# taz.de -- Bundesregierung gibt Plan auf: Stromnetzkauf scheitert am Geld | |
> Deutschland wollte das Strom-Übertragungsnetz eines niederländischen | |
> Betreibers übernehmen. Das ist gescheitert. Minister Habeck zeigt sich | |
> enttäuscht. | |
Bild: Tennet muss unter den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern die meis… | |
Berlin taz | Die Bundesregierung stoppt ihre Pläne, die deutsche | |
Netzinfrastruktur des niederländischen Übertragungsnetzbetreibers Tennet | |
komplett in deutsches Staatseigentum zu überführen. Für eine solche | |
Transaktion, die rund 25 Milliarden Euro gekostet hätte, fehlt im | |
Bundeshaushalt schlicht das Geld. Tennet teilte am Donnerstag mit, dass die | |
Verhandlungen mit der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im | |
Auftrag der Bundesrepublik Deutschland ergebnislos beendet worden seien. | |
Weiterhin denkbar sei aber eine Minderheitsbeteiligung des deutschen | |
Staates, hieß es am Donnerstag aus Regierungskreisen. Hinter dieser Option | |
dürften auch Erinnerungen an 2018 stehen, als die KfW im letzten Moment | |
beim Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz einstieg, um einen Teilverkauf des | |
Unternehmens an einen chinesischen Konzern zu verhindern. Seit Herbst 2022 | |
hatte die Bundesregierung mit der Tennet Holding über den Kauf verhandelt. | |
Die KfW sollte Eigner des Hoch- und Höchstspannungsnetzes werden, das von | |
Schleswig-Holstein über Niedersachsen und Hessen bis nach Bayern reicht und | |
rund 14.000 Kilometer umfasst. | |
Die Tennet Holding, die sich zu 100 Prozent in Händen des niederländischen | |
Staates befindet, hatte das deutsche Netz Anfang 2010 vom Essener | |
Energiekonzern Eon übernommen, ging im Laufe der Jahre aber zunehmend auf | |
Distanz zu ihrem deutschen Unternehmensteil. Als Grund nannte sie | |
„Investitionen in bisher nicht dagewesenem Umfang“, die im Zuge der | |
Energiewende nötig werden. 160 Milliarden Euro hat Tennet im | |
Zehn-Jahres-Investitionsplan für den Zeitraum 2024 bis 2033 veranschlagt, | |
davon entfallen nach Branchenschätzungen rund 100 Milliarden auf das | |
deutsche Netz an Land und auf See. | |
Tennet muss unter den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern die meisten | |
Investitionen schultern, was sich aus dem Zuschnitt des Netzgebiets ergibt. | |
Zum einen ist Tennet für die Anbindung der Nordsee-Windparks zuständig, zum | |
anderen reicht das Netz von der dänischen bis an die österreichische | |
Grenze, womit Tennet auch die Hauptlast beim Ausbau der großen | |
Nord-Süd-Trassen trägt. | |
## „Noch mal von vorne nachdenken“ | |
Da der Konzern sich zu den enormen Investitionen aus eigener Kraft nicht in | |
der Lage sieht und auch der niederländische Staat wenig Bereitschaft zeigt, | |
so viel Steuergeld in die deutsche Energiewende zu investieren, suchte das | |
Unternehmen den Ausstieg aus dem Deutschlandgeschäft – und fand in der | |
Ampelregierung Unterstützer [1][für einen Verkauf an die KfW]. | |
Noch im letzten Sommer hatte sich Tennet-Vorstand Tim Meyerjürgens zitieren | |
lassen, man sei „in sehr guten konstruktiven Gesprächen“. Doch bald schwand | |
die Euphorie. Im Mai teilte Tennet mit, dass trotz „umfangreicher | |
Gespräche“ bisher „leider keine Einigung erzielt werden“ konnte. Am | |
Donnerstag also das Aus. | |
Der Tennet-Erwerb sollte ein wesentlicher Schritt sein auf dem Weg zu einer | |
deutschen „Netz AG“, bei der der Bund Anteile an allen deutschen | |
Übertragungsnetzbetreibern halten und mehr Kontrolle über den | |
Stromnetzausbau erlangen könnte. Neben den 20 Prozent an 50Hertz ist der | |
Bund über die KfW auch mit mit 24,95 Prozent beim Übertragungsnetzbetreiber | |
TransnetBW beteiligt. | |
[2][Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck] zeigte sich über das Aus mit | |
Tennet enttäuscht. Am Rande einer Asienreise sagte der Grüne in Südkorea, | |
er bedauere, dass es nicht gelungen sei, die vier Übertragungsnetzbetreiber | |
in einer Gesellschaft zusammenzufassen. Dies hätte den Strom in Deutschland | |
günstiger gemacht. „Nun müssen wir halt noch mal von vorne nachdenken“, so | |
der Minister. | |
20 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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