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# taz.de -- Demokratie-Proteste in Thailand: Widerstand mit Pizzanummer
> In Thailand fordern kreative DemonstrantInnen den Rücktritt der
> militärnahen Regierung. Die Polizei lässt sie gewähren.
Bild: Eine Demonstrantin fordert am Samstag den Rücktritt von Juntachef Prayut…
BERLIN taz | In Thailands Hauptstadt Bangkok haben am Samstag laut
Veranstaltern 2.500 Menschen den Rücktritt der Regierung von Ex-General
Prayuth Chan-ocha gefordert. Die meist studentischen und überwiegend
schwarz gekleideten DemonstrantInnen verlangten bei ihrem Protest am
Demokratiemonument auch eine Reform der militärfreundlichen Verfassung und
ein Ende der Einschüchterungen der Bevölkerung.
Es war Thailands größter Protest seit der Einschränkung des öffentlichen
Lebens wegen der Coronapandemie und einer der größten Oppositionsproteste
seit dem Militärputsch im Mai 2014.
General Prayuth führte damals den Putsch und ließ sich nach einer
[1][manipulierten Wahl 2019] als Regierungschef bestätigen. Zuletzt war im
Februar die populäre Oppositionspartei Future Forward verboten worden.
Proteste dagegen wurden mit den Kontaktbeschränkungen gegen das Coronavirus
abgewürgt.
Jetzt wurde in sozialen Medien mobilisiert. Laut der regierungsnahen
[2][Bangkok Post] wurde augenzwinkernd versprochen, dass die ersten
DemonstrantInnen kostenlos Pizza eines populären Lieferservices erhalten
würden. Dessen bekannte Telefonnummer endet auf 112. 112 ist auch die
Nummer des umstrittenen Paragrafen der Majestätsbeleidigung. Der sieht
Haftstrafen von 15 Jahren bei Beleidigung des Königshauses vor und wird
auch gegen Regierungskritiker angewendet.
## Blumenkübel sollen DemonstrantInnen abhalten
Bangkoks Stadtverwaltung versuchte ihrerseits noch kurzfristig die
Versammlung einzuschränken, indem sie Samstagvormittag plötzlich viele
Blumenkübel um das Demokratiemonument aufstellen ließ.
Bei der am Abend begonnenen Demonstration ging es auch um den Schutz des
Monuments. Dieses erinnert an die Einführung der konstitutionellen
Monarchie 1932. Zwar wurde es im Auftrag von Militärs errichtet und huldigt
dem Putsch von 1932. Doch war es seit den 1970er Jahren auch stets
Versammlungsort von Demokratiebewegungen, die es für sich vereinnahmen
konnten. Bei einer geplanten Umgestaltung des Stadtzentrums wird von vielen
ein Abriss des Monuments befürchtet.
Der Protest wurde um Mitternacht beendet. Die DemonstrantInnen drohen in
zwei Wochen wiederzukommen, sollte die Regierung nicht auf ihre Forderungen
eingegangen sein. Die Polizei war mit mehreren hundert Einsatzkräften vor
Ort und verlas per Lautsprecher das Notstandsdekret. Demnach müssen
TeilnehmerInnen nicht genehmigter Versammlungen mit bis zu zwei Jahren Haft
rechnen. Eine Genehmigung war gar nicht erst beantragt worden, doch ließ
die Polizei die friedlichen DemonstrantInnen gewähren.
[3][Diese verwiesen auch auf ungeklärte Fälle von nach Laos und Kambodscha
geflohenen und dort mutmaßlich entführten thailändischen Dissidenten.] Auch
wurde der Fall eines 47-jährigen Mannes aus dem nordöstlichen Khon Kaen
kritisiert. Er war im Juni in die Psychiatrie eingewiesen worden, nachdem
er sich bei Facebook mit einem T-Shirt mit der Aufschrift „Ich habe den
Glauben an die Monarchie verloren“ präsentiert hatte. „Den Glauben an die
Institution der Monarchie zu verlieren ist keine Geisteskrankheit,
kommentierte der bekannte Journalist [4][Pravit Rojanaphruk]. „Vielmehr ist
eine Gesellschaft verrückt, die jemanden, der den Glauben verliert, in eine
psychiatische Anstalt steckt.“
## Vorwurf: König lässt Thais bei Pandemie im Stich
Der seit Oktober 2016 amtierende König Maha Vajiralongkorn ist anders als
sein Vater [5][Bhumibol] unbeliebt. [6][Der Playboy verbringt die meiste
Zeit am Starnberger See] und lässt nach Meinung vieler ThailänderInnen sein
Volk in der Coronakrise im Stich. Thailand kommt mit laut
Johns-Hopkins-Universität 3.249 registrierten Infektionen bei 58
Todesfällen (Stand Sonntag) in der Pandemie noch glimpflich davon. Doch
liegt die wichtige Tourismusindustrie brach. Hohe Arbeitslosigkeit könnte
weitere Proteste befeuern.
Der Thailand-Experte Wolfram Schaffar von der Universität Tübingen sieht
hinter dem Protest eine kreative Nutzung von Social Media: „Memes, Tweets
und Clips, die tausendfach geteilt werden, verfolgen einen neuen Stil: Sie
sind selbstironisch, voller indirekter Anspielungen. Der Aufruf zur Demo
folgt dem Muster, das auch von TikTokern gegen Trump benutzt wurde: kein
direkter Aufruf, sondern ein selbstironischer, anspielungsreicher Clip“, so
Schaffar zur taz.
Als Beispiel nennt er die Facebook-Seite Royalist Marketplace des
Dozenten[7][Pavin Chachavalpongpun]. Die habe innerhalb weniger Wochen mehr
als 600.000 Follower bekommen. „Dort postet Pavin TikTok-Videos, in denen
er – meist als Drag Queen verkleidet – die Monarchie und die
Militärregierung durch den Kakao zieht,“ so Schaffar.
Am Sonntag habe ein Flashmob, inspiriert von den Bangkoker Demonstrationen
in Chiang Mai (Thailands zweitgrößte Stadt) Pavin zur Königin proklamiert.
Das Foto wurde innerhalb weniger Minuten tausendfach geliket. „Eine größere
Provokation ist innerhalb Thailands kaum denkbar,“ sagt Schaffar.
Auch in Ubon Ratchatani seien Demonstranten mit einem Transparent von
Pavins Facebookgruppe auf die Straße gegangen.
19 Jul 2020
## LINKS
[1] /Thailands-erste-Wahl-nach-dem-Putsch/!5579510
[2] https://www.bangkokpost.com/thailand/politics/1953592/hundreds-rally-for-de…
[3] /Land-des-Laechelns-ist-nur-Fassade/!5591668
[4] https://prachatai.com/english/node/8661
[5] /Thailands-Koenig-ist-tot/!5348485
[6] /Thailands-Monarch-in-Bayern/!5675208
[7] /Akademische-Freiheit-und-Drittmittel/!5211969
## AUTOREN
Sven Hansen
## TAGS
Thailand
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