# taz.de -- Umgang mit sexualisierter Kriegsgewalt: Tokio gegen Frauenstatue in… | |
> In Berlin-Moabit erinnert eine koreanische Statue an Zwangsprostituierte | |
> im Pazifikkrieg. Japans Regierung drängt darauf, dass sie entfernt wird. | |
Bild: Die Statue im Berliner Stadtteil Moabit symbolisiert eine „Trostfrau“ | |
Berlin | taz | Im Berliner Stadtteil Moabit sitzt an der Ecke Bremer | |
Straße/Birkenstraße seit dem 28. September eine junge Frau auf einem Stuhl. | |
Es ist die lebensgroße Bronzestatue einer Koreanerin mit abgeschnittenen | |
Haaren in traditionellem Kleid. | |
Die Figur wirkt auf den ersten Blick harmlos. Ein leerer Stuhl daneben lädt | |
ein, sich zu ihr setzen. Erst der in die Bodenplatte eingelassene dunkle | |
Schatten einer alten Frau und die geballten Fäuste der Statue deuten trotz | |
der frischen Blumen Spannungen an. | |
Für Japans konservative Regierung sitzt hier eine Teufelin. Schon einen Tag | |
nach der feierlichen Enthüllung der Statue durch eine private Initiative | |
kündigte [1][Kabinettssekretär und Regierungssprecher Katsonobu Kato] an, | |
Tokio werde darauf hinarbeiten, dass die Statue entfernt wird. | |
Am vergangenen Donnerstag telefonierte Japans Außenminister Toshimitsu | |
Motegi mit seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas (SPD). Laut der rechten | |
japanischen Tageszeitung [2][Sankei Shimbun] drängte Motegi auf Beseitigung | |
der Statue. | |
## Das Auswärtige Amt will sich nicht äußern | |
Das Auswärtige Amt wollte das der taz gegenüber weder bestätigen noch | |
dementieren. Auch blieb unbeantwortet, was das Außenamt dem für Moabit | |
zuständigen Bezirksamt Berlin-Mitte riet, dem der dortige Straßenraum | |
untersteht. | |
Doch die japanische Botschaft, die sich trotz mehrfacher Anfrage nicht | |
äußern wollte und Motegis Drängen in einer [3][Pressemitteilung] zu dem | |
Außenministergespräch nicht erwähnt, hatte schon Kontakt mit dem Berliner | |
Senat. | |
„Die Senatskanzlei hat nach Bekanntwerden des Vorgangs Gespräche mit der | |
japanischen Botschaft und dem Bezirksamt Mitte geführt und sich für eine | |
schnelle Lösung eingesetzt“, sagte Senatssprecherin Melanie Reinsch ganz | |
diplomatisch der taz. Was der Senat anstrebe, wollte sie nicht sagen. Tokio | |
ist Partnerstadt von Berlin, der Stadtteil Shinjuku Partner von Mitte. | |
Beim Bezirksamt Mitte scheint man sich der Brisanz erst langsam bewusst zu | |
werden. Man könne „sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu einzelnen | |
Fragestellungen in diesem Zusammenhang äußern“, sagte eine Sprecherin | |
gegenüber der taz. „Derzeit finden auf verschiedenen Ebenen Gespräche | |
statt, deren Verlauf zunächst abgewartet werden wird.“ | |
## Japans Rechte leugnen die Zwangsprostitution im Krieg | |
Die Tafel im Sockel des Denkmals spricht von einer „Friedensstatue“. Sie | |
soll an die Zwangsprostituierten der japanischen Armee im Pazifikkrieg | |
(1931 bis 1945) erinnern. Damals wurden in den von Japan besetzten Ländern | |
mehr als 200.000 Frauen sexuell versklavt. Die meisten dieser sogenannten | |
Trostfrauen stammten aus Korea. | |
Japans Rechte und Nationalisten leugnen bis heute, dass Zwangsprostitution | |
zum kaiserlichen Militär gehörte und die Frauen nicht freiwillig in den | |
Truppenbordellen waren. | |
Nach dem Krieg wurde die Zwangsprostitution verschwiegen. Erst ab 1991 | |
meldeten sich Opfer. Die Frauen in hohem Alter forderten eine Anerkennung | |
ihres Leids, eine Entschuldigung Japans und kritisierten die Kollaboration | |
koreanischer Stellen. | |
Frauen weltweit griffen das Thema auf, um gegen fortgesetzte, ignorierte | |
