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# taz.de -- Zahl der Corona-Fälle steigt: Jeder für sich
> Regierungschef appelliert an Eigenverantwortung. Sportveranstaltungen
> könnten stattfinden. Verdi-Streik abgesagt. Anlaufstelle für
> Corona-Verdacht.
Bild: Betonten Eigenverantwortung: Regierungschef Müller und Gesundheitssenato…
Regierungschef Michael Müller (SPD) mühte sich am Dienstag, die Erwartungen
zu dämpfen, was von den Behörden zu erwarten ist. Seine Botschaft nach der
Senatssitzung: Jeder müsse letztlich in eigener Verantwortung entscheiden,
welche Risiko er eingehe – ob er etwa in voller S- und U-Bahn zu einem
Hertha-Bundesligaspiel fahre. „Das öffentliche Leben wird und muss
weitergehen“, sagte Müller. Laut Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD)
muss sich die Bevölkerung darauf einstellen, „dass wir mehrere Jahre mit
diesem Virus leben und damit umzugehen lernen“.
Müller, der sich erstmals in der Senatspressekonferenz in größerem Rahmen
zum Coronavirus äußerte, sprach sich auch gegen eine generelle 14-tägige
Schließung aller Schulen aus, auf die ein Virologe der Universität Halle
schon Montag gedrängt hatte. „Gibt es Grippeferien?“, fragte Müller zurü…
Man würde mit solchen Aktionen nur eine Sicherheit suggerieren, die es
nicht geben könne. Der ärztliche Leiter der Charité, Ulrich Frei, sagte zu
der Forderung: „Der Kollege fällt immer wieder durch originelle Einfälle
auf.“
Der Regierungschef stellte sich allerdings hinter die konkrete Schließung
dreier Berliner Schulen, bei denen es einen Kontakt zu einem der fünf bis
Dienstagnachmittag bekannten Berliner Coronavirus-Infizierten gab. „Es ist
uns sehr wichtig, keine zusätzlichen Risiken einzugehen.“ Er kündigte aber
an, „dass wir schnell wieder zu einem normalen Schulbetrieb kommen wollen –
das kann kein Dauerzustand sein.“
Mehrfach betonte Müller, dass jeweils im Einzelfall zu entscheiden sei. Es
ist aus seiner Sicht sehr wohl ein großer Unterschied, ob auf der
abgesagten Tourismusbörse ITB Hunderttausende den ganzen Tag eng gedrängt
in nicht gut gelüfteten Hallen unterwegs gewesen wären oder ob bei einem
Hertha-Spiel unter freiem Himmel Zehntausende zusammenstehen. Selbst für
ein Alba-Basketball-Bundesligaspiel, das eineinhalb Stunden und länger
dauern kann, sah Müller keinen Anlass für eine Absage. „Wir gehen davon
aus, dass Sportveranstaltungen stattfinden können“, sagte er.
Nach Einschätzung von Gesundheitssenatorin Kalyci geht es vorrangig darum,
Zeit zu gewinnen und die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen – „das
ist das Einzige, was wir machen können“. Dabei seien alle gefragt: „Wir
müssen einfach unser Verhalten ändern.“
Kalayci riet älteren Menschen dringend, sich gegen Keuchhusten und
Pneumokokken impfen zu lassen. Das schütze zwar nicht gegen das Virus,
stabilisiere aber die Lunge. Die fünf bislang bekannten Corona-Fälle in
Berlin haben nach ihren Worten „nichts miteinander zu tun“.
Zusammengerechnet rund 200 Menschen seien als Kontaktpersonen ermittelt und
seien unter Quarantäne
Stefan Alberti
## Streiken gefährdet die Gesundheit
Der dritte Warnstreik der Beschäftigten des Charité Facility Management
(CFM), der eigentlich noch bis zur Nachtschicht am Mittwoch am
Virchow-Klinikum in Wedding hätte weitergehen sollen, wurde am Dienstag auf
Anweisung des Verdi-Bundesvorstands eingestellt. Verhandlungsführer Marco
Pavlik nannte als Grund dafür, dass man „in den Krankenhausbereichen keine
unkontrollierbaren Verbreitungsherde“ durch das Coronavirus riskieren
wolle.
Laut Pressemitteilung der Verdi-Betriebsgruppe der CFM werden bundesweit
alle laufenden Arbeitskämpfe „zum Schutze des menschlichen Lebens“ mit
sofortiger Wirkung unterbrochen. Neben dem Streik bei der CFM wurde bisher
auch der ab Montag geplante Streik der Beschäftigten in den Laboren an den
Lahn-Dill-Kliniken in Wetzlar, Dillenburg und Braunfels (alle Hessen) für
eine Woche ausgesetzt.
Ein von der „Kampagne gegen Outsourcing und Befristung“ geplantes
Protestzelt vor dem Virchow-Klinikum wurde Dienstag trotzdem aufgebaut.
