# taz.de -- Coronavirus in Berlin: Wohin darf ich noch gehen? | |
> Wegen des Coronavirus werden Großveranstaltungen abgesagt. Aber nach | |
> welchen Kritierien? Und was ist mit dem Besuch von Theatern und | |
> Konzerten? | |
Bild: Mangelware im Angebot: Zettel in Berlin | |
Berlin taz | Eigentlich hätte an diesem Mittwoch die Internationale | |
Tourismusbörse (ITB) auf dem Berliner Messegelände eröffnet werden sollen. | |
Doch die Veranstalter haben sie abgesagt. Der Grund: das Coronavirus. Oder | |
besser: Die erhöhten Auflagen, die das zuständige Gesundheitsamt von | |
Charlottenburg-Wilmersdorf dafür zuletzt gemacht hatte. | |
Jeder der voraussichtlich mehr als 100.000 Fachbesucher hätte belegen | |
müssen, nicht aus den festgelegten Risikogebieten zu stammen oder Kontakt | |
zu einer Person von dort gehabt zu haben. Diese Vorgaben konnte die Messe | |
nicht erfüllen, wie sie Ende vergangener Woche eingestand. Jetzt wird auf | |
der Webseite schon die ITB 2021 angekündigt. Termin: 10. bis 14. März. | |
Die Absage der Tourismusbörse gilt – je nach Sichtweise – als Blaupause | |
oder Sündenfall für das weitere Vorgehen, nachdem seit Montag auch in | |
Berlin [1][erste Coronainfizierte] bestätigt wurden. Am Dienstag wurde die | |
[2][Buchmesse in Leipzig abgesagt], am Mittwoch die Hannovermesse | |
verschoben. | |
Auch der für 8. bis 10. März im Hauptgebäude der Technischen Universität | |
Berlin anberaumte 25. Kongress Armut und Gesundheit, nach eigenen Angaben | |
die größte regelmäßig stattfindende Public Health-Veranstaltung in | |
Deutschland, wird nicht stattfinden. Und auch hier erklärt der | |
Veranstalter: „Die Auflagen der zuständigen Behörde, die für die | |
verantwortungsbewusste Umsetzung zu erfüllen sind, können durch den | |
Veranstalter Gesundheit Berlin-Brandenburg e. V. nicht realisiert werden.“ | |
Zuständig für die ITB, den Gesundheitskongress und auch die Hertha-Spiele | |
im Olympiastadion ist Detlef Wagner. Entsprechend ist der | |
CDU-Sozialstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf ein gerade viel gefragter | |
Mensch. „Ich stehe derzeit um fünf Uhr auf und gehe nach Mitternacht ins | |
Bett“, berichtet er. Trotzdem nimmt er sich viel Zeit für das Gespräch mit | |
der taz. Es geht ihm um Aufklärung in turbulenten Zeiten, um | |
Klarstellungen, um solide Arbeit. | |
Und er betont: Die Amtsärztin, die ihm formal untersteht, sei autark in | |
ihren Entscheidungen. Sie bestimmt zum Beispiel, ob Hertha gegebenenfalls | |
zu Hause vor leeren Rängen spielen muss; er trage die politische | |
Verantwortung. | |
Anders als etwa in Frankreich und der Schweiz, wo Veranstaltungen mit mehr | |
als 5.000 Teilnehmern beziehungsweise 1.000 pauschal abgesagt werden, | |
prüfen Wagner und seine Mitarbeiter jede einzelne. „Uns geht es dabei | |
weniger um die bloße Menge an Besuchern, sondern eher um die Frage: Wer | |
geht da hin?“, sagt er. Sprich: Wo kommen die Menschen her, welchen | |
Hintergrund haben sie. | |
Und natürlich sei auch der Ort relevant. Wichtig sei etwa der | |
Luftaustausch. Angesichts des bekannt zugigen Olympiastadions seien | |
deswegen die dortigen Spiele bisher nicht in Gefahr. „Aber ich muss | |
betonen: Das gilt jetzt, zu dieser Sekunde. In Sachen Coronavirus kann in | |
der nächsten Stunden ein Hammer passieren, und dann ist alles anders.“ | |
## Das RKI gibt die Kriterien vor | |
Grundlage für die Einschätzung sind die [3][„Allgemeinen Prinzipien der | |
Risikoeinschätzung für Großveranstaltungen“] des Robert Koch-Instituts | |
(RKI), aktuell auf dem Stand von 28. Februar. Drei Faktoren sollen danach | |
untersucht werden: die Zusammensetzung der Teilnehmer, die Art der | |
Veranstaltung sowie deren Ort. Nehmen etwa viele ältere, nicht zentral | |
registrierte Menschen an einer Veranstaltung teil, die lange dauert und | |