oder bagatellisierte sexualisierte Gewalt in militärischen Konflikten wie | |
in Bosnien, im Kongo oder im Irak zu protestieren. | |
Japans Regierungen gaben nur widerwillig dem Druck zur Aufarbeitung nach | |
und entschuldigten sich nur halbherzig, was viele Opfer und | |
UnterstützerInnen nie akzeptierten. 2011 stellten AktivistInnen deshalb | |
eine erste Mädchenstatue vor Japans Botschaft in Seoul auf. | |
## Die Frauenstatuen mutierten zur Protestform | |
Seitdem gibt es solche zur Protestform mutierten Statuen in mehreren | |
Ländern. In Seoul ließ ein Busunernehmen die Statuen sogar eine Weile | |
[4][in ihren Fahrzeugen mitfahren]. Stets drängten Japans Regierungen, in | |
denen Geschichtsrevisionisten oft einflussreich waren, auf Beseitigung. Die | |
Zeitung Sankei Shimbun spricht von einem „Geschichtskrieg“. | |
Weil das kalifornische San Francisco sich für den Verbleib der Statue | |
entschied, beendete Japans zweitgrößte Stadt Osaka die Städtepartnerschaft. | |
In Deutschland gab der grüne Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon | |
2016 Japans Druck nach und [5][verhinderte die Aufstellung der Statue], die | |
ein Geschenk der südkoreanischen Partnerstadt Suwon war. | |
Die Statue in Berlin ist die dritte in Deutschland, doch die erste auf | |
öffentlichem Grund. Der Bezirk Berlin-Mitte hat dem [6][Korea-Verband e. | |
V.] genehmigt, sie für ein Jahr aufzustellen. Der unabhängige Moabiter | |
Verein, der sich für die deutsch-koreanische Verständigung der | |
Zivilgesellschaften einsetzt, arbeitet unter anderem zu sexualisierter | |
Kriegsgewalt. | |
Die Erinnerung an die „Trostfrauen“ wird mit aktuellen Entwicklungen | |
verbunden. An Schulen werden Workshops zum Thema sexuelle Kriegsgewalt mit | |
Kindern von Migranten und Flüchtlingen organisiert. | |
„Die Statue soll auch den Mut dieser früheren Zwangsprostituierten | |
würdigen, die das Unrecht öffentlich gemacht haben“, sagt Nataly Han | |
Jung-Hwa vom Korea-Verband der taz. Im Antrag an das Bezirksamt habe sie | |
auf mögliche Reaktionen Tokios hingewiesen, doch dass sogar Japans | |
Regierung auf die Statue im Berliner Kiez reagierte, habe sie überrascht. | |
## Hoffen auf die Standfestigkeit des Bezirksamts Mitte | |
„Die Statue ist nicht gegen Japans Regierung gerichtet“, sagte Han bei der | |
Enthüllung, „sondern ist ein Angebot, gemeinsam die Vergangenheit für die | |
Zukunft aufzuarbeiten.“ Sie freut sich über das Interesse der Moabiter und | |
hofft, dass das Bezirksamt dem Druck nicht nachgibt und zum Beispiel auch | |
aktuelle [7][Forschungen der JapanologInnen der Universität Leipzig] zum | |
japanischen Geschichtsrevisionismus und der Bedeutung der Trostfrauenfrage | |
berücksichtigt. | |
Bei der Triennale in der zentraljapanischen Präfektur Aichi musste im | |
letzten Jahr eine Ausstellung über zensierte Kunst nach nur zwei Tagen | |
abgebrochen werden. Eine dort gezeigte Mädchenstatue aus Plastik, die der | |
in Moabit entspricht, hatte zu massiven Drohungen aus rechten Kreisen | |
geführt. | |
7 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://english.kyodonews.net/news/2020/09/637018e329bf-japan-regrets-new-k… | |
[2] https://www.sankei.com/smp/politics/news/201002/plt2010020013-s1.html | |
[3] https://www.de.emb-japan.go.jp/itpr_de/presse_pm201001.html | |
[4] /Gedenken-an-Zwangsprostitution-in-Korea/!5448363 | |
[5] /Kriegsverbrechen-Denkmal-in-Freiburg/!5341049 | |
[6] https://www.koreaverband.de/ | |
[7] https://japanologie.gko.uni-leipzig.de/news/was-bedeutet-es-eigentlich-dass… | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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