| # taz.de -- Debatte Parteienfinanzierung: Parteigeld gegen rechte Trolle | |
| > Mit mehr Geld vom Staat wollen Union und SPD rechten Trollen im Netz | |
| > Paroli bieten. Besser wäre es aber, Hate Speech direkt anzugehen. | |
| Bild: Will die SPD eigene Trolle anstellen, die zurückpöbeln, vielleicht aus … | |
| Am Freitag könnte der Bundesrat die Erhöhung der Parteienfinanzierung | |
| beschließen, die der Bundestag [1][vor drei Wochen im Hauruck-Verfahren | |
| genehmigt hatte]. Die Neuregelung des Gesetzes zur Parteienfinanzierung, | |
| gegen die [2][FDP, Grüne und Linke gemeinsam vor das | |
| Bundesverfassungsgericht ziehen wollen], sieht vor, dass der Betrag um 17 | |
| Prozent von knapp 162 auf 190 Millionen Euro ansteigen soll. Womit er sich | |
| seit 2010 mehr als verdreifacht hätte. | |
| Stutzig macht die Begründung, die gerade von der SPD – die nach ihrer | |
| Wahlniederlage finanzielle Stütze dringend nötig hat – wie ein Mantra | |
| wiederholt wird: es ist die „Digitalisierung“, die in Deutschland ja nun | |
| schon seit zwei Jahrzehnten allerhand Kopfzerbrechen bereitet. | |
| Nun könnte man zunächst einmal fragen, ob diese ominöse Digitalisierung | |
| nicht auch Geld spart. Die Mitgliederansprache ist via Mail und Twitter | |
| erschwinglicher als per Drucksache, genauso wie es billiger ist, online | |
| Memes zu verbreiten, als draußen Wahlplakate aufzuhängen. Auch die – als | |
| weiterer Grund für die Erhöhung der Parteienfinanzen angegebenen – | |
| Mitgliederbefragungen könnte man kostengünstiger über das Internet | |
| durchführen als mit der Schneckenpost. | |
| Doch halt: Da ist noch die „Gestaltung, ständige Aktualisierung und | |
| Moderation interaktiver Internetauftritte sowie Präsenz auf den Social | |
| Media-Plattformen“, für die die Parteien angeblich mehr Geld brauchen. Denn | |
| hier sind Kräfte am Werk, die, „weil sie Menschen emotional ansprechen, oft | |
| eine Reichweite erzielen, die ihnen, was den Informationsgehalt und den | |
| Willen, zur Demokratie beizutragen, nicht entspricht“, so | |
| SPD-Geschäftsführer Dietmar Nietan. „Da müssen die Parteien ein Stoppschild | |
| setzen, und dazu müssen sie finanziell in der Lage sein.“ | |
| ## Objektive Information gibt es bereits | |
| Solche Aktivitäten nennt man gemeinhin „politische Bildung“, und für die | |
| haben die deutschen Parteien ihre eigene Stiftungen. Diese sind finanziell | |
| noch großzügiger ausgestattet: Im vergangenen Jahr erhielten sie 581 | |
| Millionen Euro aus Steuermitteln – mehr als das Doppelte als Parteien und | |
| Bundestagsfraktionen zusammen. | |
| Wo die SPD nun diese Stoppschilder letztlich genau aufstellen will, ist | |
| eine andere Frage. Dass Dietmar Nietan von „Plattformen“ spricht, „auf | |
| denen sich die Bürger mit den ‚neuesten Features‘ schnell und umfassend | |
| informieren können“, lässt nichts Gutes vermuten. Objektive Information | |
| und Richtigstellung von Fake News gibt es – vom Faktenfinder der Tagesschau | |
| bis zu Snopes.com – aus vielen Quellen. Ihnen haftet auch nicht der Makel | |
| an, von parteipolitischen Interessen geleitet zu sein. | |
| Das Problem ist eher, dass eine Gruppe von Mitbürgern sich erfolgreich | |
| gegen jede Art von Fakten immunisiert hat, die nicht in ihr Weltbild passt. | |
| Und dass genau diese Leute in den sozialen Medien das große Wort führen. | |