wird dort auch noch getanzt? Alle vier Aspekte erhöhen laut RKI tendenziell | |
das Risiko für eine Übertragung des Virus'. | |
Auf diese Empfehlungen verweist auch Kultursenator Klaus Lederer (Linke) in | |
mehreren Beiträgen auf Twitter am Dienstagabend. Berlins | |
Kultureinrichtungen, etwa die Theater, sollten anhand der RKI-Kriterien | |
entscheiden, ob sie Veranstaltungen durchführen oder absagen. Lederer | |
betont: Alle Leiter von Kultureinrichtungen „treffen auf dieser Grundlage | |
und entsprechender Risikoabwägung selbständig ihre Entscheidungen.“ Er | |
dankte zudem im Voraus für „Kulanz bei Kartenrückgaben“. | |
In der Deutschen Oper, ein Haus mit oft eher älterem Publikum, sind Absagen | |
vorerst kein Thema, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilte. Auch an der | |
Komischen Oper, so deren Sprecherin auf Anfrage, spiele man alle | |
Vorstellungen „wie geplant“, die Auslastung sei „überdurchschnittlich f�… | |
diese Jahreszeit“. Ein Umtausch von Karten sei generell bis drei Tage vor | |
der Vorstellung möglich, bislang habe es aber nur einen Karteninhaber | |
gegeben, der speziell wegen des Virus um Stornierung gebeten habe. Und | |
selbst das internationale Theaterfestival Find an der Schaubühne mit | |
Teilnehmern aus acht Ländern und drei Kontinenten findet Mitte März nach | |
aktuellem Stand statt. „Wir halten uns an die Handlungsempfehlungen, | |
besonders die Hygieneregeln des Senats“, berichtet Pressesprecherin | |
Katharina Glögl. Bisher gebe es auch kein Absage von Ensembles. | |
## Unklarheit bei Konzertveranstaltern | |
Unklarer scheint der Umgang mit dem Virus bei privaten Konzertveranstaltern | |
zu sein. So haben sich die Veranstalter Trinity und Loft-Concerts bisher | |
nicht zu Anfragen der taz geäußert. | |
Stadtrat Detlef Wagner empfiehlt den Berlinern, selbst zu beurteilen, ob | |
sie sich in eine größere Menschenmenge begeben müssen, und appelliert an | |
Menschen, die sich krank fühlen, dann lieber zu Hause zu bleiben. | |
Andererseits: „Wir sind hier in Berlin. Die Menschen sind auch stolz | |
darauf, nicht so viele Vorschriften zu bekommen.“ Und auf den öffentlichen | |
Nahverkehr, der täglich vier Millionen Fahrgäste befördert und der | |
entsprechend anfällig ist für die Übertragung von Krankheitserregern, seien | |
viele Menschen sowieso angewiesen. | |
Wagner berichtet aber auch von vielen Veranstaltern, die jetzt extra auf | |
ihn und seine Mitarbeiter zukämen und Rat suchten, ob sie ihr Konzert, ihr | |
Treffen, ihre Jahreshauptversammlung durchführen sollten. „Da existiert | |
eine unheimliche Verunsicherung unter den Menschen, was sie noch dürfen und | |
was nicht.“ | |
Immerhin in Berlins Bädern scheint derweil alles seinen geregelten Gang zu | |
gehen. Auf die Frage, ob Sars-CoV-2 Auswirkungen auf den Betrieb hat, sagt | |
Unternehmenssprecher Matthias Oloew: „Nein. Es ist alles wie gehabt. Die | |
Bäder sind ohnehin darauf gepolt, dass es alles hygienisch sauber und | |
Tipptopp ist. Dafür gibt es laufende Laborprüfungen und regelmäßige | |
Kontrollen durch das Gesundheitsamt.“ | |
Zudem sei man im Wasser vor einer Ansteckung mit dem Virus sicher: „Das | |
fängt das Chlor ab, im Wasser übertragen sich keine Keime und Viren“, sagt | |
Oloew. An der Luft könne man sich dort natürlich genau so wie überall sonst | |
anstecken, aber auf die Nachfrage habe sich das zumindest nicht ausgewirkt, | |
sagt Oloew: „Ein Rückgang bei den Besuchszahlen ist nicht zu spüren.“ | |
4 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Berlin-hat-ersten-Corona-Fall/!5666552 | |
[2] /Buchmesse-wegen-Corona-abgesagt/!5666337 | |
[3] http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risiko_Grossver… | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
Susanne Messmer | |
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