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# taz.de -- Gutachten zur Vergesellschaftung: Gemeinwohl im Energiesektor mögl…
> Ein Gutachten zeigt, dass Vergesellschaftung auch im Energiesektor ein
> gangbarer Weg ist. Das Ergebnis bringt Wind in die Debatte um die
> Energiewende.
Bild: Der Konzern RWE will seine Anteile am deutschen Stromnetz derzeit verkauf…
Berlin taz | Mitten in der Energiekrise stand sie bereits im Raum: die
staatliche Übernahme von Energienetzen. 2024 hatte der damalige
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dafür geworben, über die
bundeseigene Förderbank KfW Tennet, den größten deutschen Netzbetreiber, zu
erwerben. Die angespannte Haushaltslage führte jedoch zum Abbruch der
Verkaufsgespräche.
Nun meldete sich der zivilgesellschaftliche Verein Communia mit einem
juristischen [1][Gutachten] zu Wort, das zeigt: Öffentliche Kontrolle über
den Energiesektor geht günstiger, mit Vergesellschaftung. Wie schon die
Kampagne [2][Deutsche Wohnen & Co. Enteignen] stützt sich der Verein auf
Artikel 15 des Grundgesetzes, der die Überführung von Grund und Boden,
Naturschätzen und Produktionsmitteln zum Zwecke der Vergesellschaftung in
Gemeinwirtschaft erlaubt. Das wäre, wie das Gutachten zeigt, auch im
Energiesektor möglich.
Die beauftragte Hamburger Kanzlei „Rechtsanwälte Günther“ stellt
weitgehende Einigkeit darüber fest, dass die zu zahlende
Entschädigungssumme unterhalb des Marktwertes des Unternehmens liegen
müsste. Andernfalls handele es sich schließlich um einen Kauf.
Ferner gilt als wahrscheinlich, dass beispielsweise Braunkohlekraftwerke in
den Unternehmensvermögen die Entschädigungssumme signifikant verkleinern
könnten. Weder hätten diese mit dem [3][Kohleausstiegsgesetz] eine
besonders lange Zukunft vor sich, noch könnte ein künftiger Eigentümer
ihnen im Hinblick auf Klimaschutz etwas abgewinnen.
## Vergesellschaften für das Klima?
Doch was genau und zu welchem Zweck vergesellschaftet werden sollte, ist
umstritten. Die Initiative RWE & Co. Enteignen argumentiert, dass unter der
aktuellen Regierung kaum strengere Regulierungen für Energiekonzerne zu
erwarten seien. Wie RWE auf die Brückentechnologie Gas zu setzen, sei zwar
eine „Transformation weg von der Kohle, aber keine, die aus
klimapolitischer Perspektive sinnvoll ist“.
Ohne Vertretung klimapolitischer Interessen in der Regierung müsste die
Zivilgesellschaft nach Alternativen zur Durchsetzung der grünen
Transformation suchen, sagen die Aktivist*innen.
„Für Kohle und Gas gibt es andere effektive Regulierungen“, glaubt dagegen
Uwe Witt, Referent für Klimapolitik und Strukturwandel bei der
Rosa-Luxemburg-Stiftung. Weil der Energiesektor theoretisch gut über das
Ordnungsrecht zu kontrollieren sei, sollte man sich machtpolitisch lieber
auf Vergesellschaftungskämpfe in Bereichen mit realistischen Erfolgschancen
konzentrieren.
Andererseits spielen bei Vergesellschaftungsüberlegungen nicht nur
klimapolitische Erwägungen eine Rolle, sondern auch gestiegene
Energiepreise. Der für die Energiewende notwendige Netzausbau könnte diese
weiter in die Höhe treiben – und aktuelle Investoren abschrecken.
Das Problem sei, „dass Stromnetze heutzutage nicht genügend Gewinne
abwerfen, um Investitionen im ausreichenden Maße für die Energiewende
anzureizen“, erklärt Axel Kölschbach Ortego vom Dezernat Zukunft, einer
Denkfabrik für Wirtschaftspolitik. So will auch der Konzern RWE seine
Anteile am deutschen Stromnetz derzeit verkaufen. Zu den Gründen macht der
Konzern der taz gegenüber keine genaueren Angaben.
## Sozialere Preisgestaltung
„Der Knackpunkt für mehr Investitionsanreize wäre eine Erhöhung der
regulatorischen Eigenkapitalverzinsung, welche von der Bundesnetzagentur
festgelegt wird“, sagt Kölschbach Ortego. Netzbetreiber dürften dann höhere
Rendite in Rechnung stellen. „Das würde allerdings zu steigenden
Netzentgelten führen, damit also die Stromverbraucher*innen belasten
und nicht die öffentlichen Haushalte“, führt Kölschbach Ortego weiter aus.
Das Gutachten zeigt einen Alternativweg auf. Die Gemeinwohlorientierung
eines Vergesellschaftungsträgers ließe auch die Möglichkeit einer
sozialeren Preisgestaltung zu. Das bedeutet konkret, dass Mehrausgaben
beispielsweise über nach Einkommen gestaffelte Preise ausgeglichen werden
könnten.
Die einzige Einschränkung, die das Gutachten benennt, liegt auf Ebene des
Europarechts. Anders als befürchtet, schiebt dieses der Vergesellschaftung
zwar keinen grundsätzlichen Riegel vor. Es fordert aber eine angemessene
Rechtfertigung für den Eingriff in den Wettbewerb. Diesen komplett
auszuschalten, wäre nicht zulässig. Mit anderen Worten: Einzelne
Unternehmen können vergesellschaftet werden, wenn ein „ein im
Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird“, der ganze Energiesektor
aber nicht.
22 Jun 2025
## LINKS
[1] https://edaefyfsqc4.exactdn.com/wp-content/uploads/Energiestudie-02-V8-web.…
[2] /Gutachten-zu-Enteignungen-in-Berlin/!5932840
[3] /Emissionszertifikate-immer-noch-gueltig/!6068813
## AUTOREN
Eva Kaiser
## TAGS
Energiewende
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