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# taz.de -- Energiewende in Deutschland: Teure Pachten für Windkraftflächen
> Die Landesforsten vergeben Landnutzung für Windräder an den höchsten
> Bieter – das treibt die Preise. Eine gesetzliche Höchstgrenze könnte
> helfen.
Bild: Ein Windrad in Hessen. Teils zahlen Windstrom-Anbieter in Deutschland 30 …
Freiburg taz | Wer ein Grundstück [1][an windreichem Standort] sein Eigen
weiß, kann damit inzwischen sehr viel Geld verdienen – denn angesichts der
Ausbaupläne der Bundesregierung und der sich daraus ergebenden staatlichen
Förderung für die Windkraft explodieren an guten Standorten die
Flächenpachten.
Eine offizielle Statistik zur Pachthöhe gibt es zwar nicht, doch wo immer
man sich in der Branche umhört, ist die Aussage die gleiche: Da läuft was
aus dem Ruder. Branchenakteure sehen darin eine Gefahr: „Stark steigende
Flächenpachten könnten zum Flaschenhals der Energiewende werden“, sagt
Jürgen Quentin von der Fachagentur Wind und Solar.
Andere formulieren es noch drastischer: „Da ist die Gier ausgebrochen“,
sagt Jens Kriete, Nachhaltigkeits-Manager der Koehler Renewable Energy. Die
Firma ist eine Tochter der Papierfabrik Koehler im Schwarzwald und sie
würde gerne in der Region eigene Windkraftanlagen errichten, nachdem die
Koehler-Gruppe das Ziel definiert hat, im Jahr 2030 mehr Strom aus
erneuerbaren Energien zu erzeugen, als sie in ihren Werken verbraucht. Doch
mehrfach seien an den Standorten Gebote eines schwedischen Energiekonzerns
zum Zuge gekommen. Es gehe bei der Vergabe von Flächen oft nur noch um
Höchstpreise, nicht mehr um den Erhalt lokaler [2][Arbeitsplätze], klagt
ein Firmensprecher.
Zu den größten Treibern der Pachtpreise gehören ausgerechnet die
Landesforsten, die in den Wäldern der Mittelgebirge über zahlreiche
geeignete Windkraftstandorte verfügen. Durch gesetzliche Rahmenbedingungen,
wie das Vergaberecht und das Haushaltsrecht, sind die Einrichtungen der
öffentlichen Hand verpflichtet, ihre Flächen per Ausschreibung meistbietend
zu verpachten. Würden die landeseigenen Forstbetriebe nicht das Maximum
herausholen, müssten sie sich vorwerfen lassen, öffentliche Güter zu
verscherbeln. Der Anstieg der Pachten wird damit bei steigender Nachfrage
zum Automatismus.
## In der politischen Debatte kaum angekommen
Konkrete Zahlen aus der Branche bekommt man allerdings oft nur unter dem
Siegel der Vertraulichkeit. Vor ein paar Jahren lagen die Pachten zumeist
noch bei etwa zehn Prozent der jährlichen Stromeinnahmen einer
Windkraftanlage. Inzwischen berichtet ein deutscher Projektentwickler, er
habe für einen guten Standort jüngst notgedrungen einen Vertrag
unterzeichnet, der gut 30 Prozent des Stromertrags als Pacht festlegt. Und
es gebe sogar den Extremfall, wo ein ausländischer Konzern einem
Flächeneigentümer 50 Prozent der Erträge als Pacht angeboten habe. Damit
kann eine einzelne Anlage eine Jahrespacht von rund einer halben Million
Euro bringen.
Da solche Beträge nur zu bezahlen sind, weil die Projekte über das
[3][Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)] und damit die Steuerzahler
abgesichert sind, droht der Energiewende durch die Pachthöhen auch ein
Imageproblem. Denn aus überbordenden Pachten könnte man schließen, dass die
Vergütungssätze zu hoch sind.
Entsprechend hat der Bundesverband Windenergie (BWE) bereits im Jahr 2022
ein Konzept zur Pachthöhenbegrenzung entwickelt. Danach sollte der fixe
Pachtanteil auf maximal das 45-fache der landwirtschaftlichen Pacht
limitiert werden, der variable Anteil auf 0,4 Cent je Kilowattstunde. Die
Bezugsfläche würde auf Basis des vom Rotor überstrichenen Geländes
errechnet.
Nach wie vor ist das Papier Beschlusslage des Branchenverbandes, doch
bisher hat es weder in der Politik noch in der Öffentlichkeit eine
nennenswerte Debatte angestoßen. Im Bundeswirtschaftsministerium versucht
man sogar, Zweifel an der Zulässigkeit einer Pachtbegrenzung zu säen. Auf
Anfrage sagt ein Sprecher: „Über das EEG-Ausschreibungsdesign in
privatwirtschaftliche Pachtverträge einzugreifen, ist nicht möglich.“
Diese Sichtweise wäre nachvollziehbar, würde man im komplett
privatwirtschaftlichen Umfeld agieren, wo typischerweise Vertragsfreiheit
gilt. Doch weil die Windkraftanlagen über das EEG und damit nicht frei am
Markt finanziert werden, bieten die Förderkonditionen einen Ansatzpunkt: In
den Ausschreibungsbedingungen für EEG-Anlagen könnte eine maximal zulässige
Pachthöhe verankert werden.
Anders als das Wirtschaftsministerium halten Fachjuristen diesen Weg
nämlich durchaus für gangbar: „Eine Pachtobergrenze als Voraussetzung für
eine Teilnahme an den Ausschreibungen zu definieren, dürfte rechtlich
zulässig sein“, sagt Thorsten Müller, Jurist und Leiter der Stiftung
Umweltenergierecht. Die Schwierigkeit liege lediglich darin, dass man
Umgehungstatbestände ausschließen müsse; dafür stünden verschiedene Wege
zur Verfügung, die man sich im Detail anschauen müsse.
Während es also in der Branche gärt, ist das Thema in der politischen
Debatte bisher kaum angekommen – was sich angesichts der jüngsten
Preisentwicklungen aber wohl bald ändern dürfte.
14 Oct 2024
## LINKS
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[2] /Ausbau-von-Wind--und-Sonnenkraft/!6036960
[3] /Erneuerbare-Energien-Gesetz-EEG/!t5022427
## AUTOREN
Bernward Janzing
## TAGS
Energiewende
Schwerpunkt Klimawandel
Windkraft
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
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