Neben Mitglieder*Innen der Kampagne waren politische Studierendengruppen,
Aktivist*Innen vom Frauen*Streik, aber auch von der Kiezinitiative
„Hände weg vom Wedding“ vor Ort. In Redebeiträgen und persönlichen
Gesprächen wurde dabei klar, dass es keine geteilte Zufriedenheit mit der
Entscheidung gibt, den Streik zu unterbrechen.
„Auf keinen Fall gefährdet der Streik Menschenleben, sondern im Gegenteil,
der Normalzustand ist gesundheitsgefährdend“, meint zum Beispiel Stefan
Schneider von der Kampagne gegen Outsourcing und Befristung und spielt
damit auf die Arbeits- und Ausstattungsbedingungen an, die bundesweit
regelmäßig zu Arbeitskämpfen in Krankenhäusern führen.
Häufiger fällt die Aussage, dass die Entscheidung über die Fortführung des
Streiks bei den Beschäftigten hätte liegen sollen. Und tatsächlich wurden
am Montag spontan fast 200 Unterschriften gegen den Abbruch gesammelt.
Wie genau es in Zukunft mit den Anliegen der CFM-Belegschaft weitergehen
wird, ist unklar. „Wir müssen den Streik wieder aufbauen“, heißt es in
einem weiteren Redebeitrag. Auch aus der Pressemitteilung der Verdi-Gruppe
geht hervor, dass die Verhandlungen wieder aufgenommen werden sollen. Die
nächste Tarifrunde ist für den 16. März angesetzt. Mit allen Kräften
gekämpft werden könne allerdings erst, sobald „Licht ins dunkle Coronathema
kommt“. Bleibt nur abzuwarten, wann das sein wird.
Roberto Sanchino Martinez
## Eine bizarre Angelegenheit
Seit Dienstagmorgen können sich vermeintlich Coronavirus-Infizierte in der
Mittelallee 1 in Wedding testen lassen. Diese gesonderte Anlaufstelle wurde
eingerichtet, um Arztpraxen und Rettungsstellen zu entlasten. Außerdem muss
so das Personal nach einer Untersuchung nicht unter Generalverdacht
gestellt werden, da abgeschirmt getestet wird. Es sollen in Berlin noch
vier bis sechs weitere Anlaufstellen eröffnet werden.
Um 10.40 Uhr, erste Eindrücke: ein weißes Zelt, versteckt, hinter der
Untersuchungsstelle der Charité. Etwa zehn Menschen mit Atemmasken stehen
an, sie halten Abstand voneinander, dick eingepackt mit Schal und Kapuze.
Ein Arzt mit spezieller Atemmaske und blauer Schutzkleidung, der
ausdrücklich nicht für die Presse zur Verfügung steht, verteilt Atemmasken
und Wartenummern.
Kurze Zeit später werden es immer mehr Menschen und der leitende Arzt
verweist auf das Zelt. Dort sitzen die Verdachtsfälle nah beieinander. Er
erklärt jetzt, dass ungefähr eine Stunde gewartet werden müsse, bis die
Verdachtsfälle, jeweils in Dreiergruppen, in die Untersuchungsstelle
geführt werden. Dort würden sie zunächst befragt, etwa nach Aufenthalten in
Risikogebieten, bevor dann der Test vorgenommen werde.
Das Ergebnis bekämen die potentiell Infizierten erst am nächsten Tag – bis
dahin herrsche strenge Quarantäne in den eigenen vier Wänden.
Verantwortlich sind die Verdachtsfälle dafür selbst – eine recht
leichtsinnige Art, Quarantäne zu verhängen.
Eine junge Frau erzählt, ihr Hausarzt habe sie auf die Anlaufstelle
verwiesen, da sie Symptome bekommen und sich an einem Pariser Flughafen
aufgehalten habe. Eine andere Frau sagt, sie sei Erzieherin und müsse sich
deshalb testen lassen. „Von wegen vorbereitet“, sagt sie und erzählt, sie
habe die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes gewählt, die auf der
Seite des Bundesgesundheitsministeriums angegeben ist – und kam nicht
durch. Sie habe daraufhin beim Gesundheitsamt angerufen, welches ihr den
Amtsarzt vorbeischicken wollte. Dann revidierte das Amt die Aussage wieder:
Ein Amtsarzt würde generell nicht geschickt und den spezifischen Test habe
ohnehin nur die Untersuchungsstelle der Charité. „Es gab sehr viele
Fehlinformationen“, so die Erzieherin.
Ein Mann von der Presse fotografiert das Geschehen. Der leitende Arzt mahnt
ihn ausdrücklich ab: „Keine Fotos!“ „Die Menschen haben ein Recht auf
Information!“, ruft der Fotograf. „Ich habe aber das Hausrecht!“, antwort…
der Arzt und verschwindet in der Anlaufstelle.
Alissa Geffert
3 Mar 2020
## AUTOREN
Stefan Alberti
Alissa Geffert
Roberto Sanchino Martinez
## TAGS
Dilek Kalayci
Verdi
Michael Müller
Warnstreik
Charité
Hygiene
Schwerpunkt Coronavirus
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