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# taz.de -- Chaos bei den Hamburger Grünen: Schwer zu verstehen
> Der gescheiterte Versuch, einen Untersuchungsausschuss zum NSU
> einzusetzen, zeigt: Den Grünen gelingen keine nachvollziehbaren
> Kompromisse.
Bild: Unter Druck: Hamburgs grüne Fraktionsvorsitzende Jenny Jasberg
Hamburg taz | Wie es die Hamburger Grünen in wenigen Tagen hinbekommen
haben, sogar in der bundesweiten Öffentlichkeit für lagerübergreifendes
Kopfschütteln zu sorgen, ist schon bemerkenswert: Bei ihrem Scheitern, nun
auch endlich in Hamburg [1][einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss
(PUA) zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) einzurichten], ist das
Entsetzen ziemlich groß.
Aus linker Sicht ist es das, weil es den Grünen an Rückgrat fehlt, wenn es
um wichtige antifaschistische Anliegen geht. Mehr noch: Wer, wie die
Abgeordnete Miriam Block ihrem Gewissen nach für einen Oppositionsantrag
zur PUA-Einsetzung stimmt und damit gegen den ausgehandelten faulen
Regierungskompromiss, wird auch noch abgestraft – die Fraktion entband sie
von einigen ihrer Ämter.
Andersrum war die rot-grüne Koalition seit ihrem Bestehen einem Bruch noch
nie so nahe wie in den vergangenen Tagen, weil es der Grünen-Fraktion nicht
gelang, sich auf eine gemeinsame Position zu einigen. Es fehlte nicht viel,
und eine ganze Schar von Abgeordneten hätte sich nicht an die eingeforderte
Fraktionsdisziplin gehalten. So lässt sich nur schwer regieren. Hätte es
tatsächlich bei der namentlichen Parlamentsabstimmung mehr
Abweichler:innen gegeben – die SPD hätte die Grünen wohl aus der
Regierung geschmissen.
Wie konnte das passieren? In der Fraktion, aber auch in der Landespartei
ist die Stimmung so mies wie lange nicht mehr. Am Donnerstagabend lud die
Landespartei kurzfristig zu einem Mitgliederabend ein: Die Grünen-Spitze
wollten ihr Handeln der vergangenen Tage erklären, Mitglieder sollten in
geordneten Bahnen die Gelegenheit bekommen, Dampf abzulassen.
## Hektische Krisengespräche
Rund 150 Grüne waren anwesend: von der Senatsriege bis zum einfachen
Mitglied. „Es war ein kontroverser, aber auch guter Austausch“, sagte eine
Parteisprecherin der taz. Auch Miriam Block war anwesend und erläuterte
ihre Sichtweise.
Die Forderung, einen NSU-Ausschuss einzurichten, lag bei den Grünen
jahrelang in der Schublade. Nach den vergangenen zwei Wahlen konnten sie
sich in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD damit jedoch nie
durchsetzen. Die Sozialdemokrat:innen blocken, mit erstaunlich
schwachen Argumenten, aber dafür umso vehementer, das Vorhaben seit jeher
ab.
Vor zwei Jahren, nachdem der aktuelle Koalitionsvertrag unterschrieben
worden war, bekräftigte jedoch der grüne Landesverband bei einer
Mitgliederversammlung nochmal seinen Willen, einen PUA einzurichten. Die
Fraktionsspitze um Jenny Jasberg und Dominik Lorenzen packte in
Koalitionsgesprächen mit der SPD zuletzt das Thema wieder auf die
Tagesordnung.
Besonders Jasberg soll auf eine parlamentarischen Aufarbeitung gepocht
haben. Die SPD stellte sich aber konsequent quer. Bloß: Das bekam auch die
oppositionelle Linksfraktion mit und beantragte Ende März, mitten in den
Koalitionszwist hinein, die Einsetzung eines NSU-Ausschusses, über die die
Bürgerschaft am 13. April abstimmen sollte.
## Ein halber Rausschmiss
Nun wurde es hektisch: Der Antrag entsprach schließlich dem, was die Grünen
wollen. Schnell hatte Miriam Block klar gemacht, dass sie dem Antrag
zustimmen will. Und sie soll weitere Grünen-Abgeordnete dazu ermuntert
haben. Als Grünen-Fraktion dem Antrag zuzustimmen, hätte allerdings
automatisch das Ende der rot-grünen Koalition bedeutet. Das war der
Fraktionsspitze klar.
Es folgten eine Reihe an Krisensitzungen, fraktionsintern wie mit der SPD.
Das Ergebnis: Einen PUA wird es nicht geben, stattdessen soll es – das hält
die Grünen-Spitze zumindest für einen zarten Verhandlungserfolg – [2][eine
wissenschaftliche Aufarbeitung des NSU-Komplexes geben.]
Miriam Block [3][stimmte dennoch dem Linken-Antrag] – ohne Chance auf
Erfolg – zu. Am Montag dann stimmte die Fraktion nach mehrstündiger
Diskussion einem Antrag der Fraktionsspitze zu, die 33-Jährige als
Sprecherin für Wissenschaft und Hochschule abzuwählen sowie aus den
Ausschüssen für Wissenschaft und Inneres abzuberufen.
Blocks Stimmverhalten sei ein Affront gegen die gesamte Fraktion gewesen.
Sie hätte ja gar nicht für den rot-grünen Vorschlag stimmen müssen: Fünf
weitere Grünen-Abgeordnete waren bei der Abstimmung nicht anwesend. Zwei
meldeten sich krank, drei verließen vor der Abstimmung den Plenarsaal.
## Müder Kompromiss
Doch ist die Reaktion auf Blocks Stimmverhalten mal wieder ein müder
Kompromiss: Entweder hätte Block aus der Fraktion fliegen müssen oder sie
hätte ihre Ämter behalten sollen – schließlich hat sie ja nur so
abgestimmt, wie es dem erklärten Willen der Mitglieder entsprach. Und trotz
des Kompromisses wird das Handeln der Fraktion als unschöne Drohung
gegenüber Abgeordneten gesehen werden, die in Zukunft von der
Fraktionslinie abweichen wollen. [4][In der Außenwirkung jedenfalls war die
Entscheidung fatal.]
Dabei half auch das dürre Statement nicht, das die Fraktion im Anschluss an
die Aussprache zur Erklärung veröffentlichte, und das eher Fragen aufwarf,
als es Antworten lieferte. „Ich verstehe es nicht“, twitterte Renate Künast
dazu. Zu verstehen ist letztlich das komplette Vorgehen der Grünen in der
Sache nicht.
29 Apr 2023
## LINKS
[1] /Forderung-nach-NSU-Ausschuss-in-Hamburg/!5921628
[2] /Forderung-nach-NSU-Ausschuss-in-Hamburg/!5921628
[3] https://www.linksfraktion-hamburg.de/wp-content/uploads/2022/09/Der-NSU-Kom…
[4] /NSU-Aufarbeitung/!5929335
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Grüne
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Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Kolumne Der rechte Rand
Grüne
Schwerpunkt Rechter Terror
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Rechtsextremismus
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