesmal auch keine Reden im Mittelpunkt stehen. | |
Stattdessen gibt es Musik und Licht. Unter den weiteren Veranstaltern | |
befinden sich auch das Bellevue di Monaco, der Verein „München ist bunt“ | |
und – Lichterkette e. V., der Verein, der sich aus der ursprünglichen | |
Lichterkette gegründet hatte und weiterhin für Projekte gegen Rassismus und | |
Rechtsextremismus einsetzt. | |
Ursprünglich war auch diesmal eine Lichterkette ganz im Stil der früheren | |
Aktion angedacht. Doch dann verwarfen die Initiatoren die Idee wieder und | |
entschieden sich für das „Lichtermeer“. Unter den FAQ auf der Website von | |
Lichterkette e. V. findet sich auch die Frage: „Warum organisiert der | |
Verein keine Lichterketten-Demonstrationen mehr?“ Die Antwort lautet: „Wir | |
finden, dass ein so großes und bewegendes Zeichen nicht wiederholbar ist | |
und für sich stehen bleiben sollte.“ | |
8 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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