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# taz.de -- Demokratieabbau in Polen: Nun sogar hinter Ungarn
> Seit Jahren legt die PiS-Regierung die Axt an Polens Rechtsstaat. In
> einem neuesten Demokratie-Ranking belegt das Land nun den letzten Platz.
Bild: Die Zivilgesellschaft in Polen begehrt auf: Protest zum Frauentag in Wars…
Warschau taz | Wieder ein Negativ-Rekord für Polen: Vor ein paar Tagen erst
fand sich Polen auf der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne
Grenzen“ auf Platz 64 von insgesamt 180 weltweit wieder, dem schlechtesten
Platz, den das freie Polen jemals auf der Rangliste einnahm.
Doch es geht noch tiefer: Im jährlichen Demokratie-Ranking der 29 „Nations
in Transit“ Mittelosteuropas und Zentralasiens, den der amerikanische
Thinktank „Freedom House“ gerade veröffentlicht hat, rutschte Polen auf den
letzten Platz ab. Kein anderer der insgesamt 29 Staaten betrieb in den
letzten fünf Jahren einen so massiven Demokratieabbau wie Polen.
Gemeinsam mit Ungarn, dem bisherigen Schlusslicht des Demokratie-Rankings
unter den postkommunistischen Staaten, verzeichnet Polen mit minus 86
Punkten (Ungarn: minus 75 Punkte) den wenig ruhmreichen Rekord bei der
Zerstörung des Rechtsstaats, der Einschränkung von Pressefreiheit, Rechten
und Freiheiten der Zivilgesellschaft und bei der Diskriminierung von
Minderheiten, stellt der Bericht von Freedom House fest.
Viktor Orbán, der Vorsitzende der seit 2010 in Ungarn regierenden
rechtsnationalen Fidesz-Partei, ist nicht nur ein enger Freund des Polen
Jaroslaw Kaczynski, sondern in vieler Hinsicht auch sein politisches und
ideologisches Vorbild. So hatte zunächst Orbán die freien Medien in Ungarn
immer mehr eingeschränkt und schließlich fast vollständig unter die
Kontrolle seiner Partei gebracht.
## Beste Nachricht seit Jahren
Ähnliches geschieht auch in Polen. Als der staatlich kontrollierte
Mineralölkonzern PLN Orlen vor wenigen Monaten die polnische Tochter der
Verlagsgruppe Passau mit 140 Lokal- und Regionalzeitungen sowie rund 500
Internetportalen kaufte, war dies für Kaczynski „eine der besten
Nachrichten seit vielen Jahren“. Mit diesem Deal war die PiS ihrem Ziel der
„Repolonisierung“ der polnischen Medien ein großes Stück naher gekommen.
Umgekehrt übernahm die Fidesz von der PiS die offene Diskriminierung der
sexuellen Minderheiten. In seinem Bericht schreibt Freedom House, dass die
in Polen seit 2015 allein regierende PiS „dem „Kampf gegen die LGBT- und
Gender-Ideologie“ nicht nur einen Weg gebahnt, sondern diesen zu einer
Strategie ausgebaut habe, die von anderen Gruppierungen und Staaten – wie
etwa Ungarn – übernommen werde.
Auch Polens katholische Kirche ist heute keine Stütze der Demokratie mehr.
Dabei hatte sie der polnischen Zivilgesellschaft in ihrem jahrzehntelangen
und zum Teil blutigen Freiheitskampf in der Zeit des Kommunismus stets zur
Seite gestanden.
Doch das ist lange vorbei. Das Episkopat bedankte sich Anfang des Jahres
ausdrücklich bei der PiS und dem PiS-kontrollierten Verfassungsgericht, die
[1][ein fast totales Abtreibungsverbot] in Polen durchsetzten. Zudem
schlossen sich die meisten Kleriker dem PiS-Parteikampf gegen Schwule,
Lesben und die „Gender-Ideologie“ an. Der Krakauer Erzbischof nannte
[2][die LGBT-Regenbogen-Bewegung] gar eine „Seuche“.
Negativ zu Buche schlugen auch die beiden Kampagnen vor den letzten
Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, bei denen die von der PiS
kontrollierten Staatsmedien keinen Hehl mehr aus ihrer Parteilichkeit für
die PiS und die Wiederwahl von Präsident Andrzej Duda machten. Für Freedom
House ist Polen schon seit dem Bericht für 2020 keine „volle Demokratie“
mehr. Dabei bleibt es zunächst – mit ungebremst negativer Tendenz.
29 Apr 2021
## LINKS
[1] /Abtreibungsverbot-in-Polen/!5720666
[2] /Homophobe-Politik-in-Osteuropa/!5763321
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
Demokratie
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