| # taz.de -- Debatte Trostfrauen in Südkorea: Zum Nutzen der Nation | |
| > Koreanerinnen wurden im Zweiten Weltkrieg in japanische Militärbordelle | |
| > verschleppt. Heute wird ihr Leid politisch instrumentalisiert. | |
| Bild: Ex-Kanzler Schröder scheut keine Holocaust-Vergleiche, um das Leid der F… | |
| Südkorea ist eine zutiefst gespaltene Gesellschaft, deren tiefe Gräben | |
| zwischen Generationen und politischen Ideologien verlaufen. Ob im Umgang | |
| mit Nordkorea, in der Bewertung der Militärregierungen während der | |
| Nachkriegszeit oder bei der Frage nach dem Ausbau des Sozialstaats – fast | |
| jedes Thema polarisiert die südkoreanischen Gemüter zutiefst. | |
| Überwältigender Konsens hingegen herrscht über das erfahrene Leid unter den | |
| japanischen Kolonialherren während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. | |
| Mehr noch, es ist einer der zentralen Eckpfeiler, auf die sich die | |
| nationale Identität stützt – übrigens auch nördlich der Demarkationslinie. | |
| Nichts symbolisiert dieses historische Leid der Koreaner derart wie das | |
| Schicksal der [1][Trostfrauen]. | |
| Ein Rückblick: Während des Zweiten Weltkriegs errichtete die japanische | |
| Armee sogenannte „Troststationen“ – Militärbordelle, in denen zu | |
| Kriegsbeginn vor allem japanische Prostituierte sexuelle Dienste | |
| verrichteten. Das propagandistische Kalkül dahinter war die Stärkung der | |
| Moral unter den Soldaten sowie hinsichtlich der Lokalbevölkerung die | |
| Prävention gegen Vergewaltigungen. | |
| ## Entführt, gelockt, gezwungen | |
| Schon bald jedoch konnte das Japanische Kaiserreich mit Zeitungsannoncen, | |
| auf die sich immer weniger Frauen meldeten, die Nachfrage nicht mehr | |
| decken. Zunehmend wurden junge Frauen aus den Kolonien, vor allem aus | |
| Korea, in die Kriegsbordelle verschleppt. Nicht selten wurden sie entführt, | |
| unter falschen Versprechungen gelockt oder unter Gewaltandrohung gezwungen. | |
| Viele der Mädchen waren Jugendliche, manche kaum 13 Jahre alt. Die | |
| Lebensbedingungen waren sklavisch; Folter und Vergewaltigungen sind | |
| historisch dokumentiert. | |
| Das Leid der Frauen hörte mit Ende des Krieges keinesfalls auf: Viele der | |
| Zwangsprostituierten wurden einfach in der Fremde ausgestoßen, andere vom | |
| Militärpersonal erschossen – wie Beweismittel, die beseitigt werden | |
| sollten. Die Überlebenden führten jahrzehntelang eine Existenz in Scham und | |
| Armut. | |
| Erst Anfang der neunziger Jahre traute sich die erste Betroffene an die | |
| Öffentlichkeit. Seitdem erinnern bis heute jeden Mittwoch Aktivistengruppen | |
| an das Schicksal der Trostfrauen – vor der japanischen Botschaft. Dort | |
| haben NGOs eine bronzene Statue angebracht, deren Kopien mittlerweile in | |
| mehrere Länder der Welt exportiert wurden. In Seoul wird das Original rund | |
| um die Uhr von mindestens zwei Studenten „bewacht“. Erstaunlich – handelt | |
| es sich hier doch um dieselbe Generation von Südkoreanern, die sich | |
| ignorant zeigt gegenüber den nordkoreanischen Insassen in den Arbeitslagern | |
| nur wenige hundert Kilometer entfernt. | |
| In ihrer Anklage gegen Japan verweisen die Südkoreaner gern nach | |
| Deutschland: Sie fordern eine Kniefall-Geste à la Willy Brandt in Warschau. | |
| Es ist kein Zufall, dass am Dienstag ausgerechnet Gerhard Schröder als | |