| Denn es gibt eine deutsche Partei, die so gar kein Problem mit dieser | |
| verflixten Digitalisierung hat: die AfD. | |
| Sie hat nicht nur eigene Mitarbeiter, die wie am Fließband zu jedem ihrer | |
| Themen Memes und vorgefertigte Statements zum Weiterposten produzieren. | |
| Doch vor allem steht ihre eine ganze Graswurzel-Armee von Freiwilligen zur | |
| Verfügung, die von Facebook zu YouTube, von den Kommentarspalten bis zu | |
| Twitter ununterbrochen ihre schlichten politischen Einsichten zum Besten | |
| gibt: Merkelmussweg, Ungebremste Massenmigration, Umvolkung, | |
| rot-grün-versifft und so weiter und so fort. | |
| ## Rechte Inhalte verdienen auch Geld | |
| Dass dieser Online-Mob von irgendjemand gesteuert ist, hat bisher noch | |
| niemand nachweisen können – sieht man einmal von den „Raids“ auf | |
| missliebige YouTuber ab, die von dem [3][inzwischen geknackten Troll-Server | |
| Reconquista Germanica] veranstaltet wurden. Dem Ton nach scheinen eher | |
| rüstige Rentner und „besorgte Bürger“ am Werk zu sein, die die Welt nicht | |
| mehr verstehen und nun das Internet voll pöbeln. | |
| Oft stehen dahinter auch finanzielle Interessen. Auf YouTube posten | |
| Menschen, die sich hinter Namen wie „Volksentscheid in Deutschland“ oder | |
| „TutorialsGerman“ verstecken, immer wieder die gleichen Bundestagsreden und | |
| Talkshow-Auftritte von AfD-Größen mit schrillen Titeln wie „Alice Weidel: | |
| ‚Dieses Land wird von Idioten regiert!‘“. Dazu spielt YouTube Werbung von | |
| Unternehmen wie Dolce & Gabbana, Maybelline oder der Berliner S-Bahn. Bei | |
| Videos, die zum Teil mehr als eine Million Mal geguckt werden, dürften | |
| dabei erkleckliche Werbeeinnahmen zusammenkommen. | |
| Wer sich in den Kommentaren darunter kritisch äußert, über den fällt gleich | |
| ein Horde Gesinnungsgenossen her. Manche versuchen es sogar mit Argumenten. | |
| Aber meist wird auf die primitive Art und Weise beleidigt, die die | |
| Bundestagsfraktion der AfD gegenwärtig salonfähig zu machen versucht | |
| („Merkelnutte“, „Halbneger“). Wie sollte der Widerstand gegen diese kle… | |
| aber lautstarke Gruppe aussehen? Will die SPD eigene Trolle anstellen, die | |
| zurückpöbeln, vielleicht aus dem Seeheimer Kreis? Mit Tatsachen und | |
| „Gegenrede“ ist jedenfalls hier schon lange nichts mehr zu erreichen. Und | |
| dass vernunftbegabte Menschen kein Interesse daran haben, sich in | |
| fruchtlose Debatten mit Internet-Schreihälsen zu verstricken, kann man | |
| verstehen. | |
| Besser wäre es, sich an diejenigen zu wenden, die lachende Dritte bei jeder | |
| Online-Debatte sind: die zunehmend asozialen Medien wie Facebook und | |
| YouTube, für die diese Art von verbalen Wirtshausschlägereien eine Form des | |
| „Engagements“ sind, die mehr Aufmerksamkeit, längere Verweildauer und also | |
| höhere Werbeeinnahmen bedeuten. Wenn diese Internetfirmen die Trolle nicht | |
| mehr mit Werbeeinnahmen subventionieren und ihre Beiträge nicht per | |
| Algorithmus hochjubeln würden, wäre viel gewonnen. Bisher scheint es bei | |
| YouTube nicht einmal nennenswerte Kontrollen der Kommentarspalten auf „Hate | |
| Speech“ hin zu geben. | |
| 6 Jul 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tilman Baumgärtel | |
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