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# taz.de -- Demokratie in Polen: Rückenwind für die Opposition
> Ein von Präsident Duda unterzeichnetes Gesetz zielt offiziell auf
> russischen Einfluss. Für die PiS könnte es sich als kontraproduktiv
> erweisen.
Bild: Ex-Premierminister und Oppositionsführer Donald Tusk am 26. Mai vor der …
Als wir jung waren, fiel der Kommunismus in Polen und der öffentliche Raum
begann sofort sich zu verändern. Die alten kommunistischen Denkmäler wurden
abgerissen. Manchmal nahmen die Einheimischen ein Stück des einen oder
anderen Monuments mit, so wie manche es mit der Berliner Mauer taten. Und
dann begann man, neue Denkmäler zu errichten von den Helden, die nach dem
Kommunismus in der kollektiven Vorstellung der Polen lebten.
So gibt es in Warschau heute Denkmäler für Józef Piłsudski, Roman Dmowski
und Wincenty Witos, die Polen nach 1918 aufgebaut haben. Wie schade, dass
nur Witos ein echter Demokrat war. Piłsudski war der Urheber des
Staatsstreichs von 1926, nach dem Polen zu einer Autokratie wurde, und
Dmowski ein überzeugter Nationalist. Für die Polen aber, die sich von der
sowjetischen Besatzung lösten, gaben nicht ihre politischen Ansichten, den
Ausschlag, sondern die Tatsache, dass sie einen unabhängigen Staat
aufbauten.
Paradoxerweise war es Witos, der 1931 unter dem Vorwand verhaftet wurde, er
habe einen Staatsstreich vorbereitet, was offensichtlich nicht stimmte.
Tatsächlich ist die Bereitschaft, politische Gegner zu verhaften, bis heute
ein wichtiger Bestandteil der polnischen politischen Kultur.
Ein beunruhigendes Echo des Unrechts, das an Witos begangen wurde, ist die
Kommission zur Untersuchung des russischen Einflusses. Ihre Gründung wurde
diese Woche im Eiltempo von Staatspräsident Andrzej Duda unterzeichnet. Es
handelt sich um ein verfassungswidriges Gremium, das buchstäblich jede
Person vorladen und für unbestimmte Zeit aus dem öffentlichen Leben
verbannen kann.
## PiS schürt Polarisierung
Kritiker bezeichnen es nicht umsonst als „Lex Tusk“, nach Donald Tusk,
ehemals Vorsitzender des Europäischen Rates. Es ist kein Geheimnis, dass
PiS-Chef Jarosław Kaczyński vor den anstehenden Parlamentswahlen in Polen
einen unbequemen Konkurrenten loswerden möchte. Die PiS suggeriert seit
Jahren, dass Tusk als Ministerpräsident von Wladimir Putins Russland
abhängig sei, ja sogar, dass er und der russische Präsident die
[1][Smolensk-Katastrophe 2010] vorbereitet hätten, bei der der damalige
Präsident Lech Kaczyński ums Leben kam.
Im Jahr 2023 bietet der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine reichlich
Anlass, sich im politischen Alltag vor allem auf die Sicherheit zu
konzentrieren. Kürzlich wurde entdeckt, dass im Herzen des Landes, in der
Nähe der Stadt Bydgoszcz, im Dezember eine russische Rakete niederging.
Sechs Monate lang erfuhr niemand etwas davon, und als die Sache doch
bekannt wurde, kam die Forderung nach Rücktritten in der Regierung auf.
Nichts dergleichen geschah.
Stattdessen wurde die „Lex Tusk“ in Kraft gesetzt. Die [2][geopolitische
Gefahr] ist unbestreitbar, und die Regierung ist damit beschäftigt, die
Polarisierung zu schüren. [3][Zeit-Kolumnist Jörg Lau] wies auf das
Paradoxon hin, dass PiS zwar die polnische Politik „deputinisieren“ will,
gleichzeitig aber die polnische Demokratie putinisiert. Und das ist noch
nicht alles. Es ist der lange Schatten der polnischen politischen Kultur
der Zwischenkriegszeit, der uns gerade eingeholt hat, und mit ihm unsere
eigenen Laster und langjährigen schlechten Gewohnheiten.
An diesem Wochenende findet in Warschau ein großer Marsch der Opposition
statt. Er wird von Donald Tusk organisiert, und die Wahl des Datums ist
kein Zufall. Die neue Gesetzgebung dürfte der Veranstaltung und der
Opposition, die seit Jahren gespalten und nicht sehr ideologisch ist,
Rückenwind verschaffen. Vielleicht werden die Menschen wieder den
Enthusiasmus entdecken und die Hoffnung, die einst zum Fall des Kommunismus
führten.
4 Jun 2023
## LINKS
[1] /Zehn-Jahre-Flugzeugabsturz-in-Smolensk/!5677909
[2] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[3] https://www.zeit.de/2023/23/polen-russland-donald-tusk-eu-demokratie
## AUTOREN
Karolina Wigura
Jaroslaw Kuisz
## TAGS
Kolumne Fernsicht
Polen
Donald Tusk
Rechtsstaatlichkeit
Polen
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