| bisher erstes Exstaatsoberhaupt ein Altenheim für überlebende Trostfrauen | |
| besuchte. „Die Aufopferung und den Schmerz, den diese Personen erlitten | |
| haben, sind nicht anders als die des Holocausts“, wird Schröder von der | |
| Tageszeitung Hankyoreh zitiert. | |
| In dieser Frage liegt jedoch ein entscheidendes Problem: Die japanische | |
| Kolonialherrschaft war keinesfalls vergleichbar mit dem industrialisierten | |
| Genozid am jüdischen Volk. Alles andere würde das Schicksal der sechs | |
| Millionen im KZ vergasten Juden verhöhnen. | |
| Es wäre zu wünschen, dass die Debatte um die Trostfrauen aufrichtiger | |
| geführt wird. Der Geschichtsrevisionismus der japanischen Rechten ist | |
| zweifelsohne inakzeptabel. Gleichzeitig lässt auch die südkoreanische Seite | |
| einen reflektierten Diskurs darüber vermissen, inwieweit das Leid der | |
| Trostfrauen für eigene nationalistische Zwecke instrumentalisiert wird. | |
| Besonders die linke Zivilgesellschaft zeigt sich in ihrem absoluten | |
| SchwarzWeiß-Denken resistent. | |
| Dies hat die Professorin Park Yu Ha von der Seouler Sejong-Universität | |
| persönlich zu spüren bekommen. In ihrem 2013 erschienen Buch „Comfort Women | |
| of the Empire“ wies sie darauf hin, dass viele der Menschenhändler, die für | |
| die Japaner Frauen rekrutierten, selbst Koreaner waren und als Komplizen | |
| vom System profitierten. Ebenso zweifelt sie das vorherrschende Narrativ | |
| an, dass es sich bei den Frauen ausschließlich um „Sexsklavinnen“ gehandelt | |
| hat. Einige von ihnen wussten laut Park sehr wohl, worauf sie sich | |
| einließen, sie hätten sich aus Armut, jedoch aus freien Stücken den | |
| Militärbordellen angeschlossen. Die Historikerin interviewte zudem | |
| Trostfrauen, die später japanische Soldaten heirateten und die Zeit als | |
| Sexarbeiterinnen nicht nur als Leid empfanden. | |
| Park Yu Has streitbare Thesen legen nahe, dass die Wahrheit komplexer ist | |
| als die südkoreanische Gesellschaft wahrhaben will. Ihre kontroversen | |
| Denkanstöße brachten sie auf die Anklagebank, Anfang 2017 wurde sie nur | |
| knapp freigesprochen. Ihr Ruf entspricht seither ungefähr dem eines | |
| Holocaust-Leugners in Deutschland. | |
| ## Anschaffen für Devisen | |
| Es hinterlässt einen bitteren Beigeschmack, dass praktisch nicht über die | |
| Verbrechen der südkoreanischen Armee im Vietnamkrieg gesprochen wird. Auch | |
| damals gab es systematische Zwangsprostitution unter der Lokalbevölkerung, | |
| wenn auch in wesentlich geringerem Ausmaß. | |
| In Ansätzen lassen sich sogar Parallelen zu den Bordell-Camps entlang der | |
| US-Militärbasen in den 60er und 70er Jahren ziehen. Damals wurden Frauen | |
| von der südkoreanischen Regierung als „gute Patriotinnen“ dazu ermutigt, | |
| mit ihren Körpern Auslandsdevisen für die Wirtschaft heranzuschaffen. Die | |
| vom Staat durchgeführten gesundheitlichen Zwangsuntersuchungen waren denen | |
| der japanischen Armee nachempfunden. Dass viele Frauen unter Gewalt und | |
| Zwang von Zuhältern gehalten wurden, sorgte weder damals für Aufsehen, noch | |
| wird darüber heute ernsthaft diskutiert. Tatsächlich zeigt sich die | |
| südkoreanische Polizei immer noch erstaunlich blind, wenn es um | |
| Zwangsprostitution und Menschenhandel geht. | |
| Dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird, lässt bezweifeln, dass es | |
| Südkorea ausschließlich um das konkrete Leid der Trostfrauen geht. | |
| 18 Sep 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Japanische-Kriegsverbrechen/!5425799 | |
| ## AUTOREN | |
| Fabian Kretschmer | |
| ## TAGS | |
| Südkorea | |
| Japan | |
| Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg | |
| Vergewaltigung | |
| Trostfrauen | |
| Lesestück Meinung und Analyse | |
| Trostfrauen | |
| Japan | |
| Japan | |
| Japan | |
| Korea | |
| Südkorea | |
| UN-Vollversammlung | |
| Südkorea | |
| Zwangsprostitution | |
| Japan | |
| Südkorea | |
| Trostfrauen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Trostfrauen-Mahnmal in Berlin: SPD will „Friedensstatue“ erhalten | |
| Eine Trostfrauen-Statue gegen sexuelle Gewalt im Pazifikkrieg soll weg. Es | |
| heißt, das Thema sei für eine Aufarbeitung in Deutschland nicht geeignet. | |
| Entfernung einer „Trostfrauen“-Statue: Rechthaberei statt Trost | |
| Statt sexualisierte Kriegsgewalt zu bekämpfen, geht Tokio gegen eine Statue | |
| vor, die diese Gewalt thematisiert. Und Berlins Bezirksamt knickt auch noch | |
| ein. | |
| Gedenken an „Trostfrauen“: Berlin-Mitte kuscht vor Tokio | |
| Das Berliner Bezirksamt fordert nach japanischem Druck die Entfernung einer | |
| „Trostfrauen“-Statue. Dabei hatte es sie zunächst genehmigt. | |
| Umgang mit sexualisierter Kriegsgewalt: Tokio gegen Frauenstatue in Berlin | |
| In Berlin-Moabit erinnert eine koreanische Statue an Zwangsprostituierte im | |
| Pazifikkrieg. Japans Regierung drängt darauf, dass sie entfernt wird. | |
| Keramik-Traditionen in Korea: Die Eleganz des Kranichs | |
| Jadefarben sind bedeutend, und es ist verflixt schwer, in den feuchten Ton | |
| zu schneiden: Erfahrungen eines Keramik-Sommerkurses in Seoul. | |
| Gedenken an Zwangsprostitution in Korea: Wenn die Erinnerung mitfährt | |
| In Seoul erinnern Statuen in Bussen an Prostituierte im Zweiten Weltkrieg. | |
| 200.000 Koreanerinnen sollen in Japans Armeebordellen versklavt worden | |
| sein. | |
| Rede bei UN-Vollversammlung: Trump droht Nordkorea Zerstörung an | |
| Von Ausgleich keine Spur: US-Präsident Donald Trump droht bei den UN dem | |
| nordkoreanischen Machthaber Kim mit „totaler Zerstörung“. | |
| Japanische Kriegsverbrechen: Streit um Zwangsprostitution | |
| Ein Video zeigt erstmals koreanische „Trostfrauen“ im Zweiten Weltkrieg. Er | |
| bestärkt Südkoreas Regierung, ein Abkommen mit Tokio abzulehnen. | |
| Kriegsverbrechen-Denkmal in Freiburg: Keine Erinnerung an „Trostfrauen“ | |
| Freiburgs Bürgermeister will keine Statue zur Erinnerung an die Verbrechen | |
| Japans in Südkorea aufstellen. Es ist ihm zu heikel. | |
| Umstrittenes Abkommen Südkorea-Japan: „Trostfrauen“ lehnen Trostpflaster ab | |
| Ein Abkommen sollte den koreanischen Zwangsprostituierten ihre Würde | |
| wiedergeben. Doch viele betroffene Frauen lehnen den Deal ab. | |
| Kommentar Südkorea und Japan: Kaum mehr als bitterer Trost | |
| Japans Regierung entschuldigt sich bei südkoreanischen Zwangsprostituierten | |
| aus dem Zweiten Weltkrieg. Nur 46 von ihnen leben noch. | |
| Zwangsprostitution im Zweiten Weltkrieg: Späte Gerechtigkeit | |
| Japan und Südkorea legen ihren Streit über die „Trostfrauen“ in japanisch… | |
| Militärbordellen bei. Es gibt aber kaum noch Überlebende. |